https://rotary.de/gesellschaft/das-spiel-beginnt-a-23857.html
Porträt

Das Spiel beginnt

Porträt - Das Spiel beginnt
Stephanie Urchicks Heimatstadt Pittsburgh ist bekannt als Stadt der Brücken © Christine Armbruster

Als begeisterter Sportfan ist RI-Präsidentin Stephanie Urchick gut positioniert, um Rotary auf der Siegerstraße zu halten.

01.07.2024

In Stephanie Urchicks Wohnung läuft eine tolle Party. Sie trägt Jeans und ein Pittsburgh-Steelers-T-Shirt mit einer „Magic of Rotary“-Anstecknadel. Über ihrer Schulter trägt sie ein „Terrible Towel“, das legendäre gelbe Handtuch, mit dem treue Fans dieser American-Football-Mannschaft ihr Team anfeuern. Eine Gruppe Rotarier, die das RI-Zentralbüro besuchten, saß wegen eines verspäteten Flugs in einem Vorort von Evanston fest, und Urchick lud sie ein, das Spiel zwischen den Steelers und den Buffalo Bills gemeinsam mit ihr zu verfolgen.


Hören Sie hier den Artikel als Audio!

Einfach anklicken, auswählen und anhören!


Lieblingsuniformen

2024, porträt, ri-präsidentin
Clubmitglieder Greg Incardona (l.) und William Kern mit Stephanie Urchick im Acrisure-Stadion, Heimat der Pittsburgh Steelers © Christine Armbruster

Stephanie Urchick als Sportfan zu bezeichnen, wäre grob untertrieben. Der Keller in ihrem Haus in Canonsburg/Pennsylvania, etwa 20 Minuten von Pittsburgh entfernt, quillt förmlich über vor Pittsburgher Sportmemorabilien. In einem Schrank hängen ihre beiden Lieblingsuniformen: ihre Rotary-T-Shirts und ihre Pittsburgh-Fan-Kleidung. Urchicks Sportbegeisterung reicht weit über die typischer Fans hinaus. Einen Sommer lang assistierte sie bei der Kandidatenauswahl für Scouts der Canadian Football League und besuchte NFL-Trainingscamps, um nach Spielern Ausschau zu halten, die dort aussortiert werden, jedoch für die kanadische Liga geeignet sein könnten. Sie nahm auch an einem Frauen-Trainingslager der Steelers teil.

Sie traf Art Rooney Jr., den Vizepräsidenten der Steelers, als dieser einen Vortrag in ihrem Rotary Club hielt. Anschließend schenkte sie ihm Pralinen von Sarris Candies, einer bekannten Canonsburger Confiserie. Daraus hat sich eine Tradition entwickelt, die sie mehrmals pro Jahr aufrechterhält, wenn die beiden durch ihre Liebe zum Football vereint sind.

Die Party heute Abend ging aus einer ähnlichen Verbindung hervor. René Laws, ebenfalls Steelers-Fan, Governorin 2023/24 des Distrikts 7610 (Virginia), trägt zu diesem Anlass ihr TJ-Watt-Trikot mit der Nummer 90. Die beiden trafen sich bei einem President Elect Training Seminar und entdeckten ihre gemeinsame Liebe zu den Steelers.

Die Steelers punkten an diesem Abend zu Beginn des vierten Viertels und könnten das Spiel mit einem Touchdown für sich entscheiden. Das Leben könnte nicht besser sein. Es sei denn, die Steelers würden tatsächlich gewinnen. Doch das ist leider nicht der Fall. Jedenfalls nicht heute. Für sie ist die Saison damit zu Ende. Für Stephanie Urchick geht es dagegen erst richtig los. Dieses Jahr erhält sie selbst die Chance, ein Erfolgsteam zu leiten: Rotary.

