Rotary Aktuell
"Mehr Interact wagen"
Im Januar vor 60 Jahren wurde der erste Interact Club außerhalb der USA gegründet. Wie steht es eigentlich um den zwölf- bis 18-jährigen Nachwuchs der rotarischen Familie bei uns?
In Deutschland und Österreich lassen Aktivität und Wahrnehmung von Interact Clubs oft zu wünschen übrig. Wir wollten herausfinden, was dahintersteckt, und haben zu einer Gesprächsrunde geladen. Mit dabei waren drei Menschen, die überzeugt sind, dass Interact eine Zukunft hat und es sich lohnt, sich dafür zu engagieren. Wie das erfolgreich gelingen kann, wenn Teamgeist vorhanden und Herzblut mit im Spiel ist, zeigen am Beispiel des Distrikts 1900 Thomas Grosch (RC Wetter-Herdecke Ruhrtal), Assistant District Governor Rotaract (RAC), Christian Möcklinghoff (RC Bochum-Hellweg), Distriktbeauftragter für Interact (IAC), sowie Felix Rost (Interact Club Bochum), Vorsitzender der Initiative Interact Deutschland und aktueller Präsident in seinem Interact Club.
Herr Grosch, hinter jedem erfolgreichen Interact Club steckt mindestens ein engagierter Rotarier. Warum lohnt es sich für Rotarier, sich mit Interact zu befassen?
Grosch: Interact und Rotaract sind unsere rotarische Jugend. Das ist grundsätzlich die Basis und man kann nicht bei Rotaract aufhören. Wir merken, was in einem Interact Club für eine Energie und für ein Elan steckt. Das kann man nicht einfach brachliegen lassen.
Und was zeichnet Interact aus?
Felix: Interact ist insofern spannend, als dass es eine Horizonterweiterung ist. Wir haben ja drei Aspekte, die wir wie Rotaract auch abdecken: „Lernen – Helfen – Feiern“. Was auch sehr viel Spaß macht, ist der internationale Aspekt. Es ist sehr spannend, sich auch mal mit anderen Ländern, mit anderen Kulturen auszutauschen.
Es ist ja so, dass das Bewusstsein für Interact leider nicht so häufig vorhanden ist.
Felix: Das ist tatsächlich so. Ich war das letzte Mal beim Barcamp bei uns im Distrikt 1900, und es haben mich wirklich sehr viele gefragt, warum ich überhaupt da bin und ob ich das Kind von jemandem bin. Sie wussten mich überhaupt nicht einzuordnen. Es gibt wirklich viele, die nicht wissen, dass es Interact überhaupt gibt.
Wie hat sich Interact im Laufe der letzten Jahre entwickelt?
Möcklinghoff: Also, an den Zahlen gemessen, ist das schwierig wiederzugeben. Man kann zwar Mitgliederzahlen benennen, aber das entspricht in Bezug auf die einzelnen Clubs niemals den Zahlen der tatsächlich aktiven Mitglieder. Der große Hemmschuh, den Interact hat, ist ja, dass diese Zeitspanne, in der sich die Kids da organisieren können, einfach unglaublich kurz ist.
Felix: Wenn ein Club gegründet wird, kümmert er sich oft erst mal nicht um weitere neue Mitglieder. Dann gibt es den Club so drei, vier Jahre, und dann gibt es keine Mitglieder mehr, weil sie zu alt geworden sind.
Du bist ja selbst so ein Fall, Felix. Du wirst in diesem Jahr 18. Habt ihr vorgesorgt?
Felix: Wir sind jetzt gerade im dritten rotarischen Jahr, und ich bin aktuell Präsident. Es sind erschreckend viele, die in diesem Jahr Abitur machen. Direkt am Anfang des Clubjahres waren wir deshalb bei allen sechs Rotary Clubs in Bochum zu Gast und haben dort Werbung gemacht, auf Instagram Themen gepostet, haben Freunde mitgenommen und einen Infoabend veranstaltet. Wir haben dadurch die Mitgliederanzahl in unserem Club fast verdoppelt. Das war eine sehr erfolgreiche Aktion, mit der wir jetzt erst mal vorgesorgt haben, was aber nicht heißt, dass wir uns zurücklehnen können.
Grosch: Es ist wichtig, dass die Rotary Clubs, die sich um ihre Interact Clubs kümmern, immer in engem Kontakt stehen und unterstützen. Aber man sollte nicht die Vorstellung haben, dass man als Rotarier leicht neue Mitglieder für Interact gewinnen kann. Man fühlt sich vielleicht jung von oben nach unten. Aber von unten nach oben sieht das anders aus. Daher ist ein guter Kontakt zu Rotaract sehr hilfreich. Dann hat man hierbei eine super Unterstützung. Auch bei einer Clubgründung ist es sehr vorteilhaft, dass man die jungen Leute von Rotaract dabeihat, einfach weil das noch eine ähnliche Denkschiene ist. Als Rotarier muss man die Interacter kontinuierlich begleiten, aber es ist keinesfalls so, dass man ständig dahinter stehen muss.
