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Titelthema

Das Netzwerk des 20. Juli 1944

Titelthema - Das Netzwerk des 20. Juli 1944
Für eine größere Ansicht klicken Sie auf die Grafik im Text. © Linda von Keyerlingk-Rehbein/Lukas Verlag

Stauffenberg handelte nicht allein, sein Helfernetzwerk war weit verzweigt: Wissen und Unwissen des NS-Regimes über den Umsturzversuch

15.07.2024

Der 20. Juli 1944 ist in der öffentlichen Erinnerungskultur mit keiner anderen Person so eng verbunden wie mit Oberst i. G. Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der die Umsturzpläne ab Herbst 1943 entschieden vorangetrieben hatte. Der begabte Generalstabsoffizier suchte von diesem Zeitpunkt an aktiv nach Gleichgesinnten, die konkrete Aufgaben am Umsturztag und danach übernehmen konnten oder bereit waren, ein Attentat auf den "Führer" zu verüben. Die Beseitigung Adolf Hitlers galt den meisten Beteiligten als notwendige Voraussetzung für einen Umsturzversuch. Denn solange Hitler lebte, stellte der Eid, den alle Wehrmachtsoldaten auf den Diktator persönlich hatten schwören müssen, ein strukturelles Problem für ein Umsturzvorhaben dar. Als Stauffenberg im Sommer 1944 durch eine Versetzung persönlich Zugang zum streng abgesicherten "Führer" erhielt, erklärte er sich bereit, dass Attentat selbst auszuführen. Bei der Vorbereitung und Durchführung des Umsturzversuches am 20. Juli 1944 hatte Stauffenberg somit eine Schlüsselrolle, doch handelte er keineswegs im Alleingang. Vielmehr konnte er auf ein umfangreiches konspiratives Netzwerk zurückgreifen, dessen Anfänge bis in die Vorkriegsjahre zurück reichten. Wer war außer ihm noch beteiligt?

Die Führung des NS-Regimes sowie deren Verfolgungsorgane waren von den Ereignissen des 20. Juli 1944 völlig überrascht worden. Trotz jahrelanger Überwachung von Regimegegnern war es der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) nicht gelungen, die Umsturzpläne im Vorfeld aufzudecken. Noch am Tag des Attentats setzte daher eine fieberhafte Suche nach den Beteiligten ein. In der nun gebildeten "Sonderkommission 20. Juli" sollten fortan rund 400 Gestapo-Beamte nach den Hintergründen des Umsturzversuches fahnden.

Doch noch bevor die eigentlichen Ermittlungen begannen, hatte die NS-Führung bereits verkündet, wer aus ihrer Sicht hinter dem Anschlag steckte. Hitler hatte die Detonation der von Stauffenberg im "Führerhauptquartier Wolfsschanze" platzierten Bombe mit nur leichten Verletzungen überlebt. In seiner Radioansprache in den frühen Morgenstunden des 21. Juli postulierte er, dass "eine ganz kleine Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich verbrecherischer dummer Offiziere" ein Komplott zu seiner Beseitigung geschmiedet habe. Um dieses Bild weiter zu festigen, wurden in den folgenden Tagen konkrete Vorgaben zur Bezeichnung der Beteiligten des 20. Juli als "kleine Clique" an sämtliche Dienststellen des Reichssicherheitshauptamts sowie an die Gauleitungen verschickt.


"Erste Aufgabe ist die Wiederherstellung der vollkommenen Majestät des Rechts. Die Regierung selbst muss darauf bedacht sein, jede Willkür zu vermeiden, sie muss sich daher einer geordneten Kontrolle durch das Volk unterstellen".
Aus der von Ludwig Beck und Carl Friedrich Goerdeler entworfenen Regierungserklärung nach dem Sturz des NS-Regimes, Sommer 1944

