Über das Wildfleisch als Baustein einer gesunden Ernährung
»Wertvolles Eiweiß und wichtige Spurenelemente«
Obwohl die Jagd die älteste Art der Nahrungsbeschaffung des Menschen ist, steht sie in jüngster Zeit unter massivem Druck. Die Beiträge des Titelthemas im Oktober setzen sich mit der Kritik der Tierschützer auseinander. Sie erläutern, warum Jagd notwendig ist, und hinterfragen zugleich, was sich an der traditionellen Art des Jagens ändern muss, damit das Waidwerk eine Zukunft hat.
Die ursprüngliche Nahrungsbeschaffung des Menschen war die Jagd. Welche Rolle spielte das aus medizinischer Sicht im historischen Vergleich zur Gegenwart der zivilisierten Gesellschaft in Mitteleuropa?
Der Mensch war in der Lage, hauptsächlich pflanzliche Nahrung wie Beeren, Wurzeln, Früchte, Blätter, Pilze und Wildtiere, Fische, Eier oder auch Reptilien zu sammeln und zu jagen. Das, was die Erde und die Umwelt zur Verfügung stellte. Je nachdem wie erfolgreich die Jagd war, variierte auch der Fleischanteil, z.B. wenn Großwild erbeutet worden war. Eine derartige Ernährung war insgesamt extrem hochwertig, das Fleisch von Wildtieren enthält wertvolles Eiweiß, wichtige Spurenelemente und verschiedene Vitamine in hoher Konzentration.
Die Ernährung heute erstreckt sich zum größten Teil aus industriell veränderten Fetten und Zuckern, das Fleisch überwiegend aus Massentierhaltung mit den entsprechenden Zahlen. Bezogen auf den Fleischanteil war die Ernährung früher – da sie überwiegend aus Jagdbeute, d.h. Wildtieren und gegebenenfalls auch Fischen bestand – viel hochwertiger und damit auch gesünder. Hinzu kommt, dass wir das Obst und Gemüse heute überwiegend in Monokulturen gewinnen. Dadurch verringert sich die Mineral- und Vitaminkonzentration in diesen Lebensmitteln ganz erheblich.
Natürlich heißt das eben Gesagte nicht, dass das Fleisch in der heutigen Zeit qualitativ nicht gut wäre. Allerdings ergeben sich auch durch die Fleischverarbeitung erhebliche ökologische Probleme, z.B. Monokulturen in Feld und Flur oder auch ein hoher Düngemittel- und Energieverbrauch. Um dem entgegenzuwirken, wäre es sicher ein guter Beitrag, insbesondere zur Ökologie und Gesundheit der Menschen, in der heutigen Zeit mehr Wildfleisch zu verzehren.
Wechselnde und immer wieder andere Trends haben großen Einfluss auf Leben und Verhalten der Menschen dieser Zeit. Überall ist von der fleischlosen Ernährung als zunehmendes Verhaltensmuster die Rede. Ist das vegetarische oder sogar vegane Leben gesünder?
Fleischlose Ernährung ist zwar ein Trend der Zeit, aber als der Mensch noch als Sammler und Jäger, bzw. Fischer tätig war, gab es Zeiten und Regionen, wo Jagd eigentlich nicht möglich war und wo der Mensch sich alleine vom Sammeln vegetarischer Lebensmittel ernähren musste. Dieser Zustand dauerte häufig Monate bis manchmal sogar Jahre und hat dem Menschen in seiner Entwicklungsphysiologie nicht geschadet. Es gibt zwar einige Untersuchungen, die behaupten dass Menschen sich unter dieser Lebensweise in der Steinzeit schlechter entwickelt hätten was Körperkonstitution etc. angeht. Neurostudien können diese aber nicht belegen.
