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Vom deutschen Schlot zur russischen Röhre

Titelthema - Vom deutschen Schlot zur russischen Röhre
Unterwegs mit Holz und Briketts: das Sortiment eines Kohlenträgers im Jahre 1952 © Ullstein Bild via Getty Images

Das Hypokaustum der alten Römer markiert den Beginn – eine kleine Geschichte der Entstehung moderner Zentralheizungen.

Manfred Seifert01.09.2022

Spätestens im Oktober werden bei uns wohl auch die sparsamsten Menschen schwach werden, ihre Heizungsregler auf Wohlfühltemperatur stellen und nicht vorhandene Kamine beklagen. Zentralheizungen sind hierzulande Standard, werden aber nach Möglichkeit gern ergänzt um Heizquellen, die schon unsere Vorfahren nutzten: stimmungsvolle holz- oder kohlebetriebene Einzelfeuerstätten wie Kaminöfen, offene Kamine oder Kachelöfen mit großen Sichtfenstern. Dafür muss allerdings ein eigener Schornstein zur Verfügung stehen. Die seit den 1980er Jahren aufkommende Kombination diverser Heizungsarten ermöglicht zudem unterschiedliche Wärmezonen.

Der Wunsch nach einer „angemessenen Unterbringung“, als Recht im UN-Sozialpakt Artikel 11, Absatz 1 fixiert, spiegelt sich bereits in den frühesten Behausungen der Menschen. Schon immer strebten sie danach, sich mit der zu ihrer Zeit vorhandenen Technik eine warme, komfortable und gemütliche Wohnkultur mit raumästhetischen und dekorativen Elementen zu schaffen, wofür die Möglichkeit einer Beheizung in kalten Monaten natürlich die Basis ist.

Die moderne Zentralheizung hat ihr antikes Vorbild in der römischen Hypokaustenheizung – mit ihrer räumlichen Trennung von Wärmeproduktion in einem Brennraum und Wärmeabgabe über Heizflächen im Boden und an den Wänden. Während in der Antike jedoch mit Holz und Holzkohle geheizt wurde und hinter den Heizflächen das warme Rauchgas zog, erhitzen die klassischen Heizöl- und Gaszentralheizungen von heute ein Wärmeträgermedium (Wasser), das über Leitungen zu den Heizflächen geführt wird. Diese Variante der modernen Zentralheizung fand nach einer längeren Vorlaufzeit ab Mitte des 19. Jahrhunderts erst in den 1950er Jahren in großem Stil Eingang in den Wohnbereich und wurde im Verlauf der 1980er und 1990er Jahre zur Standardausstattung. Neben den Brennstoffen Holz und Holzkohle gewann Mitte des 18. Jahrhunderts die Kohle zunehmend Einfluss. Für die Raumheizung einsetzbare Gasheizkessel kamen um 1900 auf und es fanden frühe Versuche mit Ölbrennern statt. Die Elektroheizung findet sich seit den 1920er Jahren in Privathaushalten, wo sie sich infolge der Ölkrisen der 1970er Jahre stärker etablieren konnte. Zu all diesen Energiearten gab es von Anfang an – und teilweise bis in die Gegenwart – auch Einzelöfen. Für die Zentralheizung kamen hingegen nur solche Energiearten infrage, die automatisch dosierbar sind, also vor allem Heizöl, Gas, Holzpellets, Erd- und Luftwärmepumpen sowie Solarenergie. Elektrischer Strom als Heizquelle ist zwar komfortabler, hat aber – die Stromproduktion mit einrechnet – den schlechtesten Wirkungsgrad.

