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Schrei nach Wein

Titelthema - Schrei nach Wein
Diese Dame übergießt zwei geschlachtete Hähne mit heißem Wasser, um sie besser rupfen zu können. Viele Menschen auf dem Land sind Selbstversorger. © Andrea Diefenbach

In Südosteuropa und in Russland wird moldauischer Wein sehr geschätzt. Hierzulande ist seine hohe Qualität weithin unbekannt.

Maria Wiesner01.10.2022

In Westeuropa weiß man meist wenig über die Republik Moldau, so ist deren lange Weintradition nur wenigen bekannt. Bereist man das Land einmal, so kommt man gar nicht umhin, sie überall zu entdecken. Die kleine Republik zwischen den Flüssen Pruth und Dnister hat so fruchtbaren Boden, dass man meinen könnte, hier wachse alles, was die Bauern einmal in die schwarze Erde gesteckt haben. Von der südlichen Grenze zu Rumänien bis zur nördlichen mit der Ukraine durchziehen Felder die Landschaft wie auf alten niederländischen Gemälden. Statt gelbem Weizen wogen hier jedoch Maiskolben, wechseln sich mit den grünen Flächen von Melonenplantagen ab und gehen dann in sanfte Hügel voller Weinreben über. Auf 112.000 Hektar des Landes rankt der Wein, das ist eine Fläche, die doppelt so groß ist wie der Bodensee und dem gesamten deutschen Weinanbaugebiet entspricht. Egal in welchem Dorf man einkehrt, stolz schenken die Moldauer ihren Gästen den selbst gekelterten Wein ein.

Wie weit die Anbautradition zurückreicht, das erfährt man in Cricova. Wenige Kilometer nördlich der Hauptstadt Chișinău bietet Moldaus zweitgrößter Weinkeller regelmäßig Führungen an – der größte Weinkeller des Landes, Mileștii Mici, hat es sogar ins Guinessbuch der Rekorde geschafft, denn er beherbergt weltweit die größte Weinsammlung. Auch die in Cricova steht der Konkurrenz keineswegs nach. Beide Keller sollte man wohl eher als unterirdische Weinstädte bezeichnen, denn jeweils mehr als 100 Kilometer Tunnel ziehen sich hier durch das Kalkgestein.

Eine jahrtausendealte Tradition

In Cricova erzählt man die Geschichte, wie der Weinanbau in Moldau begonnen haben soll: Mönche hatten sich der Weinherstellung gewidmet. Einer lebte unweit der heutigen Hauptstadt, wo der Boden ideal für das Gedeihen der Weinreben war. Was dieser Mönch herstellte, galt bald als der beste Messwein der ganzen Gegend. Während der Osmanenkriege verboten die Besatzer die Weinherstellung. Der Mönch aber widersetzte sich, versteckte seinen Wein in Felshöhlen und wurde von den Osmanen hingerichtet, als sie das Versteck entdeckten. Noch heute soll man an der Stelle das Echo der Mönchsschreie hören. „Nicht zufällig rührt der Name Cricova vom slawischen Wort für Schrei“, heißt es in einem Video des Weinkellers. Bis heute soll der Geist des Mönches durch die Tunnel in Cricova wandeln. So weit die Legende.

Fakt ist: Die Weinherstellung hat in dem Gebiet der heutigen Republik Moldau eine jahrtausendealte Tradition. Archäologen fanden hier Spuren der Weinherstellung aus dem 3. Jahrhundert vor Christus. Im Römischen Reich gehörte das Gebiet zwischen den Flüssen Pruth und Dnister zur Provinz Dakien. Die Römer förderten hier den Weinanbau und legten den Grundstein für die großflächige Kultivierung der Reben. Im 15. Jahrhundert führte der moldauische Woiwode Stefan der Große ein höfisches Amt ein, das allein für die Aufsicht des Weinanbaus verantwortlich war. Und in der Sowjetunion kam schließlich jede zweite Flasche Wein und jede dritte Flasche Sekt aus moldauischer Herstellung.

Konstante Temperatur im Kalksteingewölbe

In Cricova lagern seit 1952 Flaschen und Fässer unter der Erde. Damals hatte man festgestellt, dass die Temperaturen in den Kalksteingewölben das ganze Jahr über konstant zwischen 12 und 14 Grad liegen – ideale Bedingungen also für die Weinlagerung. Den Steinbruch selbst gibt es seit dem 14. Jahrhundert, als der Kalkstein für den Bau der Hauptstadt Chișinău gebraucht wurde. Nur die Hälfte der Tunnel dient als Weinlager, die übrigen nutzt man noch immer für den Kalkabbau. Eine Million Flaschen sollen hier unten liegen und rund 30 Millionen Liter Wein in Fässern.