Vegetarische Kostformen haben zweifellos gesundheitliche Vorteile. Man weiß, dass bei rein vegetarischer Lebensweise das Körpergewicht der Menschen niedriger ist. Studien haben gezeigt, dass die Sterblichkeit zwischen Vegetariern und Nichtvegetariern nicht unterschiedlich ist, dass aber die Erkrankungshäufigkeit bei bestimmten Volkserkrankungen wie z.B. Bluthochdruck oder Diabetes bei Vegetariern um 20 Prozent niedriger sind. Andererseits kann es bei vegetarischen Kostformen aber auch zu Defiziten an Energie, Mineralstoffen, Proteinen und gegebenenfalls auch Vitaminen kommen. Bekannt ist auch, dass Veganer eine niedrigere Proteinaufnahme haben und die Versorgung mit Mineralstoffen und Spurenelementen wie Kalzium, Zink und Selen sowie Vitamin D, K und Magnesium häufig nicht ausreichend ist. Das gleiche gilt für die Vitamine aus der B-Gruppe.
Wodurch zeigt sich eine ausgewogene Ernährung – unter anderem mit der Folge des Aufbaus und Bewahrung körperlicher Widerstandskraft – aus?
Als Ernährung bezeichnen wir die Gesamtheit der verzehrten Nahrungsmittel. Eine ausgewogene Ernährung setzt sich erstens aus Makronährstoffen, d.h. den bekannten Energielieferanten Eiweiß, Fett und Kohlenhydraten, zusammen und zweitens aus Mikronährstoffen, das sind vorwiegend Vitamine und Mineralstoffe. Darüber hinaus sollte sie noch Ballaststoffe und Wasser enthalten. All diese Nahrungsbestandteile haben im Organismus sowie für den Aufbau und für die Arbeit des Organismus eine besondere Bedeutung.
Eine ausgewogene Ernährung muss die genannten Bestandteile in ausreichender Anzahl enthalten. Fehlt in der Ernährung ein oder gar mehrere Bestandteile, z.B. Vitamine oder Spurenelemente, so macht sich das nach einer gewissen Zeit durch Funktionsstörungen im Organismus bemerkbar.
Das Wildfleisch ist jedermann zugänglich, es kommt aus der ortsnahen Jagd und/oder in vielen Kühltheken auch aus anderen Ländern. Was sollten Verbraucher beachten, wenn sie Wildfleisch für die Küche kaufen?
Lebensmittelhygienisch einwandfreies Wildfleisch ist ein hochwertiges Lebensmittel und liegt voll im Trend zur leichten, fettarmen, aber biologisch vollwertigen Küche. Wildfleisch unterscheidet sich ernährungsphysiologisch von dem Fleisch der Schlachttiere durch einen erheblich geringeren Fettanteil und einen höheren Eiweißanteil. Wildbret ist kalorienarm, reich an Mineralstoffen wie Kalzium, Eisen, Phosphor sowie an Vitaminen der B-Gruppe. Im Allgemeinen ist das Wildbret sehr bekömmlich und leicht verdaulich, sodass Wildfleisch nicht nur durch seinen Geschmack, sondern vor allen Dingen aufgrund der fairen und nachhaltigen Erzeugung und der Qualität einen festen Stellenplatz in der Nahrung haben sollte. Das Wildfleisch vom Rehwild, vom Schwarzwild und den Niederwildarten kommt häufig aus deutschen Revieren, wobei das Rotwildfleisch zu 80 Prozent aus Neuseeland importiert wird.
Die heimischen Jäger tragen die Verantwortung dafür, dass das Fleisch qualitativ hochwertig ist. Und die Jäger, die das Fleisch vermarkten, müssen eine Schulung durchlaufen, bevor sie das Fleisch kommerziell abgeben. Frische Ware erkennt man häufig an der dunkelroten Farbe, aber es lohnt sich, nach dem Erlegungszeitraum und gegebenenfalls, auch wenn es heimatnah ist, auch nach dem Jäger zu fragen, der das Fleisch in Umlauf gebracht hat.
Aktuell wird in der Jagdpolitik die Einführung bleifreier Munition verpflichtend angestrebt. Worüber reden wir bei dieser Diskussion, und was können Sie zum Thema angenommener toxischer Wirkung sagen?