Klassische Probleme: Rauch und Brandgefahr

Jenseits der Hypokaustenheizung prägten offene Feuerstellen das Bild des Wohnens in den antiken Hochkulturen. Öfen sind aus jenen Tagen nur aus gewerblicher Produktion bekannt, zum Beispiel bei Bäckern und Töpfern. Vor diesem Hintergrund heben sich die Bemühungen um ein rauchfreies und brandgeschütztes Wohnen ab, die vorrangig im mitteleuropäischen Bereich technisch vorangetrieben wurden. Bei der Entwicklung der Ofenheizung gab es grundsätzlich zwei Ausgangspunkte: zum einen dickwandige Ofenformen aus Stein, Ziegeln oder Lehm, die schon in der Jungsteinzeit als Backöfen mit aus Rutengeflecht armierter Lehmkuppel bekannt sind und bis in die Gegenwart etwa in Tirol und Teilen der Schweiz als gemauerte Stubenöfen anzutreffen sind. Und zum anderen Kachelöfen, die ab dem 8. Jahrhundert in der Schweiz und Südwestdeutschland archäologisch nachweisbar sind. Ihr heizungstechnisches Charakteristikum sind die Becherkacheln, die eine nach dem Wabenprinzip konstruierte Ofenwand schufen. Aneinandergesetzt dehnten sie aufgrund der unterschiedlichen Wandstärken die Zeitspanne der Wärmeabgabe deutlich aus. Hinzu trat Rauchfreiheit, wenn die Schüröffnung und Rauchgasöffnung des Ofens außerhalb des Raumes lagen. Und da diesen Öfen noch der Feuerrost fehlte (sein Einbau wurde erst ab dem Ende des 18. Jahrhunderts wegen der sauerstoffarmen Kohle mit hoher Entzündungstemperatur obligatorisch), konnte das mit anderer chemischer Zusammensetzung ausgestattete Holz, wie in aktuellen qualitätvollen Kaminöfen auch, ohne kräftige Sogwirkung im Asche bett langsam und vollständig abbrennen. Entscheidend dafür war früher, dass auch die Schüröffnung ohne dichten Verschluss war und das Rauchgas durch die Rauchgasöffnung offen im Vorraum zuerst unter einen Funkenschutz und dann entweder frei in den Dachraum oder in die alte Schornsteinform des sogenannten „deutschen Schlotes“ abzog; unten breit und sich zur Spitze verjüngend. Diese Bauweise aber sorgte aufgrund des schwachen Luftdruckunterschieds nur für einen mäßigen Luftzug.

Loblied auf den guten alten Kachelofen

Erst das Aufkommen des „russischen Schornsteins“, der die auch heute aktuelle Röhrenform ab den 1820er Jahren darstellt, schuf die bekannte „Zwangsluftführung“: Das entflammte Brennmaterial saugt nun nicht mehr selbsttätig die Verbrennungsluft an, stattdessen wird der Brennvorgang über eine regulierbare Zuführung von Verbrennungsluft gesteuert.

Ab dem 14. bis 16. Jahrhundert erfolgten erste Einbauten von Rauchgaszügen in die Innenräume der Eisen- wie Kachelöfen sowie weitere konstruktionstechnische Verbesserungen. Die seit dem 18. Jahrhundert wachsende Bandbreite der Eisenofenformen schrumpfte seit den 1910er Jahren aufgrund der Entwicklung von Dauerbrand- und Allesbrenneröfen, die nach 1945 als einzige Eisenofentypen produziert wurden. Von einigen Sonderformen für spezielle Anforderungen mal abgesehen. Aus diesen Ofentypen wurden in der Folge auch die Heizeinsätze einer Kachelofen-Luftheizung entwickelt. Damit – und mit dem Einbau eines Warmluftleitungssystems in die diversen Zimmer einer Wohnung – unternahm dieser Kachelofentyp seine Anpassung an den modernen Zentralheizungsstandard.

Was lässt sich nun aus der Historie von Heizungen und ihrem Einbau lernen und erscheint auch hinsichtlich ökologischer, nachhaltiger sowie wohnphysiologischer Gesichtspunkte sinnvoll? Es sind die keramischen Wärmeflächen von Kachelöfen und Flächenheizungen, die vor allem Strahlungswärme abgeben und durch fehlende Luftkonvektion trockene Atemwege verhindern. Entsprechend ist also jede konstruktive Vermeidung von Warmluftauslässen sowie eine Wärmeproduktion aus möglichst nachhaltiger Energie wie Wärmepumpentechnik beziehungsweise Solarenergie von Vorteil.

Manfred Seifert

Prof. Dr. Manfred Seifert absolvierte nach dem Abitur eine Ausbildung als Kachelofen- und Luftheizungsbauer. Er ist am Institut für Europäische Ethnologie/Kulturwissenschaft der Philipps-Universität Marburg tätig.