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Titelthema

Zukunft heute mitgestalten

Titelthema - Zukunft heute mitgestalten
© Illustration: Mario Wagner/2Agenten

Sollen Gesellschaft und Technologie zusammenwachsen, müssen wir die neuen Herausforderungen durch das Metaversum annehmen.

Katarina Adam01.03.2022

Die Beherrschung der virtuellen Räume kann sowohl wirtschaftlich, technologisch als auch gesellschaftlich als eine der größten zukünftigen Herausforderungen angesehen werden. Eine Vielzahl an Schlagwörtern wie etwa „Metaversum“, „Non-Fungible Token“ (kurz NFT), „Kryptowährungen“, „Decentralized Finance“ (kurz Defi) versprechen uns eine neue, spannende Welt mit unzähligen Möglichkeiten – natürlich immer zum Besten des jeweiligen Nutzers. Daher lohnt sich ein Blick hinter die Kulissen der Zusicherungen. Nachfolgend sollen hier einige Gesichtspunkte aufgezeigt, aber auch Anregungen zur Diskussion gegeben werden.

Der Begriff Metaversum erfreut sich derzeit hoher Popularität – das Konzept hierzu ist jedoch bereits 1992 in dem Roman Snow Crash von Neal Stephenson beschrieben worden. Das Metaversum, so das Versprechen, soll uns ein Web 3.0 ermöglichen, in dem wir in virtuellen 3D-Umgebungen die Konvergenz von erweiterter Realität, virtueller Realität und anderen digitalen Technologien mit der physischen Realität erleben können. Die meisten Videospiele, in denen Spieler ihre eigenen Welten aufbauen können, haben Metaverse-Tendenzen, ebenso wie die meisten Social-Media-Plattformen. Und wenn Sie einen NFT oder auch nur eine Kryptowährung besitzen, sind Sie Teil der ständig wachsenden Metaversum-Erfahrung.

Es herrscht Goldgräberstimmung

Wir leben demnach in unserer dinglichen Welt, bekommen nun aber einen zusätzlichen Layer, eine zusätzliche (virtuelle) Ebene on top auf unsere reale Welt. Mit den heute schon verfügbaren Brillen aus den Bereichen Augmented Reality und Virtual Reality wird es zu einer Verschmelzung beider Welten kommen. Damit kann das Metaversum zur nächsten Stufe des mobilen Internets werden – und hier liegt die Betonung auf „mobil“ – wir werden von einer Welt in die andere wechseln und dabei nicht mehr vor unseren Bildschirmen hocken wie derzeit, sondern eintauchen und teilnehmen, das heißt mobil in die andere Ebene wechseln.

Wie groß die Erwartungen an dieses Universum sind, lässt sich eventuell aus den aktuellen Aktivitäten der großen Tech-Giganten ablesen. Nicht nur Facebook (neuerdings Meta), sondern auch Microsoft, Roblox, aber auch Alibaba, Tencent und Baidu, die chinesischen Tech-Giganten, stellen Milliardenbeträge bereit, um in diesen Welten ihre Claims abzustecken. Sie alle investieren derzeit viel Geld und sehr viel Manpower, aber sie sind auch alle noch weit von einer Marktreife entfernt. Doch die neue Softwarewelt mit all ihren Angeboten und Apps muss schon jetzt kreiert und geschaffen werden – daher diese Goldgräberstimmung.

Aber um dieses Potenzial voll auszuschöpfen, müssen Metaversum-Anwendungen Herausforderungen bewältigen, wie etwa den massiven Ressourcenbedarf, die Interoperabilität zwischen Anwendungen sowie Sicherheits- und Datenschutzbedenken.

Gesellschaftlich-soziale Herausforderungen

In diesem Zusammenhang können folgende grundlegende Ebenen in Bezug auf Interoperabilität betrachtet werden:

  • Technologie: die Systeme, die das Zusammenspiel der Systeme ermöglichen.
  • Wirtschaftliche Ausrichtung: Schaffung wirtschaftlicher Anreize, damit Gruppen und Urheber durch die Teilnahme an einem interoperablen Ökosystem einen gegenseitigen Nutzen erzielen.
  • Gesellschaftlich-soziale Ausrichtung: Teilhabe ermöglichen, um neue Entscheidungen darüber treffen zu können, wie unsere Gemeinschaften, Gesellschaften und Staaten funktionieren (sollen).

Die technische Ebene ist dabei die eher einfach zu beherrschende. Sowohl die ökonomische als auch die gesellschaftlich-soziale Ebene sind die großen Herausforderungen. Wollen wir als Gesellschaft eine virtuelle Welt, in die wir zwar hineintauchen können, aber in der wir im Gegenzug auf Schritt und Tritt überwacht werden? Diese dystopische Variante hat The Economist in seiner Ausgabe vom 5. Februar 2022 beleuchtet. Beschrieben wird der Aufbau eines Metaversums mit chinesischen Merkmalen und somit mit Inhaltskontrollen, Überwachung, Zensur und ohne Raum für Anonymität. Gleichzeitig wird in diesem Artikel deutlich, dass das technologische Wettrüsten begonnen hat. Eventuell stehen wir sogar vor dem Wettstreit der Systeme – Demokratie gegen Autokratie. Das dystopische Gegenmodell, die Utopie, wird hingegen die demokratischen Elemente einer Gesellschaft befördern. Dies kann unter anderem durch den Einsatz der Blockchain-Technologie gelingen. Auch wenn nach mehr als zehn Jahren seit der Einführung für viele diese Technologie noch immer „nur“ für die digitale Währung Bitcoin steht, so hat die Blockchain auch aus Sicht der Autorin das Potenzial, das Web 3.0 demokratisch organisiert zu gestalten. Möglich ist dies durch die der Blockchain-Technologie inhärenten Eigenschaften: Zunächst lässt sich eine Blockchain als Datenbank mit besonderen Merkmalen charakterisieren. Teilnehmer eines Blockchain-Netzwerks teilen über verteilte Rechner, sogenannte Knotenpunkte, Informationen in der Zeitfolge fälschungssicher und transparent auf dieser Datenbank. Neue Informationen beziehungsweise Transaktionen werden additiv hinzugefügt. Nachträgliche Änderungen sind ausgeschlossen. Über asynchrone kryptografische Schlüssel werden die Transaktionen von einem Netzwerkteilnehmer zum anderen geschickt. Asynchrone Verschlüsselung bedeutet, dass sowohl ein öffentlicher als auch ein privater Schlüssel erzeugt werden, wobei der öffentliche Schlüssel die Nutzeradresse auf der Blockchain darstellt (vergleichbar mit einer E-Mail-Adresse). Der private Schlüssel („private key“) hingegen kann als Passwort verstanden werden, der es nur dem Eigentümer dieses Schlüssel ermöglicht, Zugang zu den getätigten Transaktionen zu haben.

