Dresden
Zwanzigster Geburtstag einer einzigartigen Idee
Vor genau 20 Jahren hat Lutz Kittelmann mit Freunden das Rotary-Orchester Deutschland gegründet - der Beginn einer beispiellosen Erfolgsgeschichte.
Lutz Kittelmann freut sich über eine kurze Verschnaufpause im Jubiläumsjahr. Im Mai und Juni hat das Rotary-Orchester seine ersten beiden diesjährigen Konzerte gegeben, am 15. Oktober steht das große Jubiläumskonzert zum 20-jährigen Bestehen des Orchesters an – in Breslau. Alle Orchestermitglieder müssen informiert und instruiert werden, eine der vielfältigen Aufgaben des Orchesterdirektors Kittelmann.
Schon als Kind war für ihn klar: „Musiker ist der schönste Beruf der Welt.“ Als Sohn eines Geigers verbrachte er die meiste Zeit unter Musikern und lernte so die vielen Facetten dieses Berufes auf und hinter der Bühne kennen. Seit seinem siebten Lebensjahr spielt er selbst Geige. Schon da war für ihn klar, was er später einmal werden wollte.
Doch nach dem Abitur 1959 in Kassel kam es anders. Kittelmann entschied sich, zuerst den Wehrdienst zu absolvieren. Aufgrund seines jungen Alters schlug ihm die Bundeswehr vor, die zwölfmonatige Pflichtzeit freiwillig um sechs Monate zu verlängern. So konnte er in den Rang eines Reserveoffiziers aufsteigen.
Mit dieser Entscheidung stellte er die Weichen für seinen Berufsweg neu. Begeistert von den Möglichkeiten, Menschen zu motivieren, hatte er seine zweite Berufung gefunden. 35 Jahre konnte er so seine Dienstzeit mit vielen unterschiedlichen Führungsaufgaben ausüben. 13-mal zog er dafür um – zuletzt nach Dresden, wo er 1994 als Oberst aus dem aktiven Dienst der Bundeswehr ausschied.
rund 800 clubs angeschrieben
In seinen letzten Dienstjahren reifte in ihm der Gedanke, sich nach seinem Abschied von der Bundeswehr wieder ganz auf die Musik zu konzentrieren. Zugleich entwickelte er Ende 1994 die Idee, ein rotarisches Sinfonieorchester für Benefizauftritte zu gründen. Kittelmann ist Mitglied des RC Dresden-Goldener Reiter, ein Club, der sich damals erst gegründet hatte und voller Tatendrang steckte. Den Club konnte er für sein Vorhaben begeistern, hieß es doch damals, alle 800 Clubs anzuschreiben und bei Erfolg die festgesetzen Proben vom 3. bis 9. Juni 1996 auch durchzuführen. Bereits im Sommer 1995 lagen 69 Anmeldungen vor. Kittelmann konnte mit einigen kleinen Ergänzungen ein Sinfonieorchester für das erste Treffen zusammenstellen. „Ich hatte Glück, es hätten sich auch 69 Kontrabassisten anmelden können“, sagt Kittelmann.
Experiment gelungen
Am 3. Juni 1996 kamen die eingeladenen Amateurmusiker erstmals in Dresden zusammen – unter der Leitung von Jörg-Peter Weigle, Chefdirigent der Dresdner Philharmonie. Weigle hatte Kittelmann schon in der Ideenphase unterstützt. Das Experiment gelang, mehr als 70 Individualisten intonierten ein Klangerlebnis. In dieser Stimmung wurde die Gründung des Rotary-Orchesters beschlossen. National und international wollte es Einladungen von Rotary Clubs folgen, bei ihnen proben und das erarbeitete Programm in Benefizkonzerten aufführen. Aufgrund der großen Nachfrage aus den Clubs wurden daraus drei feste Termine pro Jahr.