Wer mit dem eigenen Auto oder der Besucherbahn das Tor zur unterirdischen Weinstadt passiert, dem weht ein kühler Wind um die Nase. Dann finden sich die Besucher in unterirdischen Straßen wieder, die den Namen der Trauben tragen, die dort gelagert werden. Man rollt durch den Chardonnay- oder Cabernet-Weg, begegnet aber auch den autochthonen Rebennamen, wie an der Fetească Neagră, einer Traube von dunkelroter Samtfarbe, die sich vor allem im Süden an den Rebstöcken findet und deren rubinroter Wein das Aroma schwarzer Johannisbeeren in sich trägt, wie die Besucher später bei der Degustation herausfinden werden.

Der Champagner Moldaus

Doch nicht nur die Qualität der Moldauer Reben gilt es hier zu entdecken. Wenn die Bahn zum Stehen kommt, fällt der Blick auf Regalreihen, die bis oben hin mit Sektflaschen gefüllt sind und den „Champagner“ Moldaus enthalten. Tatsächlich, so erklärt die Führerin in perfektem Englisch, stellt man hier Schaumwein mit Genehmigung der Franzosen nach dem Prinzip des Benediktinermönchs Dom Pierre Pérignon her. Sechs Monate reift der Wein im Fass, dann zweieinhalb Jahre in der Flasche, in der er alle paar Tage von Hand gedreht werden muss, damit sich die Hefe absetzt. Das Ergebnis darf sich aufgrund des regionalen Markenschutzes zwar nicht Champagner nennen, steht dem französischen Getränk jedoch kaum nach, liegt das Anbaugebiet der Chardonnayund Pinot-noir-Trauben doch sogar etwas südlicher als die Champagne, auf dem gleichen Breitengrad wie das Burgund.

Putins Party 60 Meter unter der Erde

Wer nun zu Fuß weiter in die Weinstadt vordringt, kommt auf dem weiß getünchten Weg an hüfthohen Kalkaushöhlungen vorbei, in denen die privaten Weine berühmter Personen lagern, die Moldau schon einmal besucht haben. Der Name der ehemaligen Kanzlerin Angela Merkel ist hier ebenso zu finden wie auch Amerikas früherer Außenminister John Kerry. Eine der ältesten Weinkollektionen in diesen Räumen stammt aus dem Besitz Hermann Görings, 1945 von der Roten Armee in Berlin beschlagnahmt. Unter einer dicken Schicht aus Staub und Spinnweben lugen die Etiketten des berühmten Moselweins Jahrgang 1935 hervor. Angeblich sind es die letzten Flaschen dieses Jahres weltweit.

Russlands Präsident Wladimir Putin soll hier sogar einmal eine Geburtstagsfeier ausgerichtet haben. Die Räumlichkeiten bieten dafür allemal Platz, unterirdisch gibt es Degustationsräume mit hellen Marmorfliesen, langen Eichentafeln und Buntglasfenstern so rund wie ein Weinfass, auf denen sich Weinreben ranken und die durch elektrische Beleuchtung den Besuchern vorgaukeln, man befinde sich nicht rund 60 Meter unter der Erde. Selbst ein funktionstüchtiger Kamin ist hier eingebaut.

Das Verhältnis Russlands zum moldauischen Wein ist jedoch nicht nur von Feststimmung begleitet. Zwar schätzt man die Qualität des moldauischen Weins bereits seit der Zarenzeit, und Russland war lange der wichtigste Markt für Moldaus Weine. Doch hat Moskaus jetzige Regierung den Weinimport immer wieder als Druckmittel genutzt. Begann sich das Land der Europäischen Union allzu sehr anzunähern, verhängte Russland ein Importembargo für moldauische Produkte. Von 19 Millionen Dekalitern Wein, die jährlich produziert werden, gehen 85 Prozent in den Export. Seit Jahren sind die Winzer bemüht, neue Absatzmärkte zu finden. Die Tschechische Republik und Polen gehörten nach Russland zu den wichtigsten Käufern. Der südliche Nachbar Rumänien stieg unlängst zum größten Abnehmer auf. Denn in Südosteuropa ist es längst kein Geheimnis mehr, dass eines der kleinsten Länder den besten Wein produziert.


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Maria Wiesner
Maria Wiesner hat als Reporterin Südosteuropa bereist. Seit 2016 ist sie bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung angestellt. Ihre Sachbücher sind unter anderem im Harper Collins Verlag erschienen.

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