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Standpunkt

„Offensichtliche Wertekollision“

Standpunkt - „Offensichtliche Wertekollision“
Rudolf Steinberg © Privat

Was ist zu tun, wenn Clubs feststellen, einen rotarischen Freund in den Reihen zu haben, der AfD-Mitglied ist – oder dieser Partei nahesteht?

Rudolf Steinberg01.05.2022

Spätestens seit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 8. März 2022 kommen die Rotary Clubs nicht umhin, sich mit der Frage auseinanderzusetzen: Wie hältst du es mit rotarischen Freunden, die Mitglied der AfD sind oder ihr nahestehen?

Das VG hat festgestellt, dass „ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der AfD“ vorlägen. Sie befinde sich in einem Richtungsstreit, bei dem sich die verfassungsfeindlichen Bestrebungen durchsetzen könnten. Die Partei darf deshalb – wie schon vorher der AfD nahestehende Gruppierungen – vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Diese Auffassung wird fast gleichzeitig durch den bisherigen Bundessprecher der AfD Jörg Meuthen bestätigt, der seinen Austritt aus der Partei damit begründet, dass diese nicht auf dem Boden der freiheitlichdemokratischen Grundordnung stehe, er sehe „da ganz klar totalitäre Anklänge“; offensichtlich gibt er den Kampf gegen die – weitere – Radikalisierung der AfD verloren.

Meinungsfreiheit versus rotarischer Wertekanon

Selbstverständlich gilt auch für Rotarier das Grundrecht der Meinungsfreiheit, und höchst unterschiedliche Meinungen sind willkommen. Diese Offenheit findet jedoch ihre Grenze an den Grundprinzipien von Rotary, die ebenfalls durch die verfassungsrechtlich gewährleistete Vereinsautonomie geschützt werden. Zu ihnen zählen, so heißt es auf der Webseite von Rotary Deutschland, „Toleranz gegenüber allen Völkern, Religionen und Lebensweisen“. Und der frühere RI-Präsident Holger Knaack möchte Rotary „einladender und vielfältiger“ machen. Er will Vielfalt, Gleichbehandlung und Inklusion fördern und wünscht sich neue Mitglieder „unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Religion, Alter oder anderen Faktoren“. Er möchte in den Clubs „Integration und Vielfalt“ vorantreiben. In diesem Sinne beschloss auch der RI-Zentralvorstand ein „Bekenntnis zu Diversität, Gleichbehandlung und Inklusion“.

Es erscheint offensichtlich, dass sich diese Grundsätze mit den vom VG festgestellten Grundpositionen der AfD – ein ethnisch verstandener Volksbegriff, der Ausschluss von Fremden, eine ausländerfeindliche Agitation – nicht vereinbaren lassen. Hierfür ließen sich auch immer wieder Äußerungen von führenden AfD-Politikern anführen. Die offensichtliche Wertekollision lässt sich ausmachen, ohne dass es darauf ankommt, dass die Partei nicht durch das Bundesverfassungsgericht verboten ist. Die Voraussetzungen für ein Parteiverbot sind andere und zu Recht sehr eng formuliert.

Was sollte ein Club bei einem rotarischen Freund tun, der AfD-Mitglied ist oder der Partei nahesteht? (Dieselbe Frage stellte sich natürlich auch bei einem linksradikalen oder fundamentalistischen Mitglied!)

Die erste und naheliegende Möglichkeit besteht – wie auch ein hoher Rotary-Repräsentant jüngst riet – darin, dieses Mitglied von der Ausübung von Clubämtern, insbesondere dem des Präsidenten, auszuschließen. Erinnert sei auch an den Ausschluss eines NPD-Mitglieds aus einem Mainzer Club vor einigen Jahren.

Mir scheint aber die wichtigste und vordringlichste Reaktion das Gespräch mit diesem Mitglied zu suchen. Dieses entspricht auch dem Gebot freundschaftlichen Umgangs miteinander. Dieses Gespräch ist von dem Club zu führen, vom Präsidenten unterstützt durch einige Mitglieder. Es könnte jedoch auch eine Diskussion über die rotarischen Werte und deren Grenzen in einem Meeting oder einer Mitgliederversammlung stattfinden. Das Ziel derartiger Gespräche stellt einmal die Selbstvergewisserung über die eigenen Werte von Rotary dar, soll aber auch dem Mitglied helfen, selber die Diskrepanz zwischen diesen und denen seiner politischen Umgebung zu erkennen – und daraus möglicherweise Konsequenzen zu ziehen. Es geht aber auch darum, das Ansehen von Rotary zu wahren und dieses nicht durch ein Clubmitglied beschädigen zu lassen, das sich mit Freunden im äußerst rechten politischen Umfeld umgibt.

Populistischen Kräften die Stirn bieten

Meine Generation ist nach dem Krieg groß geworden und hat dabei immer wieder geschworen: Wehret den Anfängen. Aber ist der Zeitpunkt dafür nicht bereits nach den zahlreichen rechtsradikalen Gewaltakten vertan? Es sollte zu denken geben, dass der Polizeipräsident von Frankfurt, mein rotarischer Clubfreund Gerhard Bereswill, warnt: „Unsere Zeit ist beileibe nicht so schrecklich wie in den 30er und 40er Jahren. Aber es ist doch so, dass wir ein Abdriften in Extreme, durchaus ein Abdriften nach rechts, feststellen. In Gesellschaft und Politik zeigen sich Polarisierungen in unterschiedlichster Form. ‚Wehret den Anfängen‘ heißt es nicht umsonst. Ich denke, man muss heute ganz klar gegen Extremismus Position beziehen.“ Gleichzeitig wendet sich Bereswill gegen die Salonfähigkeit von Geisteshaltungen, die er „nur schlimm finden kann“, und fordert auf, populistischen Kräften die Stirn zu bieten und sich diesen Entwicklungen entgegenzustellen. „Je früher wir dies tun, umso besser.“

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