Bis zum Kriegsende orientierte sich die NS-Propaganda an dieser Darstellung. Sie wiederholte gebetsmühlenartig, dass nur eine ganz kleine, vornehmlich militärische "Clique" mit reaktionären Zielen den Umsturzversuch getragen habe. Tatsächlich war den Gestapo-Beamten jedoch schon nach wenigen Wochen klargeworden, dass die Beteiligten in Wirklichkeit Teil eines großen und komplexen zivil-militärischen Beziehungsgeflechts gewesen waren. Erkennbar wird dies in der Grafik, die auf der Auswertung von NS-Quellen wie Ermittlungsberichten, Urteilen und Prozessberichten beruht. In dieser Grafik sind jene 132 Personen als sogenannte Knoten in einem komplexen Netzwerk zu sehen, die aus Sicht der Gestapo und der Richter am Volksgerichtshof in die Umsturzpläne eingeweiht gewesen waren und sich aktiv am Umsturzversuch beteiligt hatten.

Schnell zeigte sich, dass neben den Militärs auch zivile Berufsgruppen involviert gewesen waren, wie Diplomaten, Beamte, Juristen, Gewerkschafter, Unternehmer, Gutsbesitzer, Wissenschaftler und Kirchenvertreter. Bekannt war zudem, dass das politische Spektrum der Beteiligten von konservativ über liberal bis sozialdemokratisch reichte. Die 650 ermittelten Kontakte zwischen den in der Grafik enthaltenen 132 Akteuren zeigen darüber hinaus, wie eng verwoben diese unterschiedlichen Gruppen miteinander waren. Ein einziger Blick auf die Netzwerkgrafik zeigt daher deutlich den Widerspruch zwischen dem Wissen der nationalsozialistischen Ermittler einerseits und der Propaganda des NS-Regimes andererseits.

Die brutale Verfolgung der Beteiligten des Umsturzversuchs und ihrer Familien zog sich über Wochen und Monate hin und sollte erst mit Kriegsende, im Mai 1945, ein Ende finden. Um die Behauptung, es habe sich bei den Beteiligten des "20. Juli" nur um eine "kleine Clique" gehandelt, nicht zu konterkarieren, durfte über die Prozesse vor dem Volksgerichtshof bereits nach wenigen Wochen nicht mehr öffentlich berichtet werden. Die meisten der insgesamt mehr als 80 bekannten Verfahren, in denen über 150 Personen im Zusammenhang mit dem "20. Juli" angeklagt wurden, fanden statt, ohne dass die Öffentlichkeit davon erfuhr.

Die Geschichtswissenschaften haben bereits gezeigt, dass die Gestapo trotz umfangreicher Ermittlungen und zahlloser Verhöre, die nicht selten unter Anwendung von Folter erfolgten, keineswegs alle Beteiligten des Umsturzversuches ausfindig machen konnte. Wie groß das Netzwerk des 20. Juli 1944 tatsächlich gewesen ist, lässt sich jedoch nicht mehr vollständig rekonstruieren, da die Quellenlage schwierig ist. Die Beteiligten hatten in der Regel aus Sicherheitsgründen darauf verzichtet, ihre konspirativen Kontakte zu dokumentieren beziehungsweise vernichteten relevante Unterlagen im Sommer 1944, damit sie nicht der Gestapo in die Hände fallen konnten. Die Forschung geht heute von über 200 Personen aus, die sich aktiv am Umsturzversuch beteiligten. Die Zahl der Mitwisser und Unterstützer, die wussten, dass eine Aktion gegen die Regime-Spitze geplant sei, ohne nähere Informationen darüber zu haben und ohne selbst aktiv beteiligt zu sein, liegt noch deutlich über dieser Zahl.

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Was zu sehen ist

In der Grafik ist eine deutliche Zweiteilung des insgesamt recht dichten Netzwerks in einen zivilen und einen militärischen Bereich zu erkennen. Zugleich werden viele Querverbindungen zwischen diesen beiden Teilen des Netzwerks sichtbar. Im Ermittlungsbericht vom 9. August 1944 ist von "einem insgesamt doch recht engen und raffinierten Zusammenspiel" der Beteiligten die Rede. Zudem wurde festgestellt, dass "der militärische Kreis um Stauffenberg und der zivile Kreis um Goerdeler" nicht scharf voneinander zu trennen seien. Vielmehr konstatierte man: "[…] die Beziehungen liefen vielfach ineinander. Alle wesentlichen Personen kannten sich, und beispielsweise haben sich sowohl Goerdeler als auch Stauffenberg gewisser Verbindungen gemeinsam bedient." Diese Beobachtung der Gestapo-Beamten traf tatsächlich zu.