Felix, wie ist das bei euch in der Praxis?
Felix: Wir machen alles selbstständig. Wenn wir ein Problem haben, kommen wir auf Leute zu, die mehr Ahnung haben als wir. Aber unseren Clubjahresplan mit Meetings, Ausflügen und Vortragenden organisieren wir selbst. Das ist allerdings nicht automatisch immer so. Das Problem ist, dass Interacter zum Teil noch nicht erfahren genug sind, um zu sagen: „Wir haben ein Problem, wer kann uns helfen?“ Es gibt viele Clubs, die den Kontakt zu ihrem Rotary Club nicht richtig pflegen und dadurch keine Anlaufstelle haben. Da ist es auf jeden Fall die Aufgabe von Rotariern, selbst die Initiative zu ergreifen und zu gucken, läuft das, und wenn nicht, wo kann ich unter die Arme greifen.
Muss nicht bei jedem Meeting ein Volljähriger dabei sein?
Möcklinghoff: Ja, prinzipiell ist es so, dass es mit der Aufsicht erfüllt sein muss. Es muss aber nicht zwingend ein Beauftragter sein, sondern die Interacter haben ja zum Beispiel auch Gäste, die Vorträge halten, auch viele aus der rotarischen Familie. In dem Moment übernehmen sie dann offiziell diese Aufsicht. Das heißt, wir haben in Bochum ein Agreement unter den Clubs, dass die rotarischen Referenten dann die Aufsicht übernehmen, wenn keiner vom Patenclub dabei ist.
Was verbirgt sich hinter Interact Deutschland?
Felix: Das Konzept „Interact Deutschland“ hatte schon mehrere Anläufe. Es sind Interacter, die über das normale Engagement hinaus Interesse am nationalen Austausch haben. Interact ist noch nicht groß genug, um wie Rotaract auf Deutschlandebene zu arbeiten. Was wir uns auf jeden Fall auf die Fahne geschrieben haben, ist, dass wir als Anlaufstelle da sein wollen für Clubs, die Probleme haben, und vermitteln wollen zu anderen Clubs, sodass ein Austausch stattfindet und man sich gegenseitig helfen kann.
Mit welchen Themen beschäftigt sich Interact?
Felix: Wir haben dasselbe Motto wie Rotaract: „Lernen – Helfen – Feiern“. Feiern ist bei Interact ein bisschen anders, weil wir noch viele Minderjährige haben. Da sind Clubausflüge und Meetings im Fokus. Ansonsten ist es vergleichbar und von den Aktionen sehr ähnlich.
Wie bist du zu Interact gekommen, und was hat dich persönlich überzeugt?
Felix: Mein Vater ist im RC Bochum-Mark. Er hat mir erzählt, dass gerade ein Interact Club neu gegründet wird, und ob ich nicht auch Lust hätte. Da habe ich gedacht, jetzt gerade nicht, vielleicht später mal. Was für mich dann der ausschlaggebende Punkt war, ist, dass Christof „Kito“ Deinstorfer im letzten Jahr RDK-Vorsitzender, bei meinem Papa im Club vom KidsCamp erzählt hat. Und da dachte ich mir, okay, klingt doch ganz gut. Und dann bin ich da aufgetaucht und hab nicht mehr aufgehört.
Der Link zwischen Interact und Rotaract funktioniert.
Grosch: Wir haben auch deswegen das Bestreben, dass wir innerhalb des Distrikts weitere Interact Clubs gründen, weil wir den Austausch untereinander fördern wollen. Drei Clubs müssten wir hier gründen, dann können wir mal eine Distriktkonferenz machen. Das wäre ja für Interact ein tolles Erlebnis. Das heißt, es muss jetzt erst mal das Ziel sein, dass wir Interact im Distrikt ein bisschen breiter aufstellen, damit der Erfahrungsaustausch und Besuche untereinander leichter möglich sind.
Felix: Ja, auf jeden Fall. Interact hat eben das Problem, dass wir nicht so einfach lange Strecken zurücklegen können. Deswegen braucht es auf engerem Raum Interact Clubs.
Wann hat ein Interact Club die besten Chancen, ins Leben gerufen zu werden und vor allem dann auch zu bestehen?
