Titelthema: US-Präsidentenwahl
Starker Präsident, noch stärkere Verfassung
Die Reaktionen auf das Ergebnis der US-Präsidentenwahl waren überzogen. Die amerikanische Demokratie ist stabiler als einzelne Amtsträger.
Seit dem Wahlerfolg von Donald Trump in den USA geht die Angst vor dem globalen Durchmarsch eines Grobians um; in vielen Medien beherrscht eine Art absurde Weltuntergangsstimmung die Titelseiten und die Berichterstattung. Selbst Mitglieder der Bundesregierung, zu deren Amtspflichten eigentlich Abgeklärtheit und Ausgewogenheit gehört, schon gar im Umgang mit einer Weltmacht und dem wichtigsten politischen Partner, reden von „Schock“ und beschimpfen den Wahlsieger als „Hassprediger“.
Entspannt Euch
Zum Wesen der Demokratie gehört es, dass man mit den Positionen des Wahlsiegers nicht übereinstimmt; abgesehen davon, dass Trump nicht in Deutschland zur Wahl stand, sondern in den USA. Und es war eine Wahl und drückt den Willen der Mehrheit der Wähler (wenn auch nicht der Wahlverweigerer) aus. Demokratie zeigt sich nicht, wenn man gewinnt und sich durchsetzt; sie zeigt sich noch viel mehr im Umgang mit der Niederlage des eigenen Lagers.
Politik beginnt bekanntlich mit der Betrachtung der Wirklichkeit. Nehmen wir es als Fakt, dass Donald Trump am 20. Januar 2017 als 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika vereidigt wird. Er ist der mächtigste Mann der Welt – der Mann, der über ein atomares Zerstörungspotential verfügt, den Planeten mehrfach zu zertrümmern; der Mann, hinter dem ein Viertel der Weltwirtschaft steht; der Mann, dessen Geheimdienste weltweit jedes Wort mithören können; und er ist der Mann, der den amerikanischen Traum personifiziert: Dass Du es in der Hand hast, dass Freiheit der universelle Wert ist und nicht Versorgung durch ein Kollektiv. Er mag einem gefallen oder nicht: Die Amerikaner haben gewählt. Das verdient Respekt.
Gewünscht hätte ich mir, dass die Bundesregierung sich vom Wahlausgang nicht hätte so überraschen lassen; dazu gehört eine frühzeitige Kontaktaufnahme, eine Analyse seiner Vorhaben und Person, seines Umfelds und nicht das trotzige Festhalten an seiner Konkurrentin, die eben nicht gewählt wurde. Für die Zukunft ist nicht der scheidende Präsident verantwortlich, sondern der zukünftige. Der Machtwechsel ist das Wesen der Demokratie, und dazu gehört auch der Austausch des Führungspersonals auf friedliche und anständige Weise.
Auch mächtige Männer stoßen in der Demokratie an ihre Grenzen. Diese werden vom Parlament und der Gesetzgebung gezogen, ihre Einhaltung von Gerichten überprüft, Spielräume von der Verfassung definiert, von einer harten Opposition überwacht, von den Medien kontrolliert. Die USA haben kluge und weniger kluge Präsidenten überdauert; ihre Demokratie hat einen blutigen Bürgerkrieg, zwei Weltkriege, den Kalten Krieg und viele andere Krisen unbeschadet überlebt.
Weil die Verfassung über den Personen steht
Ob Trump als ein großer Präsident in die Geschichte eingehen oder wegen Verfehlungen aus dem Amt gejagt wird wie einst Richard Nixon, ist offen. Das Spiel dauert vier Jahre oder maximal acht. Das unterscheidet übrigens die Qualität der US-Demokratie von der hiesigen: Sie ist älter, weil sie Personen weniger wichtig nimmt als die Institutionen.