Familientreffen

Wenige Wochen später kommt sie in West-Pennsylvania zum Geburtstag ihres ältesten Cousins Michael Hatalowich mit ihrer Familie zusammen. Die beiden sind wie Geschwister aufgewachsen. Vor dem Essen singen die etwa ein Dutzend anwesenden Cousins und Cousinen sowie deren Ehepartner, Kinder und Enkelkinder erst auf Englisch „Happy Birthday“ und dann auf Russinisch „Mnohaja Lita“ („Viele Jahre“), ein traditionelles Geburtstagslied. Urchick stimmt mit ein, ihre Stimme ist klar und stark. Musik war in ihrem Leben schon immer wichtig. „Mein Vater war Musiker. Meine Großmutter und meine Tanten waren alle Sängerinnen. Also haben wir bei unseren Familientreffen gesungen.“

Urchick ist hier im Westen Pennsylvanias nahe der Grenze zu West Virginia aufgewachsen. Ihre Großeltern sind aus Osteuropa (Polen, Slowakei, Ukraine) eingewandert und haben sich hier niedergelassen, da es Arbeit in den Kohlebergwerken und Stahlwerken der Region gab. Als sie in den USA ankam, konnte ihre Mutter nur einen Satz: „Give me some potatoes.“ Die Kulturherkunft und ihre Familie spielen noch immer eine wichtige Rolle für Urchick. Sie trifft sich regelmäßig mit ihren Cousins und Cousinen.

Bewerbung beim FBI

Als Kind verschlang Urchick die Krimis von Nancy Drew und träumte davon, Spionin zu werden. Auf dem College belegte sie das Hauptfach Internationale Beziehungen mit den Schwerpunkten Geschichte, Politikwissenschaft und Sprachen. Sie studierte Russisch, Polnisch, Serbisch und Italienisch, zusätzlich zu dem Französisch, das sie in der High School gelernt hatte. Nach ihrem Abschluss bewarb sie sich beim FBI, der CIA und anderen US-Geheimdiensten. Es gab ein Hindernis: Alle vier Großeltern stammten aus Osteuropa. „Die meisten Hintergrundüberprüfungen dauern etwa drei oder vier Monate“, erinnert sich Urchick. „Meine hat eineinhalb Jahre gedauert.“

Als sie schließlich ein Stellenangebot vom FBI bekam, hatte Urchick bereits eine andere Karriere in der Hochschulverwaltung eingeschlagen. Sie entsagte ihrem Traumberuf und erwarb einen Master in Pädagogik und einen Doktortitel in Führungsforschung.

Beim Geburtstagsdinner erinnert sich ihr Neffe Jeremy Layne an seine Tante. Layne lernte sie erst kennen, als er bereits ein Teenager war. Sie ermutigte ihn, auf seine Ziele hinzuarbeiten und sich zu weigern, Scheitern zu akzeptieren. „Seit dem Tag, an dem ich sie im Haus meiner Baba (Großmutter) traf, hat sie mir alles bedeutet“, sagt er. „Ich bin dankbar, sie zu kennen.“

Rebecca Bazzar, Hatalowichs Tochter, ergänzt: „Sie ist wirklich authentisch und besonders aufrichtig“, Bazzar beugt sich vor und flüstert verschwörerisch: „Es gibt niemanden, der lustiger ist als sie.“

Applaus

Als Stephanie Urchick am nächsten Morgen ein Nebenzimmer in einem Restaurant in Canonsburg betritt, wird sie von den Clubfreunden an den Tischen mit Jubel und Applaus begrüßt. Diese Begrüßung wird allen Mitgliedern zuteil, die zu einem Treffen des Rotary Clubs McMurray, Urchicks Heimatclub, kommen. Die Tradition geht auf ein Ereignis vor einigen Jahren zurück, als jemand zu spät zum Treffen kam. Alle jubelten – und dabei ist es geblieben.

Die Mitgliederzahl des Clubs stagnierte seit Jahren bei rund 35. Jedoch hat sich der RC McMurray mithilfe von Rotarys Action Plan neu erfunden. Bei einer Befragung wurde festgestellt, dass Treffen zu einer anderen Tageszeit besser geeignet wären. Also wurde von einem Lunch-Club auf Frühstück umgestellt. Die Mitglieder tauschten sich mit anderen Gruppen in der Gegend aus und fanden Leute, die an Serviceprojekten, jedoch nicht an Clubtreffen teilnehmen wollten. Die Clubleitung gründete speziell hierfür einen Satellitenclub. Durch dieses Konzept hat der Club 15 neue Mitglieder gewonnen.

