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Standpunkt

Duzen? Wenn, dann alle!

Standpunkt - Duzen? Wenn, dann alle!
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Das Du gehört heute in vielen Firmen zur Kultur, auch abseits der eigenen Hierarchieebene. Bei Rotary sollte es Ausdruck von Freundschaft, Zugehörigkeit und Gleichbehandlung sein

Christof Dryander01.09.2020

Es gab eine Zeit, da war Rotary ein Kreis ehrwürdiger Männer, geprägt von hierarchischen Strukturen. Die Mitgliedschaft galt als Zeichen beruflichen Erfolges. Im Club war das Siezen üblich, entsprach dem Willen der meisten Mitglieder und war Ausdruck von Höflichkeit und Respekt. Das Sie war auch die übliche Anrede im beruflichen Umfeld. Freunde, die sich im Club duzten, waren zumeist auch außerhalb des Clubs freundschaftlich verbunden.

Diese Zeit ist vorbei. Rotary ist weniger hierarchisch und vielfältiger geworden. Die Bereitschaft, die Ziele und Werte von Rotary zur Grundlage unseres Handelns zu machen und der Gemeinschaft zu dienen, sind (fast immer...) wichtiger für die Aufnahme in die rotarische Gemeinschaft als das Erklimmen der obersten Sprossen auf der beruflichen Karriereleiter. Wir bemühen uns deshalb heute viel intensiver um jüngere Mitglieder als früher. Doch im persönlichen Umgang miteinander sind wir oft noch förmlich und distanziert. Wir sprechen uns mit Freund oder Freundin an, setzen aber die mit diesen Begriffen implizierte Verbundenheit in der persönlichen Anrede nicht um.

Das berufliche und soziale Umfeld hat sich geändert

Die Umgangsformen, die die Menschen, die wir für uns gewinnen wollen, aus ihrem beruflichen und privaten Umfeld kennen, haben sich geändert. Beispiel: Krawatte. Dieses Utensil gehört heute selbst in konservativen Unternehmen nicht mehr zur korrekten Arbeitskleidung. In vielen Unternehmen haben Krawatten ganz ausgedient. Warum also sollen sich unsere Freunde ausgerechnet für das Rotary-Meeting den Schlips umbinden? Viele Clubs sehen das inzwischen genauso.

Ähnliches gilt für die Anrede: In der Berufswelt setzt sich das Du zunehmend durch. Auf gleicher Hierarchieebene ist Duzen weit verbreitet. Insbesondere bei Unternehmen mit vielen jüngeren Mitarbeitern oder internationaler Ausrichtung ist das allgemeinverbindliche Du heute integraler Bestandteil der Firmenkultur. In eher traditionellen deutschen Unternehmen gibt es zwar zumeist keine solche Duz-Kultur, ist aber zunehmend üblich. Dadurch entstehen informelle Grüppchen, die sich besonders verbunden fühlen. Dieses selektive Duzen kann insbesondere dann, wenn es sich über unterschiedliche 

Hierarchieebenen erstreckt, zur Ausgrenzung führen. Ein Vorstandsmitglied duzt einzelne Untergebene, weil es mit diesen vor der Berufung in das oberste Leitungsgremium auf derselben Ebene tätig war oder eine Zeit lang besonders eng an einem wichtigen Projekt gearbeitet hat. Wer zu diesem Duz-Kreis gehört, ist Teil des inneren Zirkels. Das Duzen durch Vorgesetzte gilt als Vertrauensbeweis, als Zeichen von Nähe, Wertschätzung und Zugehörigkeit. Wem das Du von oben nicht angeboten wird, bleibt außen vor. Duzen ist dadurch zu einem Differenzierungskriterium geworden, das Ungleichheit schaffen kann.

Die rotarische Gemeinschaft 

Was bedeutet das für die rotarische Gemeinschaft? Auch bei Rotary hat das Duzen in den letzten Jahren zugenommen. In vielen Clubs ist das Du inzwischen die für alle verbindliche Anrede. Das ist aber beileibe nicht überall so. Noch im Jahr 2015 hieß es im Rotary Magazin: „Wenn beide Seiten wirklich interessiert sind, ist die Anrede letztlich doch nur eine Formalie.“ Im selben Jahr kritisierte ein satirischer Beitrag im Magazin das „Rudelduzen“.

Diese Aussagen bedürfen einer kritischen Überprüfung. Wenn wir unsere Freundschaft ernst nehmen, sollten wir dieser auch durch die unter Freunden übliche Anrede Ausdruck verleihen. Unter Menschen, die sich willentlich zu einer Gemeinschaft verbinden, muss man sich nicht siezen, um respektvoll und höflich miteinander umzugehen. Das Signal, das vom Du ausgeht, ist heute wichtiger als noch vor fünf oder zehn Jahren. Als Duzen im Club noch selten war, hatte das Du keine symbolische Bedeutung. Das ist anders, wenn sich einzelne Gruppen im Club mit „du“ ansprechen, wie zum Beispiel die Teilnehmer an der Ski- oder Segelreise oder die Amtsträger im Clubvorstand. Das Du wird dadurch zu einem Symbol für Integration und Teamzugehörigkeit. Es bilden sich Clubs im Club. Wer andere duzen darf und selbst geduzt wird, gehört dazu. Wer mit „Sie“ angesprochen wird, ist oft außen vor. Das Duzen führt dadurch zur Differenzierung und schafft Hürden für die Integration neuer Mitglieder, denn diese müssen sich das Du oft erst verdienen. Durch das allgemeingültige Du können wir eine bessere Willkommenskultur schaffen. Dabei sollte (und kann auch) natürlich kein Zwang ausgeübt werden. Ich bin aufgrund von Gesprächen mit jüngeren rotarischen Freunden aber von der positiven Wirkung eines derartigen Signals überzeugt.

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