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Rotary Aktuell

Zurück zum Ursprung

Rotary Aktuell - Zurück zum Ursprung
Frank Ehlers © Privat

Mit sieben Schwerpunkten erscheint Rotary nach außen hin als eine Art Gemischtwarenladen. Konzentrieren wir uns doch auf unsere Herkunft, den Beruf.

Frank Ehlers01.10.2022

Im Juli schrieb Alexander Ehlers, amtierender Governor von D1842, in dieser Rubrik: „Rotary ist eine humanitäre Organisation, eine NGO, die weltweit mit humanitären Projekten versucht, die Welt ein Stückchen besser zu machen.“ Diese Aussage ist meiner Meinung nach richtig und falsch zugleich. Richtig ist, dass Rotary in den letzten Jahrzehnten die humanitäre Hilfsbereitschaft immer mehr in den Vordergrund gestellt hat. Damit einher ging die Ausweitung der Projektfelder. Erst vor Kurzem noch wurde Umweltschutz als siebter Schwerpunkt aufgenommen. Keiner der anderen bekannten Serviceclubs hat so viele Schwerpunkte wie Rotary. Die überwiegende Mehrzahl beschränkt sich auf ein oder zwei, siehe auch Rotary Magazin 09/2021, S. 21. Damit hat sich Rotary in meinen Augen zu einem „Gemischtwarenladen“ ohne Profil entwickelt und reiht sich nun ein in die Vielzahl ähnlich gelagerter NGOs. Kein Wunder, dass es immer schwieriger wird, neue Mitglieder zu werben: Andere Möglichkeiten, sich humanitär zu engagieren, sind zahlreich.

Willkommenes Diskussionsthema für das nächste …

Für falsch halte ich die Aussage von Alexander Ehlers, dass genau dies Rotary sei. Rotary wurde als eine Gemeinschaft von Menschen gegründet, die sich zum Ziel setzten, durch Vorleben von hohen ethischen Grundsätzen andere zu animieren, es ihnen gleichzutun, und somit das Miteinander im Berufsleben und darüber hinaus in der Gesellschaft generell toleranter, fairer, anständiger und freundschaftlicher zu entwickeln. Natürlich ergibt sich aus diesem Selbstverständnis auch, dort zu helfen, wo es notwendig ist. Das ist aber die Folge dieser Einstellung, nicht der Auslöser.

Wenn ich Ihnen heute die Frage stellen würde: „Wofür steht Greenpeace?“, so käme als Antwort umgehend: Umweltschutz. Auf die Frage „Wofür steht Amnesty International?“ würde jeder antworten: Menschenrechte. Aus jüngster Zeit kennen Sie natürlich das Ziel von Fridays for Future – Klimaschutz. Und nun beantworten Sie bitte mit einem Begriff die Frage: „Wofür steht Rotary?“ Stellen Sie diese Frage mal in Ihrem Club. Die Vielzahl der unterschiedlichen Antworten wird Sie überraschen und vermutlich erschrecken. Dies könnte aber mal eine willkommene Gelegenheit sein, untereinander über das Selbstverständnis von Rotary und dem Ihres Clubs zu diskutieren.

Mir ist schon klar, dass Rotary weltweit in sehr unterschiedlichen Facetten gelebt wird und dass die RI-Zentrale in Evanston diesen Unterschieden Rechnung tragen muss. Trotzdem bin ich persönlich davon überzeugt, dass sich Rotary wieder auf seine Wurzeln besinnen sollte, um sich mit seinem früheren Alleinstellungsmerkmal, der Berufsethik, von allen anderen NGOs zu unterscheiden. Damit keine Missverständnisse entstehen: Bei der Berufsethik geht es nicht um die moralische Vorherrschaft, sondern um das Vorleben dessen, was man heute noch dem „hanseatischen Kaufmann“ zuschreibt: Anständigkeit gegenüber jedermann. Nicht die Hilfsbereitschaft sollte im Vordergrund stehen, sondern die Vier-Fragen-Probe, die ich hier bewusst nicht aufführe, denn jedes Rotary-Mitglied sollte sie kennen und verinnerlicht haben.

… Clubmeeting: Wofür steht Rotary eigentlich?

Die Betonung dieser Werte hindert uns nicht daran, tatkräftige Hilfe zu leisten. Sie soll aber verhindern, dass wir uns verzetteln, und lieber dafür sorgen, dass wir uns auf das konzentrieren, wo wir die meiste Kompetenz haben, nämlich das Thema Beruf. Es ist keine neue Erkenntnis, was allen Ländern in ihrer Entwicklung am nachhaltigsten hilft: Bildung und Ausbildung. Das beginnt bereits im Kindesalter und endet eigentlich nie. Damit bewegen wir uns durchaus in dem von RI leider sehr weit gesteckten Rahmen, denn einer der Schwerpunkte ist definiert als „Elementarbildung, Lesen und Schreiben“, und auch der Schwerpunkt „Kommunale Wirtschaftsentwicklung“ passt. Wenn diese Konzentration aus den oben genannten Gründen Rotary International schwerfällt: Was hindert uns in Deutschland und Österreich daran, auf diesem Weg voranzugehen und den Berufsdienst als unseren Schwerpunkt auszubauen? Es ist noch gar nicht so lange her, dass der ehemalige RI-Präsident John Kenny (2009/10) sagte: „Ich bin der festen Überzeugung, dass der Berufsdienst einer der wichtigsten Gründe dafür ist, dass Rotary International seit 104 Jahren so erfolgreich ist.“ Meines Wissens gibt es keinen anderen Serviceclub, der sich den Berufsdienst als Schwerpunkt gesetzt hat und sich der Berufsethik verpflichtet fühlt.

Ohne Alleinstellungsmerkmal, das auch regelmäßig in die Öffentlichkeit transportiert werden muss, wird Rotary es zukünftig schwer haben, sich in der Masse der Serviceclubs und NGOs zu behaupten.

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