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Porträt

Die interdisziplinäre Kulturmanagerin

Porträt - Die interdisziplinäre Kulturmanagerin
Elisabeth Schweeger fungiert als Vernetzerin zwischen den Gemeinden im Salzkammergut und setzt auf eine nachhaltige Veränderung. © Die arge Lola/Kai Loges + Andreas Langen

Ohne familiäre Wurzeln im Salzkammergut und das damit verbundene Verständnis für die Mentalität der Menschen in der Region hätte sich Elisabeth Schweeger die Aufgabe nicht zugetraut, 23 Gemeinden im Salzkammergut auf ein gemeinsames Kulturprojekt einzuschwören.

01.02.2023

Es bewegt sich etwas aufeinander zu im Salzkammergut, angestoßen durch das kulturelle Großprojekt „Kulturhauptstadt Bad Ischl – Salzkammergut 2024“. Dessen Künstlerische Leiterin Elisabeth Schweeger (RC Bad Ischl) kommentiert das so: „Ich finde es ganz besonders, dass sich 23 Gemeinden zusammengefunden haben. Die Herausforderung ist, sich miteinander zu vernetzen, ohne seine Eigenheiten zu verlieren, sich gerade in der Unterschiedlichkeit zu respektieren.“ Wenn es gelingt, dass sich das Salzkammergut und die 23 am Kulturhauptstadtjahr beteiligten Gemeinden zwischen Altaussee in der Steiermark und Vorchdorf in Oberösterreich füreinander und für die Welt öffnen, dann wäre auch über das Jahr 2024 hinaus viel erreicht. „Das könnte geradezu ein Signal sein, das man nach Europa aussendet“, ist Schweeger überzeugt, die im November 2021 ihre Funktion antrat. Ein Europa, das seine Kraft aus der Vielfalt der Kulturen und der Unterschiedlichkeit schöpft.

Schweegers Aufgabe ist es nun, Projekte und Menschen zu vernetzen und Prozesse anzustoßen, Neues gemeinsam zu denken und zu realisieren. Für die Kulturmanagerin vertrautes Terrain, auch weil für sie Interdisziplinarität Grundlage allen künstlerischen Schaffens ist. Sie habe auch gewusst, worauf sie sich einlasse, schließlich liegen ihre familiären Wurzeln im Salzkammergut, ihre Großeltern haben in Salzburg gewohnt und sie selbst hatte ein Haus in St. Gilgen gehabt. „Ich bin mit der Gegend verbunden, ansonsten hätte ich mir diesen Schritt nicht zugetraut. Ich wusste aber, dass eine ganze Region zu bespielen eine spannende Aufgabe ist, vor allem weil die Gegend so geschichtsträchtig ist und so viel Kraft an Widerstand und Energie der Eigenwilligkeit in sich trägt.“

Bewegte Geschichte

Die Vielfalt und Unterschiedlichkeit haben historische Wurzeln. So hat der Salzabbau in Hallstatt vor rund 7000 Jahren ersten Wohlstand und Bedeutung in die Region gebracht. Die Migration von Protestanten und Bergarbeitern ab dem 15. Jahrhundert hatte bestimmt Einfluss auf die Mentalitäten genommen. Und mit dem Aufschwung Bad Ischls als Kurort im 19. Jahrhundert begann gesellschaftlich ein gänzlich neues Kapitel. In den Jahren 1849 bis 1914 verlegte Kaiser Franz Joseph I. seine Sommerresidenz nach Bad Ischl. Damit kam es auch zu einer Verlegung des höfischen Wiener Lebens ins Salzkammergut. Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur sowie die High Society der Donaumonarchie sind im Sog der Habsburger nach Bad Ischl geströmt und haben die Region zu einem Sehnsuchtsort der Sommerfrische gemacht. Das Kulturleben war stark jüdisch bestimmt. Durch den Nationalsozialismus ist dieses künstlerische Leben jäh eingebrochen.

Kultur ist das neue Salz

Das Kulturhauptstadtjahr 2024 ist ein Prisma der Aufmerksamkeit und ein Katalysator für Veränderung. Das Salzkammergut steht für Kunsthandwerk, Industrie, Tourismus und unberührte Natur, für Salz, Holz und Wasser. Für ein Zusammenspiel aus Wirtschaft, Tourismus, Kultur und auch Kreativität. So war es nicht verwunderlich, dass mehr als 1000 Projekte von Kulturschaffenden in einem Open Call eingereicht wurden. Anders im estnischen Tartu, das im gleichen Jahr ebenfalls Kulturhauptstadt Europas ist, wo angeblich nur 45 Einreichungen gekommen seien, so Schweeger. Ein Wermutstropfen sei es allerdings, dass nur einige Projekte davon aus dem Topf der Kulturhauptstadt gefördert werden können. Daneben war es die wichtigste Aufgabe ihrer Anfangszeit als Künstlerische Leiterin, jene Projekte aus dem Bewerbungsbuch, für die der Titel „Kulturhauptstadt“ gewonnen wurde, zu prüfen und zur Realisierung zu führen. Und das in einer besonderen Situation, denn Schweeger ist mehr oder weniger auf einen fahrenden Zug aufgesprungen. Ihr Vorgänger wurde kurzfristig abberufen und Schweegers Einstieg erfolgte zu einem relativ späten Zeitpunkt. Gemeistert hat die versierte Kulturmanagerin dies mit ihrer Erfahrung aus vielen Großprojekten. „Ich habe ein großartiges Team, viele kommen aus der Region.“ Schweeger hat in ihrer bisherigen Berufslaufbahn große Institutionen geleitet und Festivals an ungewöhnlichen Orten entwickelt. Gefragt nach einer Vision über das Kulturhauptstadtjahr hinaus, kommt sofort der Gedanke einer nachhaltigen Veränderung auf. Vielleicht könne es gelingen, über 2024 hinaus ein zukunftsträchtiges Zusammenleben im Salzkammergut zu etablieren, wo Wirtschaft, Politik, Soziales und Kultur ineinandergreifen.

Verena Hahn-Oberthaler


Zur Person
Prof. Dr. Elisabeth Schweeger (RC Bad Ischl) ist Künstlerische Geschäftsführerin der Kulturhauptstadt Bad Ischl – Salzkammergut 2024 GmbH. Als Kuratorin war sie u. a. tätig an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Weitere berufliche Stationen: Künstlerische Leiterin Marstall/Bayerisches Staatsschauspiel (1993–2001), Intendantin Schauspiel Frankfurt (2001– 2009) und KunstFestSpiele Herrenhausen (2009–2015) sowie GF und Künstlerische Leiterin der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg (2014–2022).