Titelthema
"Für Christus"
Der katholische Widerstand gegen das NS-Regime in Österreich war gewaltfrei und oft einsam, aber es gab ihn.
Die katholische Kirche in Österreich stand dem NS-Regime von Beginn an kritisch gegenüber. Schon 1929 – vier Jahre vor der Machtergreifung Hitlers in Deutschland – bezeichnete der Linzer Bischof Johannes Maria Gföllner in einem Hirtenbrief Hitler als „falschen Propheten“. Die Vorgänge in Deutschland in den 1930er Jahren beäugten die Bischöfe durchaus skeptisch. Als dann aber die Machtergreifung Hitlers in Österreich mit dem Einmarsch am 12. März 1938 Realität wurde, bemühte sich der Wiener Kardinal Theodor Innitzer, für die Kirche das Bestmögliche auszuhandeln. Dazu suchte er am 15. März Hitler auf, der ihm mündlich versprach, dass die Kirche Loyalität zum Staat „nicht bereuen“ würde. Parallel dazu erreichten Innitzer Berichte über erste Verhaftungen und Misshandlungen von Priestern. Um die Kirche zu schützen, willigte er ein, eine Unterstützungserklärung für die Volksabstimmung über den „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich am 12. April zu unterschreiben. Die Bischöfe bereuten das bald darauf bitter, denn das Regime brach sämtliche Versprechungen. Zusätzlich haftet vor allem Innitzer bis heute das Image an, sich widerstandslos gefügt oder den „Anschluss“ sogar begrüßt zu haben.
Bereits in den ersten Monaten nach der Machtergreifung wurde das kirchliche Vermögen konfisziert, Klöster und Stifte aufgehoben und rund 1400 katholische Schulen geschlossen. 6000 kirchliche Vereine wurden aufgelöst, Kirchenzeitungen eingestellt, der Religionsunterricht verboten. 1939 führte das Regime den Kirchenbeitrag und parallel dazu die Option des Kirchenaustritts ein. Gauinspektor Hans Berner erwartete sich davon „einen vernichtenden Schlag gegen die Kirchenorganisation“.
Ein erster tragischer Höhepunkt der Konfrontation zwischen Kirche und NS-Regime war die Rosenkranzfeier am 7. Oktober 1938. Etwa 10.000 Jugendliche kamen im Wiener Stephansdom zusammen, wo Kardinal Innitzer an sie appellierte, sich „gerade jetzt umso fester, standhafter zum Glauben zu bekennen, zu Christus, unserem Führer“. Es blieb die einzige öffentliche Demonstration gegen das NS-Regime in Österreich, und die Folgen waren fatal. Einen Tag später stürmten Hunderte HJ-Mitglieder das Erzbischöfliche Palais neben dem Stephansdom und verwüsteten es. Ein Priester wurde aus dem Fenster geworfen und überlebte schwer verletzt. Ein Christusbild wurde zerfetzt – die Spuren wurden belassen und sind bis heute zu sehen.
Öffentlich zum Widerstand aufzurufen, wagten die österreichischen Bischöfe fortan nicht mehr. Sie versuchten, die wenigen Nischen, die es gab, zu nützen, um der Bevölkerung, auch der jüdischen, zu helfen. 1940 gründete Kardinal Innitzer die „Hilfsstelle für nichtarische Katholiken“, die im Untergrund agierte.
Sämtliche Widerstandsgruppen und Einzelpersonen, die sich gegen das Regime auflehnten, konnten sich nun nicht auf die Bischöfe berufen, sondern waren sich selbst überlassen. Dennoch gab es Katholiken, die es wagten, manche in Gruppen, viele allein. Die traurige Bilanz: 724 Priester im Gefängnis, 110 in Konzentrationslagern, 15 wurden hingerichtet. Mehr als 1500 Priester waren mit Predigt- und Unterrichtsverbot belegt. Doch auch Laien und Ordensfrauen zählen zu den Opfern, wie die folgenden Beispiele zeigen.
