Hochwasser
Lehren aus der Katastrophe
Die Flut ist vorüber. Vieles bleibt. Es bleibt der Dank an die vielen tausend Retter und Helfer professioneller und freiwilliger Provenienz. Es bleibt aber auch der Schaden, den Menschen genommen haben, an Hab und Gut und an der Seele. Ihn zu minimieren ist eine nationale Aufgabe, der sich die Menschen dieses Landes mit großer Bereitschaft stellen.
Aber: Nach der Flut ist vor der Flut. Darum gilt es jetzt, sich einige grundsätzliche Gedanken zu machen, Lehren zu ziehen, weiter Vorsorge zu treffen. Dafür möge dieser Artikel eine Anregung sein. Vier Dinge sind es, die sich mir aufdrängen.
1. PROGNOSEN
Der Wert von Prognosen ist sehr gering. Prognosen entstehen aufgrund von Statistiken. Statistiken können aufgrund von Messungen pro Zeiteinheit einen Mittelwert errechnen, wie oft im Durchschnitt ein Ereignis in der Vergangenheit eingetreten ist. Durchschnittswerte sind rückwärts gewandt. Sie orientieren sich an bereits gemachten Erfahrungen. Es grenzt an Aberglauben, wenn man meint, aufgrund der Durchschnittswerte die Zukunft vorhersagen zu können. Mit zwei Jahrhundertfluten in diesem Jahrhundert hätten wir also die des 22. Jahrhunderts bereits vorweggenommen. Wer will das glauben? Mit dem Eintritt des atomaren SuperGAUs hat man sich seinerzeit ebenso geirrt und hierzulande ja auch die Konsequenzen gezogen.
2. DEICHBAU
Auch die ländlichen Gebiete brauchen Geld für den Deichbau. Bei dieser Flut waren Städte wie Dresden, Magdeburg und Passau wieder enorm stark betroffen. Da man aber hier in den letzten zehn Jahren offenbar ungleich mehr für Schutzmaßnahmen investieren konnte als auf dem Land, sind diese Städte im großen und ganzen mit einem blauen Auge davongekommen. Die Deiche brachen in den ländlichen Gebieten (Deggendorf, Aken, Fischbeck). Es gilt nun, auch hier genauso intensiv zu investieren wie in den Städten. Kommunen und Kreis allein können das nicht leisten. Hier sind Land und Bund gefordert.
3. UMFLUTUNGSKANÄLE
Die größeren Städte brauchen Umflutungskanäle. Seit alters her hat Magdeburg einen solchen (Pretziener Wehr). Nach der Wende sollte das Pretziener Wehr schon demontiert werden, weil seine Unterhaltung zu viel koste. Von diesem Gedanken ist man aber spätestens seit 2002 abgerückt, und seitdem hat es für Magdeburg mehrmals unschätzbare Dienste geleistet. Durch Öffnung eines Wehrs zwischen Elbe und Havel hat man auch in Wittenberge die Spitze der Flutwelle gekappt. So müsste es für alle größeren Städte einen Umflutungskanal geben, um das Hochwasser nicht durch die Innenstädte fließen zu lassen, sondern einen Teil dessen umzuleiten. Was für den Verkehr gilt (Umgehungsstraßen), muss für den Schutz der Menschen und der Städte umso mehr gelten. Sicher wird das auf geologische Grenzen stoßen, sicher wird das viel Geld kosten. Aber es wird auf Dauer „billiger“ sein als der Schaden, den unabgeleitete Fluten anrichten.
4. ZUSAMMENARBEIT
Es wäre unsinnig zu behaupten, Tschechien sei schuld am Hochwasser. Das ist schon deswegen abwegig, weil die Donau mit Tschechien nichts zu tun hat. Dennoch mag Kritik am Stausee-Management in Tschechien angebracht sein, zumal sie auch von Tschechen selbst geäußert wird. Die Stauseen, so die Kritik, seien bereits vor dem massiven Regen randvoll gewesen und dann mit großen Wassermengen in die Elbe abgelassen worden. Wenn dem so ist, würde sich der 40 Kilometer lange und ungewöhnlich hohe Scheitel erklären. Meines Erachtens sollte man sich stets des ursprünglichen Verwendungszwecks eines Stausees bewusst bleiben und ihn dementsprechend auch sachgerecht managen. Ein weiteres Auffangbecken auf deutscher Seite sollte gegebenenfalls gebaut werden, um Fehleinschätzungen rechtzeitig zu korrigieren und das Wasser dann dosiert weiterzuleiten. Sicherlich im Elbsandsteingebirge eine technische Herausforderung, aber auch eine Chance deutsch-tschechischer Kooperation.