Hoffmeisters Empfehlungen
Musik-Momente
Besondere Hommagen an das Lebensglück
Keine zweite Kunst vergegenwärtigt mehr Zugewandtheit und Suggestivkraft als die Musik. Im Bann zauberischer Klangtableaus erscheint selbst die Alltagszumutung lässlich, die Welt gibt sich aufgeladen und verwandelt. Es ist diese auratische Intensität, von der seit jeher auch Nachbarkünste wie Literatur, Bildende Kunst oder – in den vergangenen Jahrzehnten - das Kino profitieren. Sucht aber die Macht des Populären und der Moden mit Maßlosigkeit, Hybris und Ignoranz den überlieferten musikalischen Kanon in seiner künstlerischen und stilistischen Konsistenz zunehmend zu desavouieren, so unterminiert sie ihre eigene Grundlage. In den Niederungen des Zeitgeistes entstand noch selten Bleibendes. Autoren wie Thomas Mann oder Thomas Bernhard war die Musik gleichermaßen Leitmotiv und konstitutive Größe ihres Schaffens.
Im besten Sinne besessen von der Klangkunst zeigt sich auch das Werk des Autors (und ausgebildeten Pianisten) Hanns-Josef Ortheil. Immer wieder in seinen Romanen und Essays kommt er in unterschiedlichen Variationen und Motiven auf das Sujet zurück. So versammelt sein Band „Musikmomente“ zahllose einschlägige Passagen aus zurückliegenden Arbeiten. Im suggestiven Nebeneinander geben die Texte Einblick in Schreibwerkstatt und Poetik eines Autors, der entscheidende Denkanstöße und Inspirationen aus der (klassischen) Musik bezieht. Die Auszüge spiegeln und reflektieren eine Passion, die herrührt aus frühen Klavierstunden bei der Mutter, Schallplatten- und Konzerterfahrungen ebenso wie eingehender Werke-Analysen. Eine Hommage an das Lebensglück.
Der japanische, in England lebende Nobelpreisträger Kazuo Ishiguro weiß um verlorene Seelen und die Abgründe des urbanen Lebens. Seine Figuren schwanken zwischen Höhenflug, Hoffnung und Absturz. Sie haben sich eingerichtet, ohne verortet zu sein. Die von Christian Brückner angemessen cool, atemlos, rau, emphatisch, bisweilen ironisch inszenierte und vorgetragene Titelstory des Bandes kreist um den genialischen wie erfolglosen Jazz-Saxophonisten Steve, der sich von einer Gesichtsschönheitsoperation künstlerische Erfolge verspricht. In der Klinik begegnet er einer in die Jahre gekommenen Hollywood-Diva. Gemeinsam halluzinieren sie einen neuen beruflichen Aufbruch. Mit leichter Hand, ohne vordergründige Effekte zeichnet Ishiguro ein tragikomisches Kammerspiel, bei dem, mehr noch als die Protagonisten, das Thema Musik im Fokus steht.
Nicht immer führen Transkriptionen oder Bearbeitungen von Werken zu einer neuen Sicht auf die Originale, selten zumal generieren Neufassungen Substanzgewinn. Zu den raren, auf sämtlichen Ebenen geglückten Bearbeitungen zählen Bruno Madernas (1920–1973) Transkriptionen von italienischer Renaissance- und Barockmusik für Kammerorchester. Dennis Russell Davies und das „Orchestra della Svizzera italiana“ wissen die fernen, eminent auratischen Klangtableaus schlank, luzide und mit koloristischem Raffinement auszuführen. Konkurrenzlos!
Zum Schluss ein passender Reisetipp: Als eines der führenden Hotels Europas setzt das Grand Resort Bad Ragaz von Saison zu Saison neue Maßstäbe in den Kategorien Service, SPA, Kulinarik und Ambiente. Seit nunmehr acht Jahren reüssiert das hochdekorierte Haus auch in Sachen Musikkultur: Das „Festival Next Generation“ (16. bis 23. Februar 2018) bringt einige der talentiertesten Musiker der jüngeren und jüngsten Generation auf die hoteleigene Bühne.
Martin Hoffmeister publiziert regelmäßig in nationalen und internationalen Magazinen und Zeitungen. Als Redakteur im Kulturressort des MDR-Hörfunk beobachtet er die Musik- und Literaturszene seit mittlerweile drei Jahrzehnten. Im Rotary Magazin empfiehlt er Neuerscheinungen aus dem Kulturleben und Fundstücke von seinen Reisen.
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