Wo die Zeit noch stillsteht – über die Renaissance des „Nature Writing“
Tierische Freundschaft
Erinnerungen an eine besondere Begegnung
Nachdem ich 40 Jahre lang Werke über die Militärgeschichte veröffentlicht habe, erscheint es doch ironisch, dass sich ausgerechnet meine verspäteten Memoiren über das Zusammenleben mit einem Steinkauz, den ich während der 1980-90er Jahre als Haustier hielt, als dasjenige meiner Bücher herausstellt, das sich am schnellsten verkauft.
Ich kaufte meinen weiblichen Steinkauz „Mumble“ im Jahr 1978, nachdem ich der starken Faszination der Falken erlegen war, die mein Bruder auf seiner Farm trainierte. Davor hatte ich noch nie irgendein Haustier besessen und war auch nicht an Ornithologie interessiert. Mumble lebte 15 Jahre bei mir, die ersten drei davon als heimlicher Gast in einer Stadtwohnung im siebten Stock, in der Haustiere verboten waren, und später in einem kleinen Haus mit Garten auf dem Land in Sussex. Sie war eine Handaufzucht „aus dem Ei“ in Gefangenschaft, und obwohl sie manchmal (unvermeidbar) im Käfig sein musste, war sie niemals angebunden und verbrachte viel Zeit frei fliegend in meinem Zuhause.
Seit dem ersten Tag war ich fasziniert von ihrer wunderschönen Erscheinung und ihrem amüsanten Verhalten. Ich war begeistert und überrascht, dass wir schnell eine echte wechselseitige Beziehung zueinander entwickelt hatten. Der Steinkauz (Athene noctua) ist kein Schwarmvogel, geht aber starke territoriale Paarbindungen ein, und ich war erstaunt, dass ich dabei zuerst die Rolle der Mutter und später die des Partners von Mumble einnahm. Sie war wirklich ein „Ein-Mann-Kauz“. Furchtlos versuchte sie jeden anzugreifen, der sich ihr näherte, hat jedoch niemals ihre Klauen gegen mich eingesetzt. Stattdessen flog sie oft ungebeten auf meine Schulter, um meinen Bart zu putzen und ihre Streicheleinheiten einzufordern.
Ihr Leben währte etwa dreimal länger als es der natürlichen Lebenserwartung von in Freiheit lebenden Steinkäuzen entspricht. Aus verschiedenen Gründen habe ich jedoch erst viele Jahre nach ihrem Tod entschieden, über sie zu schreiben. Die Entscheidung, meinen Fokus von Themen wie der Schlacht von Dien Bien Phu (1954) oder den Kolonialkriegen der französischen Fremdenlegion (1870-1935) auf ein neues Thema zu richten, kam für meine Freunde und Kollegen etwas überraschend. Während mein Motiv dafür in dem Wunsch lag, meine Erinnerungen an eine herzerwärmende Erfahrung zu teilen und wiederaufleben zu lassen, hatte ich entsprechend meiner professionellen Gewohnheiten dennoch schon während unserer gemeinsamen Jahre Notizbücher geführt und Fotos gemacht. Als ich diese Notizen erneut las, um zu entscheiden, ob sich daraus ein Buch machen ließe, fiel mir auf, dass sich mein „militärisches Wesen“ auch im Umgang mit meinem ungewöhnlichen Mitbewohner bemerkbar gemacht hatte.
Mumble, die immer eine sehr angenehme Gesellschaft war und eigentlich an eine „fliegende Katze“ erinnerte, wurde für mich bald zu einem faszinierenden Beobachtungs- und Studienobjekt während der Abendstunden, wenn sie wach und aktiv war. Es begann in unseren ersten gemeinsamen Wochen in der Wohnung, als sie sich selbst das Fliegen beibrachte – ein amüsanter Lernprozess, der jedoch einige Kosten für zerbrochenen Hausrat mit sich brachte – und mich veranlasste, Fachbücher über Eulen zu lesen. Es faszinierte mich sofort, die Zeichnungen von Eulenskeletten mit dem sehr unterschiedlichen äußeren Erscheinungsbild meines doppelten Federballs (Kopf und Rumpf) zu vergleichen, den sie äußerst geschickt und agil bewegte. Sie zu beobachten und die naturkundlichen Werke über ihre Art zu lesen, brachte mich bald dazu, vergleichende Zeichnungen des „Tieres selbst“ und seiner „Mechanik“ anzufertigen.