Das Treffen an diesem Morgen ist dynamisch, voller lebhafter Gespräche und Gelächter. Das Jubeln, das gemeinsame Frühstück und die Kameradschaft bringen zum Ausdruck, dass der Club, um es mit Urchicks Worten auszudrücken, „einfach unwiderstehlich“ ist. „Es macht es mir einfacher, darüber zu sprechen, Rotary-Mitglied in einem aktiven Club zu sein“, sagt sie. Unwiderstehlich zu sein, „bedeutet, dass die Erfahrung so überzeugend, so ansprechend, so dynamisch ist, dass sie Menschen anzieht und bindet“, fügt Urchick hinzu. „Letztlich geht es um das Gefühl der Zugehörigkeit: Ist das die Art von Gruppe, der ich angehören möchte?“

Diese Frage stellte sich Urchick 1991, als eine Bekannte in ihr Büro an der California University of Pennsylvania kam und sie fragte, ob sie an den Treffen eines Rotary Clubs teilnehmen wolle. Sie wusste nur wenig über Rotary, suchte nach ihrer kürzlich erfolgten Scheidung jedoch nach Möglichkeiten, neue Kontakte zu knüpfen. Dass die Bekannte Rotarys Internationalität erwähnte, gab den Ausschlag.

2024, porträt, ri-präsidentin
Stephanie Urchick ist Mentorin von Kate Matz (M., hinten) aus dem RC of Pittsburgh. Gemeinsam mit Matz’ Tochter Mason besuchen sie den örtlichen Confiserie-Hersteller Sarris Candies © Christine Armbruster

Urchick engagierte sich, war Gastgeberin für Mitglieder des Group-Study-Exchange-Teams und sprach mit den Youth-ExchangeTeilnehmern des Clubs. Sie organisierte ein Indoor-Picknick mit Dreibein-Sackhüpfen. „Das war urkomisch.“ Urchick war besonders an der Arbeit der Rotary Foundation interessiert und wurde zuerst Foundation Chair für ihren Club und schließlich für den Distrikt. Anschließend war sie auf Zonenebene als Regional Rotary Foundation Coordinator mit dem Schwerpunkt Fondsentwicklung tätig.

Durch ihre Arbeit für die Foundation knüpfte sie neue Kontakte, die dazu führten, dass sie 2012 um fünf Uhr morgens einen Anruf erhielt. Sie war als Trustee der Rotary Foundation nominiert worden. Später wurde Urchick RI-Direktorin und leitete das Strategic Planning Committee der Organisation.

Friedensstelen

Angesichts der Erfahrung von Urchick im Bereich internationaler Beziehungen ist es wohl keine Überraschung, dass auch Frieden zu ihren Prioritäten als Präsidentin zählt. „Wir werden keinen Friedensnobelpreis für die Beendigung eines Krieges erhalten“, so Urchick, „aber wir können Rotarys Möglichkeiten nutzen, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen.“ Eine der Säulen von Präsidentin Urchicks Friedensinitiative ist, nun ja, eine Säule. Am Nachmittag nach dem Clubtreffen trifft sie sich mit Mitgliedern des Rotary Clubs White Oak. Dan Dougherty, 2024/25 Governor des Distrikts 7305 und Mitglied des Clubs White Oak, hält eine 2,5 Meter lange weiße Stele in der Hand. Die Worte „Möge Frieden auf Erden herrschen“ sind in den acht Sprachen eingraviert, die in der Gemeinde gesprochen werden. Der Satz erscheint auch in Braille-Schrift, und es gibt einen Regenbogenaufkleber und einen weiteren Aufkleber der Veterans for Peace. Urchick ermutigt Clubs, diese Stelen als sichtbares Zeichen des Engagements für den Frieden aufzustellen. Zum Abschluss der Zeremonie lädt Urchick die Mitglieder ein, die Hand auszustrecken und die Stele zu berühren. Sie sind vereint, alle Teil des gleichen Teams – des RotaryTeams. Stephanie Urchick lächelt. Das Spiel beginnt.

Diana Schoberg