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Titelthema

Literatur und Kultur für kalte Wintertage

Titelthema - Literatur und Kultur für kalte Wintertage
Thomas Schmidt, Meine geheimnisvolle Heimat: Rilke und Russland, Insel Verlag 2020, 448 Seiten, 16 Euro © Insel Verlag 2020

Um der viel zitierten „russischen Seele“ auf die Spur zu kommen, bringt der Januar die geeignete Atmosphäre, der Lockdown die nötige Zeit und wir die passenden Tipps.

01.01.2021

Rilkes russische Dinge

Die deutsch-russischen Beziehungen waren einmal besser. Das Buch „Rilke und Russland“ von Thomas Schmidt erinnert daran.

Russland habe zwar mit vielen Nationen Europas im kulturellen Austausch gestanden, meint die Historikerin Irina Scherbakowa. Aber mit Deutschland sei das anders: „Die Deutschen waren schließlich immer schon da.“ Womit sie natürlich die deutsche Kultur und die deutsche Sprache meinte, die für Russland lange Zeit als eine lingua franca erschien. Umgekehrt war Russland auch ein deutsches Sehnsuchtsland, ein Zufluchtsort vor der Moderne, ein „nie erlöstes Land“, wie Rilke es nannte.
 
Das lässt sich in einer wunderbaren Dokumentation nachlesen, die jetzt aus der wichtigen Ausstellung über „Rilke und Russland“ hervorgegangen ist, die das Deutsche Literaturarchiv zusammen mit dem Staatlichen Literaturmuseum der Russischen Föderation und dem Schweizerischen Literaturarchiv vor zwei Jahren veranstaltet hat. Jene Ausstellung war damals ein trinationales Projekt gewesen, das doch einer einzigartigen Beziehung gewidmet war: die eines Lyrikers der aufscheinenden Moderne, der auf Deutsch und Französisch schrieb und den Hugo von Hofmannsthal volks- und heimatlos genannt hatte, zu Russland; man möchte hinzufügen: zu jenem ewigen Russland, das Rilke als seinen vertrautesten Ort empfand, obwohl er nie lange dort gewesen war. „Was verdank ich Rußland“, schrieb er 1920 aus Locarno an Leopold von Schlözer. Russland „hat mich zu dem  gemacht, was ich bin, von dort ging ich innerlich aus, alle Heimat meines Instinkts, all mein innerer Ursprung ist dort!“
 
Rilke hat Russland nur zweimal besucht, 1899 mit Lou Andreas-Salomé und ein Jahr später allein. Es wurde sein Erweckungserlebnis. Es war ihm, als hätte er Gott bei der Schöpfung zugesehen. Sein ganzes Werk ist durchzogen von diesen „russischen Dingen“. Doch zu einem „Russlands-Buche“, auf das die Freundin Marina Zwetajewa so sehr gehofft hatte, ist es nie gekommen. Fast hundert Jahre hat es gebraucht, bis der Kurator der Rilke-Ausstellung, der Literaturwissenschaftler Thomas Schmidt, diese „russischen Dinge“ durch Rilkes gesamtes Leben hindurch zusammengetragen hat – basierend auch auf den umfassenden Arbeiten des Petersburger Germanisten Konstantin Asadowski, der 1986 mit seiner Anthologie „Rilke und Russland“ vor allem die zahlreichen Spuren in russischen Archiven freigelegt hat (erw. russ. Ausgabe: Moskau 2003). Entstanden ist daraus eines der schönsten Dokumente einer heute kaum noch vorstellbaren Nähe, das man in der langen und zuweilen bitteren Beziehung zwischen Deutschland und Russland finden kann. Es ist ein Klopfzeichen geworden, dass es diese Beziehung einst gab. Man sollte es auf Vorrat lesen. Für den Fall, dass diese Zeit vielleicht doch wieder kommt.
 
Johann Michael Möller

Bilderkunst aus Russland in 2021

„Impressionismus in Russland. Aufbruch zur Avantgarde“
Die Ausstellung im Museum Barberini präsentiert Exponate französischer Lichtmalerei in Russland und zeigt über 80 Werke von Ilja Repin bis Kasimir Malewitsch. Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit der Staatlichen Tretjakow-Galerie in Moskau und dem Museum Frieder Burda in Baden-Baden. Während des Lockdowns bringen digitale Führungen, Gespräche, Rundgänge und Lesungen die Kunst und die Geschichten hinter den Gemälden zu den Besuchern nach Hause. Im Programm finden sich zudem digitale Live-Talks, Expertenvideos und eine digitale Yoga-Stunde vor den Gemälden.
Bis zum 28. Februar. museum-barberini.de