Grosch: Dass man einen ganzen Rotary Club für die Gründung gewinnt, ohne Gegenstimmen, ist unwahrscheinlich, weil es immer irgendwo Vorbehalte gibt. Man braucht ein Team, das bereit ist, Interact eine längere Zeit zu betreuen. Und auf dieser Basis findet man dann einen sehr guten Ansatz, auch die Clubs mit ins Boot zu nehmen. Aber letztlich geht es immer von einigen wenigen aus.
Möcklinghoff: Ob ein Interact Club in einer Stadt eine gute Chance hat, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Einer der Faktoren ist, dass es eine gute Verbindungsbrücke gibt. Und die Verbindungsbrücke ist immer ein aktiver Rotaract Club. Das sind Leute in etwas höherem Alter, die immer zur Verfügung stehen, wenn man eine Frage hat, mit denen man sich zusammensetzen und gemeinsame Projekte realisieren kann. Natürlich werden wir auch gefragt, aber ich glaube, erster Anlaufpunkt ist ein guter Rotaract Club. Die zweite wichtige Bedingung ist: offenherzige Rotarier. Das ist auch eine Persönlichkeitsentwicklung, die da stattfindet. Und Rotarier müssen Lust dazu haben, das zu entzünden und das pädagogisch oder eben auch rotarisch zu begleiten.
Felix: Was sehr wichtig ist, ist Arbeit auf Augenhöhe, weil es da teilweise Hemmschwellen gibt, auf die Rotarier zuzugehen. Es wäre wichtig, dass man als Rotarier nicht auf seiner Ebene bleibt und sagt, ich habe sowieso schon alles erreicht, ihr könnt mich gerne fragen, sondern gerne auch runterkommt und sich anhört, was haben die Interacter selbst für Ideen, was sind das für Leute.
Grosch: Es ist einfach wichtig, dass man mit der Zeit eine Vertrauensbasis aufbaut. Man muss sich kennenlernen, man muss wissen, was kann ich von meinem Gegenüber erwarten. Mir macht Rotaract so wahnsinnig viel Spaß, weil ich mittlerweile so viele Rotaracter kenne und wir uns vielfältig auf Augenhöhe austauschen. Um diese Brücke zu bauen, muss man bereit sein, sich ein paar Jahre intensiv darum zu kümmern.
Herr Möcklinghoff, Sie haben Erfahrung und ein offenes Herz für Interacter. Wie kam es dazu?
Möcklinghoff: Ich bin jetzt seit etwa sechs Jahren Rotarier. Ich muss zugeben, dass ich bis zu einem gewissen Punkt meiner Laufbahn von Interact ebenso wenig einen Plan hatte wie viele andere auch. Ich bin auch Beauftragter für Rotaract in unserem Club. Da kam eine E-Mail von den Rotaractern bezüglich eines Interact Clubs in Duisburg. Im Schlusssatz dieser E-Mail stand: „Wär doch auch eine schöne Idee, so etwas auch in Bochum zu haben.“ Und da haben die bei mir ein Knöpfchen gedrückt. So was mag ich total gerne. Wenn es etwas noch nicht gibt und das von Herzen gut ist, dann erwächst in mir eine Energie. Ich habe mich schlau gemacht und hatte sehr große Unterstützung vom Rotaract Club. Und dann ging der Interact Club in eineinhalb Jahren in die Charter. Das Ganze beginnt mit dem Wissen. Und das möchten wir jetzt vermitteln. Wir sind gerade von den sechs Dortmunder Clubs gebeten worden, beim Präsidententreffen eine Online-Informationsveranstaltung zu machen, um den Clubs zu erzählen, was Interact ist. Ich bin mir sicher, dass es da ganz viele geben wird, die genauso viele Fragenzeichen auf der Stirn haben, wie ich sie gehabt habe. Man muss ja immer die Bedenkenträger abholen. Dafür sind solche Info veran stal tun gen wichtig.
Wenn Sie die Bedenkenträger überzeugt haben, was muss ein Rotary Club dann tun, um einen Club zu gründen?
Möcklinghoff: Der charternde Club ist in der Regel ein Rotary Club, der Interesse daran hat, Verantwortung zu übernehmen im Sinne einer fortlaufenden Clubbetreuung. Man braucht ein Team von drei bis vier Rotariern, die sich gemeinschaftlich für die engere Betreuung der Interact Clubs zur Verfügung stellen werden. Diese Leute muss man entzünden. Wenn der Club sich nicht dagegen sperrt, dann sind diese vier Leute der Motor, und die haben dann die Möglichkeit, alles Weitere in die Wege zu leiten. Rotaract muss in meiner Wahrnehmung von der ersten Minute an mit eingebunden werden. Dann braucht man ein Startteam. Das ist eine positive Auswahl von Menschen, die alle Lust haben, was zu bewirken. Das sind Empathieträger, das sind sehr fürsorgliche Menschen, die gerne geben und gerne etwas zusammen bewirken.