Als zentrale Akteure heben sich im militärischen Bereich der Netzwerkgrafik vor allem Oberst i. G. Claus Schenk Graf von Stauffenberg und General der Infanterie Friedrich Olbricht ab. Letzterer hatte als Chef des Allgemeinen Heeresamtes in Berlin federführend an der Überarbeitung der "Walküre"-Befehle für den geplanten Staatsstreich gearbeitet und schließlich auch Stauffenberg als engen Mitarbeiter in die Umsturzplanung mit eingebunden. Im zivilen Bereich war Carl Goerdeler ein zentraler Akteur im konservativen Umfeld. Der prominente frühere Oberbürgermeister von Leipzig galt zusammen mit Generaloberst Ludwig Beck als "geistiger Drahtzieher" des Umsturzversuchs. Der frühere hessische Innenminister und Gewerkschaftsführer Wilhelm Leuschner bildete nach Kenntnis der Ermittler ein Zentrum im sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Bereich des Netzwerks. Auch Jakob Kaiser, prominenter Vertreter der ehemaligen Christlichen Gewerkschaften, gehörte zu den gut vernetzten Akteuren. Im oberen linken Teil der Netzwerkgrafik sind die Mitglieder des Kreisauer Kreises um Helmuth James Graf von Moltke und Peter Graf Yorck von Wartenburg als Teilgruppe des Gesamtnetzwerks zu erkennen.

Was nicht zu sehen ist – Was die Gestapo nicht wusste

Nach unzähligen Verhören und monatelanger Ermittlungsarbeit hatten die Gestapo-Beamten schließlich umfangreiche Kenntnisse über das große und komplexe zivil-militärische Beziehungsgeflecht hinter dem Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 gewinnen können. Dennoch war es ihnen nicht gelungen, alle Informationen über das Netzwerk herauszufinden. Die Beteiligten hatten es während der Verhöre vermocht, wichtige Informationen zu verbergen, um weitere Personen zu schützen. Bei der Betrachtung der Netzwerkgrafik geht es somit auch darum, zu erkennen, was nicht zu sehen ist (da es in den NS-Quellen nicht dokumentiert ist).


"Die zerbrochene Freiheit des Geistes, des Gewissens, des Glaubens und der Meinung wird wiederhergestellt". 
Aus der von Ludwig Beck und Carl Friedrich Goerdeler entworfenen Regierungserklärung nach dem Sturz des NS-Regimes, Sommer 1944

Auffällig ist beispielsweise, dass in der Netzwerkgrafik nur verhältnismäßig wenige Kontakte für Generalmajor Henning von Tresckow und Generalmajor Hans Oster zu erkennen sind, obwohl beide nach heutigem Wissen eine zentrale Rolle bei der Umsturzvorbereitung gespielt und über zahlreiche Kontakte zu Mitverschwörern verfügt hatten. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Gestapo verhältnismäßig wenig über das Wirken dieser beiden Akteure herausfinden konnte. Die Gründe für diese Diskrepanz können hier nicht ausführlich dargelegt werden. Angemerkt sei jedoch, dass der Suizid Tresckows kurz nach dem Scheitern des Umsturzversuches dazu führte, dass er von der Gestapo nicht mehr verhört werden konnte. Da sein engster Vertrauter, Oberleutnant d. R. Fabian von Schlabrendorff, trotz Folter während der Verhöre zahlreiche Namen von Mitbeteiligten im Stab der Heeresgruppe Mitte verschweigen konnte, blieben auch viele Kontakte Tresckows unentdeckt. Das konspirative Teilnetzwerk innerhalb des Stabes der Heeresgruppe Mitte ist daher in der Netzwerkgrafik nicht zu sehen.

