Interview
Der Bilderbuch-Bratschist
Das Herz von Jost Thöne schlägt für Streichinstrumente, der Händler, Publizist und Berater ist einer der führenden Stradivari-Experten. Mit großformatigen Fachpublikationen inklusive Bildern zum Ausklappen hinterlässt er wichtige Nachschlagewerke für die Nachwelt.
Jost Thöne lebt in seiner eigenen Welt. Eine Welt, die für die meisten Menschen stets geschlossen bleibt. Denn es ist eine spezielle Welt: die der hochwertigen historischen Streichinstrumente. In ihr tummeln sich ansonsten Musiker, Geigenbauer, Experten, Mäzene, Liebhaber, Sammler. Die meisten können von Jost Thöne lernen. Kaum jemand dringt so tief in Details ein wie er.
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Bis sein Name in der Branche etabliert war, musste der 61-Jährige zunächst mit seinen Ideen überzeugen, Vertrauen gewinnen am Markt. Er musste so manche unruhige Zeit überstehen und lernen, mit Ungewissheit zu leben. „Ich durfte ganz viel tragen und Fehler machen“, sagt Jost Thöne, „ich habe lange investiert – und nie gewusst, ob es klappen würde.“ Geholfen hat ihm dabei seine Leidenschaft für Musik, insbesondere für wertvolle Streichinstrumente. Und sein Sinn für das Unternehmertum.
Die Saat war gesät
Als Kind musste er oft im Musikraum seines Vaters auf ihn warten, der Musiklehrer an der benachbarten Schule war. Dort hat Jost Thöne viele Instrumente ausprobiert und Zugang zu ihnen gefunden. Und abends, wenn er schon schlafen sollte, war die Kinderzimmertür immer einen Spaltbreit auf, damit er mithören konnte, wenn sein Vater im Wohnzimmer Hausmusik machte. Die Saat war längst gesät. Nach dem Abitur studierte er Deutsch und Musik auf Lehramt, entschied sich aber, das Staatsexamen nicht mehr zu machen. „Ich brauchte mehr Freiheit“, sagt Jost Thöne. Sein Vater strich ihm von heute auf morgen alle Finanzen und Thöne fing an, unternehmerisch zu denken. Um sich durchzubringen, gab er Musikunterricht und begann, Instrumente für seine Schüler zu suchen. Schließlich studierte er Musik und Viola an den Akademien in Dortmund und Münster. Nach dem Examen eröffnete er ein Geschäft für Streichinstrumente an der niederländischen Grenze und leitete anschließend verschiedene Geigenateliers in seiner münsterländischen Heimat, in Köln sowie in Italien. Dort lebte Thöne insgesamt drei Jahre.
Referenzwerke
Im Jahr 1998 gründete er den Jost Thöne Verlag und produzierte verschiedene großformatige Fachbücher über den italienischen und französischen Geigenbau der letzten vier Jahrhunderte. Schließlich war es an der Zeit, „die Königsklasse anzugehen“. Ein vorläufiger Höhepunkt seiner Verlagsarbeit war die Produktion von acht großformatigen Bänden über Antonio Stradivari. Das umfassende Werk stellt 300 Violinen, Violen und Celli in Lebensgröße dar und gilt als Referenzwerk der Branche. Um das Projekt finanzieren zu können, wurden die Publikationen in Subskription verkauft. Ein hohes Risiko für alle Beteiligten, kostet doch die komplette Buchreihe in der Library-Edition 4900 Euro. Jost Thöne hat immer wieder „wertvolle Menschen kennengelernt“, die ihm Dinge ermöglicht haben, die er „aus eigener Kraft nicht geschafft“ hätte. Gemeinsam mit einem Fotografen reiste Thöne rund um die Welt, um die Instrumente zu dokumentieren. Ein Team an Historikern half, in Archiven zu recherchieren und ein Netzwerk zu spannen, andere Kollegen schrieben Aufsätze. „Alle meine Projekte sind in Gemeinschaft entstanden“, sagt Thöne. Er liebt es, Menschen zusammenzuführen „für ein großes Ganzes“.
Bei der Pressekonferenz zur Vorstellung der Publikationen im Hotel Adlon in Berlin kam es erneut zu einer Begegnung, die sein Leben bereichern sollte. Jost Thöne traf auf einen späteren Mäzen der Alago Familienstiftung in Wiesbaden, aus der später die Art & Strings entstand. Als Teil des Teams berät Thöne mit seinen ältesten Söhnen und anderen Experten zum Thema Wertanlage im Bereich hochwertiger historischer Streichinstrumente. 2021 entstand, finanziert durch die Art & Strings, die 400-seitige Monografie des um etwa 1690 erbauten „Barjansky“-Cellos von Stradivari, die Jost Thöne aufgrund der Tiefe der Untersuchung und der wissenschaftlichen Recherche als den persönlichen Höhepunkt seiner Laufbahn als Publizist bezeichnet.
Das Verlagsgeschäft möchte Thöne künftig an seine Söhne übergeben, seine Geigensammlung verkaufen und sich auf seine Beratungstätigkeit konzentrieren. Im Moment noch von seinem Wohnsitz im Hochschwarzwald aus, in den er sich vor sechs Jahren zurückgezogen hat. Vielleicht auch von Italien aus, seiner Herzensheimat. Das nächste große Projekt ist schon in Vorbereitung: Ein Filmteam aus Hollywood wird eine Serie mit begleitender Dokumentation über das Leben von Antonio Stradivari produzieren. Jost Thöne wird das Projekt begleiten. Aus einer Ruhe heraus, die er in seinem Leben vorher nie hatte.
Insa Fölster
Zur Person
Jost Thöne (RC Hochschwarzwald) ist Geigenhändler und Stradivari-Experte. 1998 gründete er den Jost Thöne Verlag und gibt seitdem Fachbücher über den Geigenbau heraus, unter anderem Publikationen über die Werke Antonio Stradivaris. Sie gelten als Meilenstein in der Dokumentation von Streichinstrumenten. In der Art & Strings berät er Investoren zu Anlagemöglichkeiten im Bereich hochwertiger Streichinstrumente. Der Bratschist hat sechs Kinder und lebt im Hochschwarzwald.
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