„Träume von Freiheit – Romantik in Russland und Deutschland“
Im Zentrum stehen Gemälde der Romantik aus der Moskauer Tretjakow-Galerie und dem Albertinum der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, etwa von Caspar David Friedrich, Carl Gustav Carus, Alexei Wenezianow und Alexander Andrejewitsch Iwanow.
Ab 17. Februar Tretjakow-Galerie, ab 26. Juni im Albertinum


„Diversity United“

Diese Ausstellung präsentiert etablierte und aufstrebende Gegenwartskunst der europäischen Kunstszene nach dem Fall des Eisernen Vorhangs bis heute. Erst in Moskau, dann in Berlin und Paris. Die Termine stehen noch nicht fest.


Sehenswert

Gesellschaft

„Aufgewachsen unter Putin: Russlands Millenniumskinder“
Zur Jahrtausendwende übernahm Wladimir Putin die Amtsvollmachten des Präsidenten der Russischen Föderation. Russische Jugendliche, die heute um die zwanzig oder jünger sind, kennen nur ihn an der Macht. Wie denkt und fühlt diese „Generation Putin“?

ARD Mediathek, 44 Min.


Hörenswert

2021, titelthema, literatur, kultur

Musik (Klassisch)

„Klang einer russischen Seele: Sergei Rachmaninow“
Die erste umfassende filmische Biografie des Komponisten Sergei Rachmaninow (1873–1943). Die Dokumentation verbindet Fotos und Zitate Rachmaninows mit Interviews von Starpianisten der Gegenwart und deren Interpretationen.

Arte TV, 43 Min.


Musik (Pop)

 


„Brennende Kerze“
Das Gedicht „Winternacht“ (1946) von Boris Pasternak diente der russischen Pop-Diva Alla Pugachowa (70) als Textvorlage für ihren in Russland sehr bekannten Song [swetscha gorela] „Brennende Kerze“. So lautet die Refrainzeile. youtube.com


Gestern

Erst gestern war es, denkst du daran?
Es ging der Tag zur Neige.
Ein böser Schneesturm da begann
und brach die dürren Zweige.
Der Sturmwind blies die Sterne weg,
die Lichter, die wir lieben.
Vom Monde gar war nur ein Fleck,
ein gelber Schein geblieben.
Und jetzt? So schau doch nur hinaus:
Die Welt ertrinkt in Wonne.
Ein weißer Teppich liegt jetzt aus.
Es strahlt und lacht die Sonne.
Wohin du siehst: Ganz puderweiß
geschmückt sind alle Felder.
Der Bach rauscht lustig unterm Eis,
nur finster stehn die Wälder.

Alexander Puschkin (1799–1837)


Lesenswert

Russische Klassiker

Erzählungen

  1. Alexander Puschkin
    Der Schneesturm (1831)
  2. Nikolai Gogol
    Die Nacht vor Weihnachten (1832)
  3. Nikolai Leskow
    Ein Wintertag (1894)
  4. Wladimir Korolenko
    Makars Traum (1885) und Sibirische Novellen (1894)
  5. Fjodor Dostojewski
    Der Junge beim Herrn Jesus zur Weihnacht (1876)
  6. Anton Tschechow
    Wintergeschichten, zum Beispiel Ein Scherz (1886)

Romane

  1. Leo Tolstoi
    Anna Karenina (1878) und Auferstehung (1899)
  2. Boris Pasternak
    Dr. Schiwago (1958)

    Kleines Winterlexikon

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    [Walenki] Filzstiefel
    sind traditionelle russische Winterstiefel. Walenki bedeutet „hergestellt durch Filzen“. Sie sind in Russland noch immer sehr beliebt, weil sie die Füße auch bei Temperaturen unter -30 Grad warmhalten können. Da sie nicht wasserdicht sind, trägt man sie draußen nur zusammen mit Überschuhen.


     

    [Uschanka] Pelzmütze mit Ohrenklappen

    Die Bezeichnung kommt von russ. [uschi] Ohren, denn die Mütze hat am Rand eingenähte, nach oben aufgeschlagene Klappen, die man bei Bedarf lösen und als Kälteschutz von Ohren und Nacken nutzen kann.


     

    [Samowar] Wasserkocher

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    Samoware gibt es vom Tischgerät über Behälter für die Heißwasserbereitung in der Küche bis hin
    zu Kesseln mit einem halben Kubikmeter Inhalt, die (früher) den gesamten Heißwasser- und teils
    auch Wärmebedarf eines großen Haushaltes deckten.