Bei dem Thema Blei gilt in erster Linie der alte Pharmakologensatz „Die Menge macht das Gift.“ Unsere Umwelt und besonders die Bevölkerung ist erheblich durch Blei belastet, was bekannterweise aus dem Trinkwasser kommt, bzw. aus den Trinkwasserleitungen, darüber hinaus durch das Blei, das durch das Benzin in die Umwelt eingeschleust wird. Außerdem ist es ein Nebenprodukt vieler Müllverbrennungsanlagen, und nicht zuletzt wird es auch durch die Nahrung, z.B. über das Korn, in den menschlichen Organismus eingeschleust.
Hohe Bleikonzentrationen im Organismus wirken sich zweifellos nicht günstig aus. Diese hängt einerseits von der Wohnumgebung ab, andererseits vom Beruf und auch von der Ernährung. Um hier eine klare Aussage zu bekommen, hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BFR) zum 1. Mai 2012 ein Projekt mit dem Thema „Untersuchung der Hintergrundbelastung von Blei im Wildbret sowie des Eintrages von Munitionsfragmenten in das Wildbret“ gestartet. Hier wird es sicher interessant sein, die Studienergebnisse zu analysieren. Aus medizinischer Erfahrung würde ich sagen, dass zumindest ein gelegentlicher Verzehr von Wildbret sicher keine Gefährdung auch für Risikopatienten darstellt. Kleinkinder und Schwangere sollten bekanntermaßen nicht täglich Wildbret essen.
Letztendlich ist diese Frage wahrscheinlich überflüssig, weil bleihaltige Jagdmunition sicherlich in Deutschland und z.B. auch in Österreich in der Zukunft verboten wird. Hier gibt es zur Zeit noch unterschiedliche Übergangsregelungen, aber ich glaube, dass die Entscheidung in der Sache sicher schon gefallen ist.
Sie sind passionierter Jäger. Was ist dabei für Sie ausschlaggebend? Was treibt Sie an, und worauf achten Sie insbesondere, wenn Sie das berufliche Wissen mit Ihrer Passion in der Praxis verbinden, wenn Sie zur Jagd gehen?
Ich bin in einem sauerländischem Forsthaus aufgewachsen, dadurch ist meine Passion und die Art der Jagdausübung besonders geprägt worden. Die Jagd muss für mich bodenständig sein und Freude bereiten. Jagd bedeutet für mich nicht, dass die Erlegung des Wildes im Mittelpunkt steht, sondern Jagd ist generell das Abenteuer drum herum.
Ein guter Jäger muss Passion aufbringen, dass gleiche gilt für einen guten Arzt. Jagd ist für mich das komplette Eintauchen in die Natur und – zumindest stundenweise – das Gefühl, ein von ihr zu sein und in ihr zu leben. Aus jagdlichem Erleben und jagdlicher Tätigkeit kann man auch Kraft für den Beruf schöpfen und persönliche Eigenschaften entwickeln wie z.B. innere Gelassenheit, genaues Beobachten und schnelle Reaktionsfähigkeit, die auch mein Arztberuf verlangt.
Jagd bedeutet aber auch, sich zur Jagdausübung zu bekennen, diese mit allen Vor- und Nachteilen einzugestehen. Und Jagd bedeutet auch – davor können sich die Jäger heute nicht verschließen und tun es auch nicht –, ökologisch zu handeln. Genau wie ich als Arzt in einem Krankenhaus interdisziplinär arbeite, d.h. mit anderen Fachrichtungen zusammenarbeite zum Wohle des Patienten, muss auch der Jäger bereit sein, „interdisziplinär“ mit Forstbeamten, Landwirten und der Bevölkerung zusammenzuarbeiten zum Wohle der Natur.
Hinsichtlich der Ernährung essen wir zuhause seit vielen Jahren fast nur Wildfleisch und sind begeistert von der Qualität des Fleisches und vor allem von der Vielfältigkeit, die aus dem hochwertigen Wildbret erzeugt werden kann, vom Rehschnitzel bis zur Wildschweinwurst ist alles möglich. Ich bin gerne Jäger!