In Bezug auf Generalmajor Hans Oster lässt sich festhalten, dass die Erkenntnisse der Gestapo über die frühen Umsturzvorbereitungen von 1938/39 lange diffus blieben. Nach dem Auffinden entsprechender Aktenstücke kurz vor Kriegsende wurden ehemalige Angehörige der "Abwehr" ohne Prozesse vor dem Volksgerichtshof in Konzentrationslagern ermordet. Prozessunterlagen sind somit nicht überliefert. Dass die Gestapo Osters zentrale Rolle beim Aufbau eines konspirativen Netzes lange nicht erkannt hatte, obwohl mit Hans von Dohnanyi und Dietrich Bonhoeffer zwei seiner engsten Vertrauten bereits seit April 1943 in Haft saßen, ist nicht zuletzt auch ein Hinweis auf das ausgesprochen geschickte Agieren der Betroffenen während der Verhöre.

Ebenso bemerkenswert ist, dass sich unter den 132 Personen, die vom NS-Regime als Beteiligte eingestuft worden sind, keine einzige Frau befindet. Damit wird eine weitere Fehleinschätzung des NS-Regimes über die Beteiligten des 20. Juli 1944 deutlich. Frauen waren nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten gezielt aus beruflichen Bereichen ausgegrenzt worden, da die NS-Ideologie für sie vor allem die Rolle als Hausfrau und Mutter vorsah. Politische, juristische und diplomatische Karrieren blieben ihnen in der Regel ebenso verschlossen wie die militärische Laufbahn. Damit bekleideten sie auch keine Ämter und Schlüsselpositionen, die für einen Staatsstreich von zentraler Bedeutung gewesen wären. Dennoch übernahmen mehrere Frauen wichtige Aufgaben und Funktionen im Widerstand.


"Zur Sicherung des Rechts und des Anstandes gehört die anständige Behandlung aller Menschen. (…) Die Judenverfolgung, die sich in den unmenschlichsten und unbarmherzigsten, tief beschämenden und gar nicht wieder gut zu machenden Formen vollzogen hat, ist sofort eingestellt". 
Aus der von Ludwig Beck und Carl Friedrich Goerdeler entworfenen Regierungserklärung nach dem Sturz des NS-Regimes, Sommer 1944

So wirkten beispielsweise Elfriede Nebgen und Käthe Kern aktiv bei konspirativen Treffen im gewerkschaftlichen Umfeld von Jakob Kaiser beziehungsweise Wilhelm Leuschner mit. Andere Frauen tippten Umsturzbefehle ab (unter anderen Margarethe von Oven und Erika von Tresckow), übernahmen wichtige Botengänge, vermittelten vertrauensvolle Kontakte oder gaben den beteiligten Ehemännern als langjährige Vertraute Bestätigung und Kraft für die Tätigkeit im Widerstand (zum Beispiel Freya von Moltke oder Annedore Leber). Jedoch ist keine Frau für die Beteiligung oder die Mitwisserschaft am Umsturzversuch verurteilt und hingerichtet worden. Männer hingegen wurden vor dem Volksgerichtshof durchaus schon aufgrund einer kurzfristigen Mitwisserschaft zum Tode verurteilt. So erhielt beispielsweise Pfarrer Hermann Wehrle die Todesstrafe, weil er sein Beichtgeheimnis nicht gebrochen hatte, nachdem er während einer Beichte von einem geplanten Attentat auf Hitler erfahren hatte. Einen anderen Bezug zum 20. Juli hatte er nicht. Die nationalsozialistische Urteilspraxis in Hinblick auf weibliche und männliche Beteiligte des Umsturzversuches ist auffallend ungleich. Es ist denkbar, dass einige beteiligte Frauen nach ihrer Verhaftung bewusst und erfolgreich das Bild einer ahnungslosen und unpolitischen Frau vermittelten und damit geschickt das NS-Geschlechterrollenbild zu ihrem Schutz zu nutzen wussten.

