Titelthema
Die beste Zeitverschwendung, die je erfunden wurde
Das Fliegenfischen ist die Königsdisziplin des Angelns. In ihr potenzieren sich Ästhetik, Anmut, Kunst und Glück eines Hobbys, das süchtig macht.
Ich nenne es die beste Zeitverschwendung, die je erfunden wurde. Louis Armstrong muss es auch so gesehen haben: Wohl deshalb fand Frank Sinatra bei einem Besuch ein „Bin-angeln-Schild“ an der Tür, obwohl das Holzhacken im Garten nur zur Hälfte erledigt war. Frank leistete Louis am Fluss ganz einfach Gesellschaft. Natürlich tat er das... Seit vor 9000 Jahren die ersten Angelhaken überhaupt aus Holz und Knochen geschnitzt wurden, warfen Männer sie nicht allein deswegen mit grimmigem Blick ins Wasser, um Nahrung zu beschaffen. Sie taten es, weil es Spaß machte. Die jungsteinzeitlichen Höhlenmenschen Europas, die alten Ägypter, Makedonier und Chinesen, die Indianer an der Pazifikküste, sie alle erledigten das Hacken nur zur Hälfte. Sie alle hängten Schilder an die Tür, auf denen stand: „Bin fischen“. Aber die Sache ist die: In all diesen Jahren könnte nur zweitausend Jahre „Bin fliegenfischen“ auf dem Schild gestanden haben. Oder anders ausgedrückt: In den ersten 6000 Jahren hatten die Angler zwar mehr Spaß als die meisten ihrer Zeitgenossen, aber nur halb so viel Spaß, wie sie hätten haben können.
Ich hatte angebissen, einfach so Fliegenfischen ist, wie ein Freund mir einst sagte, der umständliche Weg. Er sprach vom Fliegenfischen auf Hecht, was die Aussage nur unterstreicht. Er wollte damit ausdrücken, dass Fliegenfischen eine recht rätselhafte Art des Fischfangs ist: Mit Federn an einem Haken, einer schweren Schnur und einer leichten Rute wird der Köder auf so absurde wie anmutige Art ausgeworfen. Ich meine, wenn der Fisch bei einem Wurm anbeißt, warum zeigt man ihm dann nicht einfach einen Wurm? Ich vermute, weil dieser umständliche Weg gleichzeitig auch magisch, kathartisch und endlos faszinierend ist. Es ist nichts falsch daran, Fische mit Ködern zu fangen. Ich habe es einmal gemacht, und wenn ich nicht fliegenfischen könnte, würde ich es wieder tun. Schließlich erlernte ich das Angeln mit einem Wurm in den rauen Strömen, die von den Granithügeln Wesirlands abprallen. Dort draußen fing ich kleine Forellen, schlug ihnen auf den Kopf und aß sie in Butter und Kräutern frittiert. Es war eine gute Einführung in die meisten Dinge, die das Angeln allgemein und insbesondere das Forellenangeln so wunderbar machen.
Der große irische Dichter W. B. Yeats schrieb über den Angler, der „an einen Ort klettert, wo der Stein unter dem Schaum dunkel ist“. Und das ist der Anfang, die Landschaften, in die das Angeln einen führt: In Westirland finden sich Granit und Moos und windgepeitschte Birken, dunkle Seen und wilde Flüsse. Das Bier war auch ziemlich gut. Und die Gesellschaft. Und natürlich diese absurd schönen Forellen. Ich hätte die Sommer in meiner Jugend nicht schöner verbringen können, als zu teefarbenen Seen hoch oben in den Hügeln zu klettern und mit einem Fischkorb voller kleiner Forellen mit kirsch- und kohlefarbenen Sprenkeln nach Hause zu gehen. Eines Tages blieb ich stehen, um ein paar Fliegenfischern in einem Boot auf dem Lough Currane zuzusehen, die in einem bemerkenswerten synkopischen Ballett ihre Fliegenruten auswarfen, ihre seidenen Angelschnüre hin und her schwangen und dabei das Wasser liebkosten, bis sich eine der Ruten plötzlich spannte und ein silberner Fisch hoch in die Luft sprang, und ich hatte angebissen, einfach so. Wenn Angeln all das ist, was am Leben so wunderschön ist, und zwar in kondensierter Form als intensive Verbindung zwischen dir und der Wildnis, dann eröffnet das Fliegenfischen eine neue Ebene der Anmut und Kunst, die unendlich süchtig macht. Das war vor dreißig Jahren, und das Fliegenfischen hält mich seitdem in seinem Bann. Es hat mir gute Freunde und tolle Erlebnisse beschert. Ich habe mit dem Schreiben darüber fast meinen Lebensunterhalt verdient, und heute verbringe ich viel Zeit damit, die Schuld zu begleichen, und versuche, in Gegenden, mit denen die geschäftige Welt zu sorglos umgegangen ist, die Wildnis wiederherzustellen.
