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Im Fokus

Frauen bei Rotary? – Ja, aber …

Im Fokus - Frauen bei Rotary? – Ja, aber …
Die Vereinigung von Beruf, Kindern und Rotary lässt viele Frauen an ihre Grenzen stoßen. © Hero Images/plainpicture

Rotary tut sich weiterhin schwer, Frauen nachhaltig in die Organisation zu integrieren. Wie eine empirische Untersuchung zeigt, ist es mit der Aufnahme allein nicht getan. Auch Strukturen müssen verändert werden.

Gudrun Müller-Byok 01.02.2019

Viele Clubs kämpfen mit verkrusteten Strukturen, in denen sich junge Frauen nicht wiederfinden.“ Das ist eine typische Aussage der ersten großflächigen Umfrage, die sich mit der Aufnahme und Integration von Frauen in Rotary Clubs in Deutschland befasst. Denn auch 30 Jahre nachdem der Gesetzgebende Rat von Rotary International die Aufnahme von Frauen im Regelwerk der Organisation verankert hatte, kann von einem Durchbruch der Frauen noch nicht gesprochen werden. Im Gegenteil: Die Zahlen bleiben dürftig. In Deutschland sind nach aktuellen Berechnungen 11,6 Prozent der Clubmitglieder weiblich, weltweit immerhin 22,6 Prozent.

Können wir es uns leisten, einen Pool von Talenten zu ignorieren und damit nicht nur fachspezifisches Know-how zu vernachlässigen, sondern auch viele positive Impulse für das Clubleben? Diese Frage wurde zum Anlass genommen, eine empirische Untersuchung aufzulegen, die sichtbar machen soll, welche Hindernisse einem dynamischen Anstieg bei den Frauen entgegenstehen.


Die Untersuchung

Für ihre empirische Untersuchung „Rotary im Wandel – Anpassung der Nachwuchsgewinnung mit besonderem Augenmerk auf weibliche Mitglieder“ hat Gudrun Müller-Byok, RC Hamburg-Hanse, eine Online-Befragung mit standardisierten Fragebögen durchgeführt. Im Zeitraum November 2017 bis März 2018 beteiligten sich Clubmitglieder aus 320 gemischten Clubs in sieben Distrikten. Insgesamt gab es 833 verwertbare Rückmeldungen, ­davon 602 Männer (72,3 %) und 231 Frauen (27,7 %).

© Illustrationen: Illuteam/Juliane Richer (alle)

Nach intensiven Recherchen in der einschlägigen Literatur wurden folgende vier Hypothesen entwickelt, auf deren Basis ein Katalog mit 24 Fragen (darunter offene und halboffene) für eine anonymisierte Befragung entstand:

Bei Rotary werden weibliche Leistungen nicht ausreichend anerkannt und Frauen deshalb auch in geringerem Maße aufgefordert, der Organisation beizutreten.

• Frauen haben bei Rotary geringere Aufstiegschancen als Männer.

• Maßnahmen zur Gender Diversity waren bei Rotary bisher nicht erfolgreich oder wurden erst gar nicht durchgeführt.

Die Strukturen bei Rotary werden von der sozialen Geschlechterhierarchie geprägt.

Die Auswertung der 834 zurückgesandten Fragebögen, in denen circa 2400 Kommentare enthalten sind, bestätigen die Grundannahmen.

Wenn man sich die Ergebnisse der Untersuchung im Einzelnen anschaut, fällt zunächst auf, dass zwar ein großer Teil der Männer und Frauen die Leistung von Frauen gewürdigt sehen, aber viele Befragte tatsächlich nicht: Fast jede vierte Rotarierin (23 Prozent) sieht keine oder keine angemessene Anerkennung ihrer Leistungen. Bei den Männern teilen 16 Prozent diesen Eindruck.

Frauen kritischer als Männer

Geht es um den Einsatz bei Hands-on-Projekten, so wird sichtbar, dass die Rollenverteilung in Teilen noch tradierten Mustern entspricht. Auch hier äußern sich die Frauen kritischer als die Männer.

Ein anderes Bild zeigt sich in der Beurteilung der Chancengleichheit bei der Ämtervergabe im Club. Es besteht große Übereinstimmung darin, dass Frauen und Männer die gleichen Chancen haben. Im Distrikt dagegen sieht es deutlich anders aus: Hier sehen 27 Prozent der Frauen und auch 14 Prozent der Männer eine Benachteiligung der Frauen hinsichtlich der Aufstiegschancen.