Späte Seligsprechungen
Franz Jägerstätter war ein Bauer aus St. Radegund in Oberösterreich, verheiratet, Vater dreier Töchter und besonders belesen und religiös. Bei der Volksabstimmung über den „Anschluss“ 1938 stimmte er als Einziger seines Orts und als einer der wenigen im ganzen Land mit Nein. Zwei Einberufungen wendete sein Bürgermeister ab. 1941 übernahm er in seiner Pfarrkirche das Amt des Mesners. Er besuchte täglich die Messe und las viel religiöse Literatur. Ihm wurde klar: Es wäre gegen sein Gewissen, für den nationalsozialistischen Staat zu kämpfen. Er sprach sogar mit dem Bischof von Linz Josef Fließer. Dieser riet ihm von einer Wehrdienstverweigerung ab, um weitere Opfer zu vermeiden. Seine Ehefrau unterstützte ihn aber, obwohl sie sich der Konsequenzen bewusst war. „Sonst hätte niemand zu ihm gehalten“, erklärte sie später. Eines der bekanntesten Zitate Franz Jägerstätters ist: „Besser die Hände gefesselt als der Wille!“
Im Februar 1943 wurde Jägerstätter zum dritten Mal einberufen. Er meldete sich am 1. März und sprach seine Verweigerung aus Gewissensgründen aus. Am selben Tag wurde er nach Linz ins WehrmachtsUntersuchungsgefängnis gebracht und am 4. Mai nach Berlin. Seine Bitte, zum Sanitätsdienst zugelassen zu werden, wurde abgelehnt. Am 9. August wurde er enthauptet. Erst 1997 wurde das Urteil gegen ihn aufgehoben. Seine Witwe Franziska erlebte seine Seligsprechung 2007 noch als 93-Jährige.
Die resolute Schwester Restituta
Ganz anders liest sich die Geschichte von Sr. Restituta Kafka, geboren am 1. Mai 1894 in Hussowitz bei Brünn. Man nannte sie Schwester Resoluta – die erste Märtyrerin Österreichs und einzige Ordensfrau im Großdeutschen Reich, die von den Nazis hingerichtet worden ist. Auslöser dafür war ein regimekritisches Gedicht. Kafkas Widerstand bestand darin, kein Blatt vor den Mund zu nehmen.
Helene – so ihr Geburtsname – war Wienerin, denn die Familie übersiedelte in ihrer frühen Kindheit in die Reichshauptstadt. Sie war Tochter eines Schuhmachers und trat mit 19 Jahren in den Orden der Hartmannschwestern ein. Dort wurde sie mit dem Ordensnamen Sr. Restituta Operationsschwester. Ab 1919 arbeitete sie im Ordenskrankenhaus in Mödling bei Wien. Bald nannte man die kompetente, temperamentvolle und fröhliche Schwester „Resoluta“. Nach anstrengenden Operationen gönnte sich die beleibte Ordensfrau im Gasthaus ein Gulasch mit einem Krügel Bier. Hitler bezeichnete sie als „Narrischen“. Sie missachtete Anordnungen, hängte Kruzifixe in den Krankenzimmern nicht ab, behandelte aber alle Patienten gleich. Wegen eines regimekritischen Spott-Gedichts, das sie einer Sekretärin diktierte, wurde sie von einem NS-Arzt denunziert. Am Aschermittwoch 1942 verhaftete man sie wegen Vorbereitung zum Hochverrat direkt im Operationssaal. Am 30. März 1943 wurde sie im Wiener Landesgericht enthauptet, nachdem Gnadengesuche, unter anderem von Kardinal Innitzer, abgelehnt worden waren. Ihre letzten Worte waren: „Für Christus habe ich gelebt. Für Christus will ich sterben.“ 1998 wurde sie seliggesprochen.
Das sind nur zwei Beispiele von vielen in Österreich. Entgegen dem Eindruck, den die Bischöfe durch die Unterzeichnung der Unterstützungserklärung und ihres anschließenden Schweigens erweckten, gab es im Dritten Reich sehr wohl katholischen Widerstand, wenngleich gewaltfrei und oft einsam.
Franz Jägerstätter, 20.05.1907 – 09.08.1943,
stimmte gegen den „Anschluss“ Österreichs. Seine Gegnerschaft zum NSRegime verstärkte sich vor allem angesichts der Verfolgung katholischer Geistlicher und der Morde an Kranken und Behinderten.
Bernadette Spitzer, RC Wien-Franz Schubert, ist Theologin, Mitarbeiterin von Radio Klassik Stephansdom und Autorin des Buches „Von Bischofsstab bis Besenstil – mit 365 Heiligen durchs Jahr“.
© Barbara Wirl