Dieses spezielle Kapitel in meiner Liebesaffäre mit Fischen und ihren Lebensräumen begann, als ich frisch von der Universität in einer Schule in Südengland als Lehrer arbeitete. Ein großer Fluss floss an der Schule vorbei. Das Buch, in dem die Angelrekorde der Schüler bereits in den frühen Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts festgehalten worden waren, führte riesige Lachse, Forellen und Äschen auf. Doch 1987 bekam man diese Fische kaum noch zu Gesicht. Also rief ich mit den Schülern eine Flussrestaurierung ins Leben, im Rahmen derer wir einen Laichstrom wiederherstellten und Forellen und Äschen neu ansiedelten. Es war der Anfang der Dinge. Heute ist das Wasser so viel klarer, und die Entwässerungsbehörde baggert den Fluss nicht mehr aus. In den 1980ern fing ich in sieben Jahren eine Forelle. Jetzt finde ich Forellen, wo immer ich auch hingehe. Einige von ihnen sind riesig. Ich teile das Geheimnis mit meinem Freund Ronnie, und jeden Frühling, wenn die Eintagsfliege anfängt zu schlüpfen, treiben wir uns auf der Suche nach diesen Monstern an den Ufern herum. Gelegentlich finden wir eines.
Konzentrische Wellen
Die diesjährige Entdeckung war eine ganz besondere. Der Hüttenkoller hatte während der zweimonatigen Ausgangssperre eine gänzlich neue Bedeutung gewonnen, und ich litt doppelt darunter, weil ich sicher war, das Virus auch gehabt zu haben: Glieder- und Kopfschmerzen und nächtliches Schwitzen konnten nicht wirklich damit erklärt werden, dass ich nicht angeln durfte. Als es mir also wieder besser ging, die Tage wärmer wurden und die Ausgangssperre schließlich aufgehoben wurde, war ich mehr als bereit. Ich rief Ronnie aus dem Auto an. Er saß bereits in seinem. „Ronnie, ich bin nicht weit hinter dir.“ Wir gingen durch eine Vielzahl von Orten und Fischen, die uns im Laufe der Jahre vertraut geworden waren, die nun aber vor dem Hintergrund der wiedergefundenen Freiheit einen ganz neuen Reiz bekommen hatten.
Ein paar Stunden später parkte ich auf einer Seite der Brücke und Ronnie auf der anderen. Hinter Brombeeren und Kuhpetersilie konnte ich die spiegelnde Flussoberfläche sehen. Während ich meinem Freund zur Begrüßung winkte, sah ich, wie konzentrische Wellen flussabwärts glitten und das Schilf zum Wiegen brachten. Dann kamen die Wellen wieder, ein Spiegelbild der ersten. Ich wies Ronnie an, vom Ufer zurückzubleiben. „Da ist ein Fisch“, sagte ich. Eine erneute Welle bestätigte die Diagnose. „Dann geh besser rein“, sagte Ronnie. Ich rutschte das Ufer herunter und wartete. Nichts. Der Fluss verstummte. „Ein kleiner Fisch würde das nicht machen“, sagte Ronnie. Er hatte recht. Wir hatten unseren Preis verscheucht, bevor wir überhaupt eine Schnur ausgeworfen hatten.
Glücklicherweise tauchte unter dem entfernten Bogen einer anderen Brücke ein anderer Fisch auf, der groß genug war, um uns abzulenken. Doch der einzige Weg zu ihm führte an dem ruhenden Monster vorbei. Ich watete hinüber und hielt inne, um meine Augen an den Schatten zu gewöhnen, bis ich einen Fischschwanz von der Größe eines Stubenventilators sah, der sich langsam hin und her bewegte. Er schlug zwei weitere Male, bis der Gigant, den er antrieb, in den schwarzen Tiefen unter der Brücke verschwand. Ich sagte Ronnie nichts. Auf den kommen wir zurück, dachte ich. Ich fing den Fisch unter dem entfernten Bogen, einen rechten Wirbelwind, aber keinen Brummer. Dann gingen wir flussabwärts und verloren uns für den Nachmittag in der Jagd nach Forellen und Äschen unter der warmen Maisonne.
Als wir zur Brücke zurückkehrten, war die Sonne ein orangefarbener Feuerball, der durch die Bögen schien und auf den Flügeln der tanzenden Eintagsfliegen glänzte, die über dem Wasser herumschwirrten und sich schließlich erschöpft auf der Oberfläche niederließen. Ein gelegentliches Lichtzwinkern ließ vermuten, dass unser Fisch wieder dort war, wo wir ihn früher am Nachmittag gesehen hatten. „Nach dir“, sagte ich zu Ronnie. „Nach dir“, sagte er zu mir. „Ich hatte meine Chance bereits“, sagte ich. „Jetzt bist du dran.“ Er brauchte die zweite Einladung nicht wirklich, aber sie half. Ronnie zog Schnur von seiner Spule. Ich machte die Kamera bereit. Ich wusste, wie groß der Fisch war. Ronnie nicht. Ansonsten hätte er die Rute vielleicht nicht so ruhig gehoben, als die große braune Nase sich über seiner Fliege kräuselte, kurz bevor der Fluss explodierte, als ob jemand eine Kanonenkugel von der Brücke geworfen hätte. Es war unser größter Fang bisher: sechzig Zentimeter lang, gut fünf Pfund schwer und die schönste Forelle, die wir beide je gesehen hatten. „Du bist mir was schuldig“, sagte ich zu Ronnie, als er sie zurücksetzte. „Aber das nächste Jahr kommt bestimmt.“
Buchtipp
Charles Rangeley-Wilson
Silver Shoals
Chatto & Windus 2018, 368 Seiten,
22,23 Euro
Charles Rangeley-Wilson ist ein preisgekrönter Schriftsteller. Er ist passionierter Umweltschützer und Gründer des Wild Trout Trust. Er lebt in Norfolk, England, wo er in den weniger bekannten Kalkflüssen Ostenglands angelt.