Heute zählt das Orchester 85 aktive Mitglieder, eine Mischung aus Rotariern und ihren Angehörigen sowie Inner Wheelerinnen und Rotaractern. Kittelmann steht mit allen Mitgliedern regelmäßig in Kontakt und prüft, wer für die Jahresplanung zur Verfügung steht. Er weiß: „Wer sich zu Beginn des Jahres angemeldet hat, verteidigt dies in der Regel gegen alle Anfechtungen nach dem Motto: beruflich alles rechtzeitig ordnen und nur nicht krank werden.“
„Wir wollten von Anfang an die Familienmitglieder der Musiker mit einbeziehen“, sagt Kittelmann. Zu den Vorbereitungen auf die Konzerte in den einzelnen Städten können deshalb auch Angehörige mitreisen. Zwischen den Proben bleibt Zeit für gemeinsame Aktivitäten. Wohlfühlen heißt die Devise, auch darum kümmert sich Kittelmann in Abstimmung mit den einladenden Clubs. Damit alles klappt und die Konzerte ein Erfolg werden, hat er einen Leitfaden für Veranstalter entwickelt.
Arbeit im hintergrund
Nach dem Konzert heißt für Kittelmann vor dem Konzert. Er muss neue Programmabsprachen treffen, Informationen nebst individuellen Notenpäckchen an die Mitglieder schicken, Veranstaltungsorte besichtigen, Absprachen treffen, Unterkünfte reservieren und vieles mehr. Kittelmann erledigt dies alles im Hintergrund, damit sich sein Orchester auf die Musik konzentrieren kann. Mit Beginn der Proben können die Amateurmusiker ganz in die Welt der Musik abtauchen. Manch einer vergisst dann für fünf Tage die Berufswelt daheim.
Seit 2004 leitet Rasmus Baumann (RC Gelsenkirchen-Buer) die Proben und Konzerte. Als Dirigent und Generalmusikdirektor der Neuen Philharmonie Westfalen ist er der Profi im Team. Gemeinsam arbeiten alle auf drei Konzerte im Jahr hin. Kittelmann spielt selbst die Bratsche. „Bei der Generalprobe warten alle stets auf den erlösenden Satz von Rasmus Baumann: Ich habe ein gutes Gefühl!“, sagt Kittelmann.
Die Förderung des Nachwuchses ist ständig Thema. Er hält auch Augen und Ohren offen, um neue Talente für das Orchester zu entdecken. Potenzielle Kandidaten lädt er zu den Probentagen ein, um zu sehen, wie das gesamte Orchester reagiert.
RYLA-Orchesterseminar gegründet
Im Jahr 2004 wurde das RYLA-Orchesterseminar ins Leben gerufen. Bis zu sechs junge Leute erhalten die Chance, gemeinsam mit dem Orchester von der ersten Probe bis zum Konzert zu spielen. So erleben die Jugendlichen, mit welcher Anstrengung und Konzentration, aber auch mit welcher Freude miteinander gearbeitet wird. Diese Erfahrung ist prägend und wird positiv mit Rotary verbunden.
Kittelmann freut sich, was sich aus seiner Idee entwickelt hat. „Es war“, sagt er, „die beste Idee meines Lebens.“ Das Rotary-Orchester hat bisher 800.000 Euro für den guten Zweck eingespielt.
Lutz Kittelmann wurde 1940 in Rostock als Sohn eines Geigers geboren. Nach dem Abitur leistete er seinen Wehrdienst und schlug die Offizierslaufbahn ein, die er 1994 im Rang eines Obersts beendete. Von da an widmete sich Kittelmann nur noch der Musik. 1996 rief er gemeinsam mit Freunden das Rotary-Orchester ins Leben. Seit 2001 ist es ein gemeinnütziger Verein. So lässt sich der Wunsch realisieren, den Reinerlös der Konzerte in vollem Umfang dem ausgewählten Projekt des einladenden Clubs zu Verfügung zu stellen. Alle anfallenden Kosten für Reise, Unterbringung und Verpflegung trägt das Orchester selbst. Es ist bis 2020 ausgebucht.
©Bild: Sven Doering