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Standpunkt

Update für unsere Diskussionskultur

Standpunkt - Update für unsere Diskussionskultur
Thomas Fink © Sofistik AG

Andere Meinungen zuzulassen, ist auch eine Frage des Respekts.

Thomas Fink01.12.2020

Wenn Dinge offensichtlich falsch laufen, dürfen wir nicht wegsehen. Rotarier dürfen nicht sprachlos sein. Wir stehen für unsere Werte und unsere Vier-Fragen-Probe. Wir werden nicht nur an unseren Ergebnissen gemessen, sondern auch an unserem Verhalten. Bitte achten Sie auf die Notwendigkeit von Toleranz und teilen sie dies.“ Unser rotarischer Freund Holger Knaack bekam im Januar viel Applaus für diese Sätze auf der International Assembly in San Diego. Auch bei uns in Deutschland und Österreich sind Tendenzen zu beobachten, dass verschiedene Teile der Gesellschaft nicht mehr sachlich miteinander kommunizieren können. Fakten treten immer mehr in den Hintergrund und wir neigen dazu, unsere Zeit nicht mehr mit Diskussionen verschwenden zu wollen, wenn die Meinungen bekannt und unterschiedlich zu den unsrigen sind.

Kommunikationskultur kultivieren

Aber ist nicht genau dieses Verhalten der Anfang vom Ende von dem, was wir in einer freiheitlichen Demokratie Debattenkultur nennen? Führt es nicht zwangsläufig zur Verstärkung von Meinungsblasen, gefüllt von Menschen, die nur ihre Meinungen sehen, lesen oder hören wollen? Die Algorithmen der sogenannten sozialen Medien helfen hier fleißig mit. Jedem Nutzer spielen sie zielgenau die Nachrichten auf das Endgerät, die er gerne sehen will.

Klar, es ist sehr mühsam, sich mit Menschen zu unterhalten, die in unseren Augen falsche oder gar abwegige Meinungen vertreten. Manchmal fällt es schwer, ihnen das Grundrecht auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit zuzubilligen und durch den Rechtsstaat schützen zu lassen. Aber auch Mitmenschen, die mit Alu-Hüten vor der russischen Botschaft Putin um Hilfe bei der Rettung unserer Demokratie anrufen, oder die Bill Gates und seiner Stiftung Schlechtes unterstellen, haben diese Rechte. Wir sollten sie ernst nehmen, selbst wenn es in diesen Fällen nicht ganz leichtfällt.

Wird man im rotarischen Meeting oder an anderer Stelle mit einer in den eigenen Augen unsinnigen Meinung konfrontiert, gibt es mehrere Möglichkeiten der Reaktion. Ein spontanes „so ein Schmarrn“ beendet jegliche Diskussion, Schweigen suggeriert womöglich Zustimmung. Eine Antwort wie „das habe ich noch nie gehört, können Sie mir da eine Fundstelle nennen?“ eröffnet eine Möglichkeit zur weiteren Diskussion.

Es sollte uns allen bewusst sein, dass es auf die drängenden Probleme unserer Zeit nicht immer einfache Antworten, und in den allermeisten Fällen mehr als nur eine zulässige Meinung, gibt. Nehmen wir als Beispiel die Diskussionen um Flucht und Migration. Es ist klar, dass wir niemanden in Seenot ertrinken lassen dürfen. Dies dient ganz sicherlich nicht „dem Wohl aller Beteiligten“. Ebenso klar ist es aber, dass wir nicht jeden aufnehmen können, der sein Leben in Europa führen möchte. Grenzüberwachung und Empathie mit Menschen in Not müssen keine Gegensätze sein. Hier kann eine mehrheitsfähige und menschenwürdige Lösung für Europa gefunden werden.

Einfache Antworten gibt es auch nicht auf die dringend zu klärenden Fragen, wie wir unser Europa weiterentwickeln wollen. Brauchen wir eine gemeinsame Finanzpolitik? Eine gemeinsame Verteidigungspolitik? Ist das Einstimmigkeitsprinzip, das für wesentliche Entscheidungen weiterhin gilt, noch zeitgemäß? Nehmen wir es als Deutsche in Kauf, gegebenenfalls überstimmt zu werden?

Ich wünsche mir jedenfalls, dass wir als Rotarier, die sich als Elite der Gesellschaft verstehen, über diese Fragen diskutieren. Intern wie extern, im Meeting, im beruflichen wie im privaten Leben. Unterschiedliche Meinungen sind nicht das Problem. Sie sind in einer Demokratie normal. Unsere Fähigkeit, respektvoll miteinander umzugehen, darf dabei aber nicht verlorengehen.

Und was Europa angeht: Wir reden meist über Aspekte, die uns negativ aufstoßen. Reden wir doch auch einmal über die positiven Dinge, die uns leider viel zu selbstverständlich geworden sind. Die Europäische Union ist und bleibt hoffentlich auch in der Zukunft das größte Friedensprojekt der Menschheitsgeschichte.

Wir sollten uns gerade jetzt um ein freundschaftliches Miteinander bemühen, denn Frieden beginnt immer in uns selbst und mit uns selbst. In unserer Kommunikations- und Diskussionskultur ist die Meinung des anderen zu respektieren, solange diese mit den rotarischen Leitprinzipien und Werten vereinbar ist. Das Widersprüchliche und das Komplizierte sind zu akzeptieren und auszuhalten. Und immer sollten wir uns klarmachen: Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Anstand – nichts davon ist voraussetzungslos, nichts ist selbstverständlich und gesichert. Leben und Handeln wir danach, im Privaten, im Beruflichen und im Rotarischen!

Ein positives Beispiel zum Thema „Politik bei Rotary“ ist der von allen Regensburger Clubs im Oktober erstmals veranstaltete „Rotary Debate Club“.

Diskutieren Sie mit und beteiligen Sie sich an unserer Meinungsumfrage zu diesem Standpunkt: rotary.de/#umfrage