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Titelthema: US-Präsidentenwahl

Nach dem Beben

Was Politik und Wirtschaft jetzt vom Ausgang der US-Wahl lernen können und sollten. Fünf Einsichten und Aussichten für Europa und die Welt

Kerstin Plehwe01.12.2016

Der 9. November ist ein Tag der uns allen, egal welcher politischen Überzeugung wir angehö­ren, noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Den einen, weil er das Unge­heure, das Undenkbare Wirklichkeit werden ließ, den anderen weil sie sich in ihrem Weltbild und ihrer politischen Ausrichtung rückbestätigt sehen und sich bereits auf die nächsten Wahlen in Österreich, Hol­land, Frankreich  und Deutschland freuen. Fakt ist: Mit Donald Trump als 45. Präsidenten der USA wird Europa und die Welt leben müssen, ebenso wie mit den Konse­quenzen seiner Politik, die, soviel ist schon heute klar, seine eigene Amtszeit lange überdauern wird.

Müßig ist aus meiner Sicht deswegen jedes selbstmitleidige Lamentieren, morali­­sche Bewerten oder euphorische Loben von Trumps ausgeklügelter Medien- und Wahlkampfstrategie. Wichtiger ist es aus meiner Sicht, sehr schnell den neuen Rea­li­täten, so unangenehm sie für Manager, Medienvertreter, Politiker, Europafreunde und Mei­nungsmacher auch sein mögen, ins Auge zu blicken und danach zu handeln. Aber genau daran scheitert es erfahrungsgemäß jedoch meistens: das Prinzip der Verände­rung und nun zunehmend auch der Unvor­hersehbarkeit zu akzeptieren und die eige­ne Veränderung, im Privat- wie im Un­ter­neh­menskontext, konsequent anzugehen.

Hierzu fünf Ansätze und Thesen:

1. Die Realität ist anders als wir sie wahrnehmen
Nie war es wichtiger als heute, in einer „24/7“ multioptionalen, überbordenden Medien- und Informationswelt aus den vielen angebotenen Daten Sinn zu ziehen. Dieser Sinn orientiert sich an den eigenen Lebenswirklichkeiten, und diese Wahl hat gelehrt, alle Informationen am besten mit einer gesunden Portion Skepsis zu verarbeiten und auch der eigenen Intuition bei der Bewertung zu vertrauen. Dies bedingt allerdings, sich einzugestehen, dass Realität immer eine subjektive Wahrnehmung ist. Wer andere Realitäten erleben will, muss sich in andere Welten begeben, ob medial, virtuell oder real. Andere Zeitungen, ande­re Menschen, andere Lebenswirklichkeiten, oder ganz banal, aber höchst effektiv: echte Gespräche, mit echten Menschen außerhalb der eigenen Komfortblase.

2. Die neue Macht von Polemik und Populismus  
Donald Trump ist sicher nicht der erste und schon gar nicht der letzte Politiker, der sich der Instrumente von Lügen, Diffamierung, Verallgemeinerung und Diskreditie­rung bedient und dabei schonungslos den Finger in die Wunden der Gesellschaft legt. Dass dies allerdings in Amerika passiert, einer Weltmacht mit vermeintlich fest ver­wurzelten Werten von Freiheit und Demo­kratie, ist aufrüttelnd und erschreckend. Populismus ist nun wieder salonfähig geworden und der ehemalige Reality-­TV-Star Trump hat der Welt und mit ihr allen jubi­lierenden rechten Parteien gezeigt, welche Kraft die sozialen Netzwerke und Twitter entfalten können, wenn die Botschaft nur inhaltlich zugespitzt genug ist, Menschen sich vom Absender verstanden und emotional abgeholt fühlen und ihn zudem als deutlich authentischer als den politischen Gegner wahrnehmen.

Kerstin Plehwe
Kerstin Plehwe (RC Berlin-Spree) ist Unternehmerin, Publizistin und Beraterin von Politik und Wirtschaft. Sie hat zahlreiche US-Wahlkämpfe begleitet und zum Beispiel den Wahlkampf von Hillary Clinton unterstützt. Zuletzt erschien "So denken erfolgreiche Frauen" (Hanseatic Lighthouse Verlag 2016). kerstinplehwe.com