Standpunkt
Internationaler Dienst – wichtiger denn je!
Potenzial und Expertise sind da, aber werden zu wenig genutzt, meint Udo Noack.
Der Krieg in der Ukraine hält uns schonungslos vor Augen, wie labil unsere Koordinaten in Europa sind und wie wichtig es ist, die demokratische Freiheit zu bewahren. Wir dürfen es nicht hinnehmen, dass unsere Werte verachtet werden und friedliche Koexistenz missachtet wird. Als eine der vier Säulen von Rotary verfügt der Internationale Dienst seit mehr als 70 Jahren mit seinen Länderausschüssen und Kontaktstellen über das älteste weltumspannende Netzwerk. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland mit 42 Länderausschüssen und 35 Kontaktstellen weit vorne und liefert zusammen mit mehr als 1250 Kontaktclubpartnerschaften einen wichtigen Beitrag für den Weltfrieden und zur Völkerverständigung. Mit den sich verändernden geostrategischen Interessen verspüren wir nicht nur in Europa ein zunehmendes Bedürfnis für stabile Verhältnisse, und so sind internationale Beziehungen zur Förderung von gegenseitigem Verständnis wichtiger denn je. Aber leisten wir als weltweit aktive Serviceorganisation auch unseren Beitrag? Wird der Internationale Dienst dem Anspruch an praktizierter Internationalität in den Clubs gerecht? Sind unsere rotarischen Freundinnen und Freunde, die den Dienstzweig Internationaler Dienst im Club und Distrikt repräsentieren, auch über dessen vielfältige Möglichkeiten informiert? Clubs, die den Dienstzweig Internationaler Dienst noch nicht für sich entdeckt haben, bedürfen umso mehr der Beratung und Inspiration, sich auf internationalem Parkett zu bewegen. Vielleicht ermutigen in Zukunft auch die vielversprechenden neuen Online-Formate die Bereitschaft, ausländische Kontakte zu knüpfen, wie die Kontaktclub-App von Andreas Maser oder das Speed-Dating-Portal von Governor Martin Klein. Neue Kulturräume zu entdecken und den Spirit internationaler Begegnungen zu erleben, stellen doch gerade für Clubs einen enormen Mehrwert und eine unschätzbare Bereicherung dar. Und mit RYLA, NGSE oder Summer Camps verfügt Rotary über attraktive Programme, die in interkulturellen Projekten auch dauerhafte Freundschaften entstehen lassen. Dass Rotaract dabei zunehmend integriert wird, ist zielführend und unbestritten ein Gewinn für die internationalen Netzwerke, die sich aktuell in gemeinsamen Aktionen für humanitäre Hilfe zur Linderung der Not ukrainischer Flüchtlinge engagieren.
Als Beauftragter des Deutschen Governorrates für den Internationalen Dienst und als National Coordinator für Länderausschüsse stelle ich leider fest, dass in einigen Clubs sowie in einigen Länderausschüssen und Kontaktstellen die Pflege internationaler Beziehungen bisher vernachlässigt wurde. Das tangiert eines der originären Ziele von Rotary und würde sich nachteilig auf diese wichtigen Netzwerke auswirken. Bitte fragen Sie sich selbst einmal, ob in Ihrem Club Projektideen für internationale Begegnungen oder Weltgemeindienstprojekte entwickelt werden. Eine weitere Wahrnehmung ist, dass einige Clubs ihr Potenzial und die vorhandene Expertise für derartige Projekte kaum ausschöpfen. Um diesen Schatz zu heben, brauchen wir dringend Gestalter, aber auch Governor, Distriktbeiräte sowie Präsidenten, die das Engagement der Akteure unterstützen und wertschätzen. Gemeinsam gelänge es, jene Clubs zu erreichen, die ihre Chancen für internationale Kontakte bisher kaum nutzten. Umsichtiges und mutiges Handeln aller Beteiligter ist daher dringend geboten, um unseren Beitrag zur Völkerverständigung auszubauen. Das bestehende europäische Netzwerk bewährt sich gerade im Ukraine-Konflikt mit einer beeindruckenden Spontaneität und Hilfsbereitschaft und ich bin überzeugt davon, dass es noch ausbaufähig ist. Die ICC Preconvention Taipeh 2021 rückte erstmals Länderausschüsse und deren Friedensarbeit global in den Fokus. Als Co-Organisator der Preconvention hatte ich die Gelegenheit, die Botschaft des Initiators Holger Knaack mit vorzubereiten und zu moderieren. Die vorgestellten Friedensprojekte hätten allerdings mehr Aufmerksamkeit verdient. Wir wissen, dass es auch in Deutschland aktive Clubs mit Fortune für humanitäre Weltgemeindienstprojekte gibt. Sie werden häufig von Länderausschüssen betreut, die mit ihrer Expertise beratend zur Seite stehen. Zu Recht sind deren Akteure stolz auf ihre internationalen Kooperationen und informieren gern über ihre Projektarbeit – auch in den Gesprächsforen für geografisch benachbarte Länderausschüsse und Kontaktstellen. Dieses neue Format bietet einen Fundus an Möglichkeiten, quasi als Thinktank, sich mit visionären Gleichgesinnten auszutauschen.
Der Austausch, mit Unterstützung der vom Deutschen Governorrat eingesetzten „Task Force Ukraine“, findet gerade auf allen rotarischen Ebenen statt, und der Aufruf zum zivilgesellschaftlichen Handeln fand ein enormes Echo. Wir haben gemerkt, dass unsere Netzwerke intakt sind. Lassen Sie uns mit Mut und Zuversicht die Herausforderungen annehmen und den Internationalen Dienst in den Clubs und Distrikten stärken. Jetzt.
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