Bei der Frage, ob Clubs und Distrikt ernstzunehmende Pläne entwickeln, um den Frauenanteil zu erhöhen, sind sich Frauen und Männer darin einig, dass auf Distriktebene bisher wenig passiert. Die Clubs gehen in dieser Frage aktiver vor, allerdings wird das Ergebnis unterschiedlich wahrgenommen: Männer zeichnen das Engagement für Frauen mit größerer Strahlkraft, während die Frauen zwar Ansätze bestätigen, aber zurückhaltender urteilen.

Darin zeigt sich eine Skepsis, die bei gezielter Nachfrage deutlicher hervortritt: Männer fördern eher Männer, sind 51 Prozent der Frauen überzeugt (Männer 39 Prozent), während bei der Frage, ob Frauen eher Frauen fördern, das Bild ausgeglichen erscheint: Jeweils rund die Hälfte der Befragten schließt das aus; bei den zustimmenden Voten gibt es kaum signifikante Unterschiede.

Dennoch sind viele Frauen überzeugt, dass ihre Clubfreunde Veränderungen gegenüber eher ablehnend eingestellt sind und an traditionellen Rollenverteilungen festhalten. 28 Prozent der Männer und 45 Prozent der Frauen bestätigen, dass die Männer im Club an Macht und Status nicht rütteln wollen. Dem entspricht ein Festhalten an der traditionellen gesellschaftlichen Rollenverteilung:

Dieser Eindruck wird auch dadurch gestützt, dass Männer bei der Frage, was für eine erfolgreiche Integration von Frauen wichtig sei, nicht an die Lösung der familiär-beruflichen Doppelbelastung der Frauen denken. Sie ziehen sich lieber auf formale Forderungen zurück: mehr Frauen aufnehmen und Gleichberechtigung anbieten.

Doppelbelastung als Hindernis

Damit ist es aber nicht getan, denn die Doppelbelastung erweist sich als entscheidendes Hindernis: Auch wenn Männer und Frauen in den Rotary Clubs in vielen Fragen übereinstimmen, ergeben sich doch bemerkenswerte Unterschiede in der Wahrnehmung der Situation der Frauen. Wenn abseits von Stereotypen und Klischees eine realistische Einschätzung gewonnen werden soll, bietet sich der Bereich der „Unconscious Bias“, der unbewussten Vorurteile, als erster Ansatz an. Wissenschaftler und praxisorientierte Fachleute befassen sich zunehmend erfolgreich damit, wie die Strukturen des Unterbewusstseins aufgebrochen und unbewusste Vorurteile erkennbar werden. Auf die notwendigen strukturellen Veränderungen bezogen könnte zum Beispiel ein Workshop beim PETS oder auf Dis­triktkonferenzen zum Thema „Unconscious Bias“ wertvolle Aufklärung leisten.

Mehr als ein Lippenbekenntnis

Mit einem neuen Blick auf die Lebenswirklichkeit von Frauen in unserer Gesellschaft eröffnen sich verschiedene Möglichkeiten für eine bessere Einbindung weiblicher Mitglieder. Im Club etwa durch paritätisch besetzte Aufnahme-Ausschüsse und Aufnahmekriterien, die sich an der Realität der Arbeitswelt von Frauen und ihrer notorischen Doppelbelastung orientieren. In den Distrikten wären Frauenförderprogramme mit einschlägigen Angeboten zu entwickeln, bei der Auswahl in den Distriktbeiräten und für das Governoramt gezielt Frauen zu werben und überhaupt für Frauen attraktive Aspekte der rotarischen Arbeit in den Fokus zu rücken. Damit einher muss eine Öffentlichkeitsarbeit gehen, die das Bild Rotarys neu zeichnet: weg von den Altherren-Clubs (mit Macho-Strukturen), hin zu modernen Serviceclubs, in denen das Geschlecht keine Rolle spielt.

Nur dann wird es möglich, über das Lippenbekenntnis zur Aufnahme von Frauen hinauszugelangen und nachhaltige Integration zu erreichen. Die Zeit dafür ist reif, wie einem Kommentar zu dem Fragebogen zu entnehmen ist: „Es muss dauerhaft verinnerlicht werden, dass die Aufnahme von Frauen mehr ist als ein Tribut an den Zeitgeist.“