Das Attentat war kein Selbstzweck

Die NS-Darstellung, es habe sich bei den Beteiligten des 20. Juli 1944 vor allem um eine "kleine Clique" reaktionärer Militärs gehandelt, prägt die Rezeption des Ereignisses mitunter bis heute. Immer wieder ist zu vernehmen, es habe sich bei den Beteiligten vor allem um undemokratische, reaktionäre Kreise gehandelt, die in unprofessioneller Weise viel zu spät versucht hätten, das NS-Regime zu stürzen. Jakob Kaiser, der sich bereits in den 1930er Jahren offen gegen das NS-Regime gestellt und sich nach seiner Haft 1938 aktiv an den zivil-militärischen Umsturzvorbereitungen beteiligte hatte, konnte im Sommer 1944 untertauchen und schrieb in den 1950er Jahren über diese abwertende Beurteilung: "Der eine deutete den 20. Juli als den Versuch der Militärs, sich in letzter Minute vor dem Zusammenbruch noch aus der Affäre des verlorenen Krieges zu ziehen. Der andere nannte ihn eine Angelegenheit von Reaktionären, wieder andere einen Versuch von Dilettanten. Diese Urteile kamen allerdings weder aus wissender noch aus unvoreingenommener Feder."

Das Attentat von Oberst i. G. von Stauffenberg auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 war kein Selbstzweck. Vielmehr galt es als notwendige Initialzündung für einen von langer Hand geplanten Sturz des NS-Regimes. Sollte der Umsturzversuch und der Aufbau eines Rechtsstaates eine Chance auf Erfolg haben, war die Einbindung von Personen aus verschiedensten Umfeldern erforderlich, die je nach ihren Handlungsspielräumen unterschiedliche Aufgaben und Funktionen in der Umsturzplanung ausübten. Während einige aufgrund ihrer militärischen Dienststellung Truppen für den Umsturz bereitstellen konnten, schrieben andere die Umsturzpläne, beschafften Sprengstoff, stellten sich selbst als Attentäter oder als Unterstützer am Tag X zur Verfügung. Weitere Personen konnten aufgrund ihrer zivilen Profession, Verbündete im Ausland finden, um einen möglichen baldigen Frieden auszuhandeln. Bekannte Politiker aus der Zeit der Weimarer Republik konnten sich um einen möglichst breiten Rückhalt in der Bevölkerung bemühen. Für die Entwicklung von Aufbauplänen für die Zeit nach dem Staatsstreich bedurfte es fachlicher Expertise aus Wirtschaft, Verwaltung, Kirche und Wissenschaft. 

Festzuhalten bleibt, dass das Netzwerk des 20. Juli 1944 größer war, als das NS-Regime wider besseres Wissen behauptete. Die Zuschreibung einer "kleinen Clique" von vornehmlich reaktionären Militärs ist falsch, denn das Netzwerk der Beteiligten war umfangreich und komplex. Im Vergleich zur deutschen Gesamtbevölkerung waren die Beteiligten des 20. Juli 1944 jedoch nur eine ausgesprochen kleine Minderheit. Sie hofften zwar, die Bevölkerung nach einem Umsturz für sich gewinnen zu können, doch sahen sie angesichts des immer noch starken Rückhalts des NS-Regimes in großen Teilen der Bevölkerung auch die Gefahr eines Bürgerkriegs.

Linda von Keyserlingk-Rehbein


Der Text wurde erstmals veröffentlicht in: Militärgeschichte. Zeitschrift für historische Bildung, Heft 2/2024, S. 6-11. Wir danken dem Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr für die Erlaubnis der Zweitveröffentlichung.

Literaturtipps:
Linda von Keyserlingk-Rehbein: Nur eine "ganz kleine Clique"? Die NS-Ermittlungen über das Netzwerk vom 20. Juli 1944 (Schriften der Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Reihe A: Analysen und Darstellungen [12]), 2. Aufl., Berlin 2019