Worauf kommt es bei der Clubgründung rein organisatorisch an?
Möcklinghoff: Entscheidend ist, dass man zunächst einmal Akquise betreibt. Über eine Infoveranstaltung bekommt man dann eine erste Gruppe von Menschen. Man muss dann als Patenclub gucken, ist das eine Personenanzahl, die ausreicht, um nach den Statuten eine Gründung zu ermöglichen. Offiziell müssen es mindestens zwölf Leute sein. Wenn man diese „Startkombo“ zusammenhat, kommt der bürokratische Teil. Grosch: Eine wichtige Sache ist noch, sich möglichst früh Gedanken darüber zu machen, wo man tagen will. Möglichst zentral erreichbar, damit die jungen Leute nicht von einem Ende der Stadt zum anderen anreisen müssen.
Was sind Stolperfallen bei der Clubgründung?
Felix: Zu wenig Interacter. Denn dann kommt nichts ins Rollen. Und als Rotarier einen Punkt zu finden, loszulassen, um die Interacter einfach selbst etwas organisieren zu lassen. Und wenn es nichts wird, wird es nichts. Dann sehen sie selbst, was sie anders machen müssen.
Möcklinghoff: Wenn man die Kinder nicht machen lässt, dann steckt da von Erwachsenenseite die Sorge hinter, da könnte etwas passieren bezüglich der Aufsichtspflicht. Dieser Sicherheitsaspekt war in unserem Club ein großer Faktor. Wie ist es mit der An- und Abreise zum Veranstaltungsort? Wie ist das mit dem Versichertenstatus bei einer Hands-on-Aktion? In dem Moment, in dem man dann sagen kann, die Interacter sind mit einer Versicherung über Rotaract für diese Fälle abgesichert, legen viele schon ihren Bedenkenblock zur Seite.
Gibt es einen übergeordneten Ansprechpartner?
Felix: Bei Interact Deutschland, also bei uns. Möcklinghoff: Oder national bei der Beauftragten des Deutschen Governorrates für Rotaract und Interact. Wenn es darum geht, dass jemand eine Idee hat und möchte die gern rotarisch besprechen, würde ich für so ein Gespräch zur Verfügung stehen. Das, was wir allerdings nicht wollen, ist, an Funktionen vorbei kontaktiert zu werden und dass es nachher heißt, wieso, dafür haben wir doch jemanden. Grosch: In den Distrikten gibt es auch Interact-Beauftragte. Sie sind Ansprechpartner in allen Fragen rund um Interact und helfen auch mit ihren Kontakten weiter.
Wie lautet Ihre Botschaft an die Rotaracter und Rotarier bei uns im Land?
Felix: Bekommen Sie ein Bewusstsein für die Existenz von Interact und für das Potenzial von Interact. Seien Sie offen für eine Arbeit auf Augenhöhe.
Grosch: Ich würde es einfach mit zwei Wörtern sagen: Jung denken! Möcklinghoff: Rotary muss mehr Interact wagen, sodass wir irgendwann in Bezug auf Interact kein „Entwicklungsland“ mehr sind.
Wie stellen Sie sich Interact in zehn Jahren vor?
Möcklinghoff: Wir haben ungefähr 30 Prozent mehr Interact Clubs in Deutschland. Dann wird das auch mit der Städtevernetzung innerhalb der Interacter spannender. Und mit dir, Felix, möchte ich zusammen versuchen, einen Teil der eingeschlafenen Clubs wieder aus dem Schlummerschlaf zu befreien. Das wäre für mich eine Vision für den Zeitraum der nächsten zehn Jahre. Felix: Ein Traum wäre natürlich, wenn die Clubs, die es jetzt gibt, in zehn Jahren auch noch existieren, weil ein großes Problem der Erhalt von Interact Clubs ist. Natürlich wünsche ich mir insgesamt mehr Interact Clubs und dass wir von der Anzahl her ein bisschen international mitziehen und nicht so hinterherhängen.
Grosch: Meine Vision in Bezug auf Interact wäre, den Gedanken Interact an die Schulen zu tragen. Es entstehen tolle Möglichkeiten dadurch, dass man an den Schulen ein Bewusstsein für Interact schafft. Dass man den jungen Menschen für einen bestimmten Zeitraum Unterstützung gibt, dass sie sich selbst entwickeln können, dass sie Verantwortung übernehmen können, ihre Ideen umsetzen können in einer Gemeinschaft.
Nähere Infos: interact-club.de und rotary.at/interact
Weiter Erfahrungsberichte: rotary.de/a21214
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