Lernen von der Natur
So erinnerte mich der Aufbau ihres Körpers und ihrer Flügel an ein Flugzeug, das aus starken und gleichzeitig sehr leichten Materialien gebaut war. Dies verlieh ihr zusammen mit ihrem großen Herzen (ihrem „Motor“) und voluminösen System aus Lungen und zusätzlichen inneren Luftsäcken (ihr „Treibstofftank und Vergaser“) ein bemerkenswert effizientes „Leistungs-/Gewichtsverhältnis“, um kraftsparend und doch kontrolliert zu fliegen. Sie erschien mir das tierische Gegenstück zu einem Kurzstrecken-Senkrechtstarter wie dem Hawker Harrier (und wenn sie versuchte, Fliegen von der Zimmerdecke zu fangen, flog sie eindeutige „Immelmann-Aufschwünge“). Ich lernte dann auch mehr über den außergewöhnlichen Aufbau ihrer Augen und Ohren und wie diese ihr im Einzelnen ermöglichen, Beutetiere mit großer Präzision in fast völliger Dunkelheit zu fangen – mit Hilfe einer Art „Zielerfassungs-Computer“ in ihrem kleinen, aber perfekt angepassten Gehirn.
Die Eigenschaft des Eulenskeletts, die einen als Erstes verblüfft, ist der lange, schlangenartige Schwanenhals, der unter dem äußerst flexiblen Federkleid vollständig verborgen bleibt. Eher zufällig entdeckte ich, dass Mumble diesen versteckten Hals nutzte, um mit ihrem unbeirrbaren Blick alles fest fixiert im Auge zu behalten, was sie gerade interessierte. Dieses Verhalten entsprach exakt dem Kreiselstabilisator im Turm eines modernen Kampfpanzers. Eines Tages nahm ich sie von der Sitzstange und setzte sie auf meine Hand, während sie gerade etwas draußen vor dem Fenster beobachtete. Als ich mit meiner Hand nach unten ging, hielt sie ihren Kopf exakt auf der gleichen Höhe, indem sie einfach ihren Hals wie ein Teleskop aus ihren Schultern herausfuhr. Als ich meine Hand wieder anhob, senkte sich der Hals geschmeidig in den Federball ab, so dass ihr Kopf jederzeit bei allen Bewegungen und Drehungen in derselben Höhe und Stellung fixiert blieb. Menschliche Ingenieure brauchten ein halbes Jahrhundert und Millionensummen, um ein stabilisiertes Panzergeschütz zu entwickeln. Ich war fasziniert von der Entdeckung, dass Steinkäuze das bereits seit drei Millionen Jahren können.
Ich fand einfach alles an ihr interessant: Ihr sich entwickelndes Vokabular an murmelnden, piepsenden und flötenden Lauten, ihre Begeisterung für Wasser- und Sonnenbäder, ihre Essgewohnheiten und sogar ihre unvermeidbar unschöne Abfallentsorgung. Als ich von London aufs Land zog und Mumble im Garten eine geräumige Voliere bauen konnte, war es ein Vergnügen zu beobachten, wie sie sich an diese natürlichere Umgebung anpasste. Bald machte sie Jagd auf Käfer und Würmer, später auch auf Mäuse und Wühlmäuse, die sich arglos in ihr Maschendrahtquartier verirrten. Somit war klar, dass das Jagen kein „gelerntes“, sondern ein angeborenes Verhalten war. Obwohl sie nun viel weniger Zeit im Haus mit mir verbrachte, war sie bis zu ihrem Lebensende zahm, gesellig und sogar – darf ich das glauben? – fähig zum Gefühl der Zuneigung. Wie immer ich unsere Beziehung auch interpretiere, sie war unbestreitbar individuell. Diese Beziehung hat meine Sicht auf das Tierreich grundlegend verändert.
Martin Windrow ist Historiker, Verleger und Autor. Er war Herausgeber in dem britischen Militärbuch-Verlag Osprey Publishing und verfasste zahlreiche Bücher über den Zweiten Weltkrieg und die französische Fremdenlegion. Auf Deutsch erschien 2014 „Rommels Wüstenarmee“ (Edition Lempertz/Brandenburgisches Verlagshaus).