Kryptografie steht daher für Vertraulichkeit, Integrität, Authentizität sowie die Verbindlichkeit von Daten und Transaktionen und ist damit eine wichtige Komponente innerhalb der Blockchain-Technologie.

Somit sind dank der Verschlüsselung die Teilnehmer nicht unter ihren Klarnamen zu identifizieren, sondern pseudonym unter dem sogenannten „public key“. Die eigentliche Transaktion hingegen ist transparent und nachvollziehbar und es bedarf keiner zentralen Instanz, die die getätigten Transaktionen prüft. Dafür ist das Netzwerk zuständig, das in Anhängigkeit des verwendeten Konsens-Mechanismus die Transaktionen validiert und protokolliert. Diese Zusammenarbeit aller Knotenpunkte des Netzwerks ermöglicht mit der verteilten Datenstruktur die Sicherung der Daten – es gibt für einen Angreifer keine zentral organisierte Datenbank, die er zu seinem Vorteil kapern (oder verändern) könnte. Allen beteiligten Knotenpunkten liegen die aktuellen Datenbestände vor. Selbst wenn ein Knotenpunkt (aufgrund eines Angriffs) ausfallen sollte, liegt die Transaktionshistorie auf den anderen Rechnern des Netzwerks vor.

Zusätzlich ermöglichen sogenannte Smart Contracts die Sicherung komplexer Interaktionen zwischen verschiedenen Entitäten im Metaversum, wie zum Beispiel Metaverse Service Providers (MSPs), Nutzern und Erstellern digitaler Inhalte. Ohne allzu tief in die technischen Details einzutauchen, soll hier der Hinweis genügen, dass es mit der Blockchain-Technologie möglich ist, sogenannte serverlose Architekturen zu errichten. Es handelt sich um ein Softwareentwicklungsmuster, das die Datenspeicherung und andere Serverfunktionen in der Cloud ermöglicht und die Entwickler davon entbindet, sich über Backend-Skalierbarkeit, Bereitstellung und viele andere IT-Funktionen Gedanken zu machen, die typischerweise mit der Entwicklung von Full-Stack-Internetsoftware verbunden sind. Dies wiederum ermöglicht die Öffnung zu einer dezentralen Rechenumgebung – namentlich der Blockchain-Technologie.

Damit der Schutz der Freiheit gelingt

Diese dezentrale Struktur ermöglicht das Konzept sich selbstverwaltender, transparent organisierter Gemeinschaften, kurz DAO (Decentralized Autonomous Organization). Smart Contracts als selbstausführende Computerprogramme kontrollieren die automatisierten Transaktionen, die wiederum von sogenannten Token-Haltern, Mitgliedern der DAO, gesteuert werden. Ein Token stellt die Umwandlung von Rechten an einem physischen oder immateriellen Vermögenswert dar, was in einer Blockchain aufgezeichnet wird. Non-Fungible Tokens haben insbesondere im vergangenen Jahr einen Hype ausgelöst – digitale Kunstwerke sind zu Höchstpreisen versteigert worden.

Der Weg zu einem demokratischen virtuellen Raum führt nach Meinung von Blockchain-Enthusiasten daher über die Blockchain-Technologie. Mit ihr sind Konzepte wie die DAO, die Einbindung von Smart Contracts, die Tokenisierung von Vermögensgegenständen und vieles mehr möglich, ohne dass Unternehmen wie die oben genannten Tech-Giganten beherrschende Strukturen aufbauen können. Damit sollen alle Teilnehmer neben der Verfügungsgewalt auch die Verantwortung für die eigenen Daten übernehmen, weil keine zentrale Instanz vorgesehen ist. Damit der Schutz der Freiheit und zugleich der Privatsphäre gelingt, bedarf es einer intensiven Auseinandersetzung mit dem, was da auf uns zurollt. Die Blockchain-Technologie ermöglicht, ja ruft geradezu nach Partizipation. Die Ausgestaltung der Regelwerke für eine Community und/oder die Gesellschaft kann mitbestimmt werden, und die vorhandene Transparenz in dem System wird Vertrauen schaffen – in die Gesellschaft und die Technologie! Eine Utopie? Nur dann, wenn wir uns passiv gegenüber dem Wandel durch das Metaversum verhalten und die neuen Herausforderungen, die auf uns zukommen, nicht annehmen.

Katarina Adam

Prof. Dr. Katarina Adam lehrt Corporate Finance, Accounting und Controlling an der HTW Berlin. Sie ist Gründerin der Simlinck UG, eines Start-ups, das einen blockchainbasierten Immobilienausweis und einen Marktplatz für die Immobilienbranche anbietet.