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Hans Hatt, RC Bochum-Rechen

Immer den richtigen Riecher

Wussten Sie, warum Angstschweiß sympathisch macht, wie viele Buchstaben das „Duft-Alphabet“ hat und weshalb der Wein im Urlaub besser schmeckt? Hanns Hatt weiß es auf jeden Fall. Denn der Professor an der Fakultät für Biologie und Inhaber des Lehrstuhls für Zellphysiologie der Ruhr-Universität Bochum ist „der Riechexperte der Nation“ (DasErste.de).

Insa Fölster16.08.2013

Schon als Kind war er ständig in der Natur unterwegs. „An der Haustür musste ich meine Hosentaschen ausleeren, um die Tiere herauszuholen“, sagt der Riechforscher. Seine Vorlieben sind bis heute geblieben. Hanns Hatt studierte Biologie, Chemie und Humanmedizin, promovierte in Biologie und Medizin und habilitierte sich schließlich in Physiologie. Als Professor am Lehrstuhl in Bochum entschlüsselte er zum Beispiel den ersten menschlichen Riechrezeptor und zeigte, dass so ein Rezeptor in der Nase Duft erkennen kann. „Es gibt keinen duftfreien Raum“, sagt Hanns Hatt. „Die Nase schläft nie und analysiert die Luft 24 Stunden Tag und Nacht ein Leben lang.“ Im Zug oder Flugzeug ist es ein Hobby des Riechforschers, die Leute nicht nur anzuschauen, sondern auch „anzuriechen“. Dadurch erhält er viele emotionale Erkenntnisse. „Wenn man jemanden nicht riechen kann, ist es sehr schwer, sich darüber hinwegzusetzen“, sagt er.

Düfte wirken auf vielen Ebenen

Den Verlust des Riechvermögens im Alter kann man hinauszögern. Die Expertenempfehlung für Anti-Aging-Training und Gehirnjogging: Dreimal am Tag Riechübungen, zum Beispiel beim Frühstück am Kaffee, an den Brötchen oder am Nutellaglas, im Badezimmer an der Zahnpasta oder am Deo. Natürlich legt Hanns Hatt selbst im Alltag auch „sehr viel Aufmerksamkeit auf die Duftwelt“. Er kocht leidenschaftlich gern und bindet dabei besonders die duftenden Zutaten mit ein. Die Terrasse seiner Bochumer Jugendstilvilla steht voll mit Gewürztöpfen. Auf den Tisch kommen zum Beispiel Gerichte mit Zitronengras, Minze, Knoblauch und Rosmarinkartoffeln. Dazu lädt er sich gern auch einmal Freunde ein. Denn die sind ihm wichtig: „Es gibt keine bessere Art zu entspannen als mit alten Freunden“, sagt er. Einmal in der Woche spielt der 66-Jährige Fußball. Auch dort in der Kabine komme es zu „besonderen Dufterlebnissen“. „Jeder Mensch“, sagt Hanns Hatt, „hat ein eigenes Parfum, das sein Körper abgibt.“ Der Reiz an seiner Arbeit mit Düften liegt in der Vielschichtigkeit: „Düfte wirken auf so vielen Ebenen in unserem Körper.“ Hanns Hatt arbeitet viel mit Psychologen, Marketingforschern und der Parfum- und Kosmetikindustrie zusammen. Immer die Frage im Hinterkopf: Wie kommunizieren Menschen über Duft?

Sein größtes Ziel auf Wissenschaftsebene ist es, „die Menschen darüber aufzuklären, dass einige der 350 Riechrezeptoren überall im Körper vorkommen und zukünftig für Diagnostik und Therapie von Krankheiten genutzt werden können.“ Pro Jahr hält der Präsident der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste über 100 Vorträge. Es ist die Hoffnung auf einen dieser einzigartigen Momente eines Wissenschaftlers, die seine Leidenschaft niemals stillstehen lässt. Einen Moment, in dem er mit seiner Forschung wieder etwas Neues beweisen kann – so wie damals, als er den ersten menschlichen Riechrezeptor entschlüsselte. „Diese Erlebnisse“, sagt Hanns Hatt, „machen süchtig.“
Insa Feye