„Mit der Kraft der Musik rotarische Dinge bewegen“
Die mehrfach preisgekrönte Kirchenmusikerin Elke Voelker leitet ein einzigartiges Projekt: den Deutschen Rotary-Chor. Mehr als 30.000 Euro hat er schon ersungen. Für das nächste Jahr entwirft sie große Pläne.
01.12.2016
Händelstraße. Die Adresse passt. Händelstraße in Lampertheim, einer Stadt zwischen Frankfurt und Mannheim mit 31.000 Einwohnern. Das weiße Haus fällt nicht weiter auf, und doch gäbe es keinen treffenderen Platz dafür als die Straße, die nach dem Komponisten des Oratoriums „Messiah“ mit dem berühmten Hallejujah-Chor benannt ist. Im Wohnzimmer des Hauses steht ein schwarzer Steinway-Flügel, die lange Version, im Zimmer daneben eine Orgel, eigens angefertigt für Elke Voelker. Von hier aus organisiert die Musikerin ein einzigartiges Projekt: den Deutschen Rotary-Chor. „Wir sind der einzige Rotary-Chor weltweit“, sagt sie. Gewiss, manchmal schlössen sich musizierende Rotarier für einen bestimmten Anlass zusammen, auch existierten die International Fellowship of Rotarian Musicians und vielleicht Clubs, in denen mehrere Musiker Mitglied seien. „Aber einen rotarischen Chor wie den unsrigen, der regelmäßig probt, der mehrmals im Jahr auftritt – solch einen Chor gibt es bei Rotary weltweit nicht“, ist sich Voelker sicher, obwohl Musizieren doch rotarisch sei, meint die Musikerin.
Sie kam über Japan zu Rotary. 2001 reiste sie mit dem Group Study Exchange (GSE), dem rotarischen Austauschprogramm, für sechs Wochen in das ostasiatische Land. Bis dahin hatte sie mit Rotary nichts zu tun. „Der Aufenthalt war umwerfend, unglaublich“, erinnert sie sich. „So unglaublich, dass ich danach das dringende Bedürfnis hatte, mich für Rotary zu engagieren.“ 2003 wird sie Gründungspräsidentin des RC Limburgerhof/Vorderpfalz; 2005, Rotary wird da gerade 100, ruft sie den Chor ins Leben, der damals noch unter dem Namen Rotary-Distriktchor 1860 auftritt. „Das Rotary-Jubiläum war ein schöner Anlass, und der Chor ist eine Möglichkeit, meine beruflichen Fähigkeiten bei Rotary einzubringen“, begründet Voelker ihr Engagement.
Ökumenisch unterwegs Immerhin ist die Frau Konzertorganistin, Kirchenmusikerin und Musikwissenschaftlerin. 13 Jahre arbeitete sie im Dom zu Speyer, zuletzt als Domorganistin und kommissarische Domkapellmeisterin. Heute ist die Katholikin Kantorin der evangelischen Friedenskirche in Mannheim. Das geht? „Ich bin ökumenisch unterwegs“, sagt Voelker. „Musik ist weder katholisch noch evangelisch.“ Einen Nachteil hätten die Evangelischen allerdings. „Die wunderschönen Messen von Mozart, Haydn und Schubert können sie in ihren Gottesdiensten nicht aufführen.“ Aber, kleiner Trost, umgekehrt könnten die Katholiken in ihren Kirchen zu Weihnachten und Ostern keine Bach-Kantaten hören.
Auch der Rotary-Chor tritt in Gottesdiensten auf, das nächste Mal am 25. Dezember. Dann singt er in der Kirche St. Josef in Ludwigshafen-Friesenheim Mozarts Krönungsmesse. Das Repertoire geht aber weit über die geistliche Musik hinaus. „Unser Programm ist natürlich abhängig von der Veranstaltung und davon, was der Chor gerne singen möchte“, erklärt die Leiterin. „Da wird nichts oktroyiert.“ Eines liegt ihr jedoch besonders am Herzen: „Wir möchten das deutsche Liedgut pflegen, da gibt es wunderbare Volkslieder.“ Das spürte sie sogar auf ihrer Japan-Reise. „Vom ‚Mond ist aufgegangen‘ können die Japaner alle sieben Strophen, die Deutschen scheitern schon an der zweiten. Das ist beschämend.“
Hymne komponiert
Zur Premiere des Chors am 21. Mai 2005 in Speyer hatte sie sogar eine Hymne komponiert und getextet: „Let’s Lend A Helping Hand“. 15 Mitglieder umfasste der Chor damals, heute gehören ihm 60 an, nicht nur Rotarier, sondern auch Inner Wheelerinnen, Rotaracter und Verwandte und Freunde von ihnen, alle zwischen Ende 20 und 80 Jahre alt und darunter – untypisch für Rotary – mehr Frauen als Männer. Vorsingen musste niemand, um aufgenommen zu werden. „Das mache ich nicht“, sagt Voelker. „Ich finde, jeder hat Stimme und jeder schafft es, in einem Jahr oder in einem halben ein gewisses Level zu erreichen.“ Geprobt wird alle zwei Wochen, immer samstagvormittags zwei bis zweieinhalb Stunden in Mannheim oder Ludwigshafen. Dann bietet auch ein Stimmbildner seine Dienste an: Gesangslehrer und Bassbariton Lionel Fawcett. „Wir haben ein großes Einzugsgebiet von Saarbrücken bis über Frankfurt, Darmstadt und die Bergstraße“, sagt Voelker. Sogar aus Norddeutschland sei schon ein Interessierter gekommen. Doch die meisten Mitglieder stammen aus der Region, aus dem Distrikt 1860.
Das will Voelker jetzt ändern. „Meine Idee ist, das Einzugsgebiet zu erweitern.“ Ganz im Sinne Rotarys. „Jeder Musiker weiß, welche Kraft in der Musik steckt, Dinge zu bewirken, die auch in der rotarischen Idee enthalten sind.“ Da sei es egal, woher einer komme. Sie verweist auf den Dirigenten Daniel Barenboim und dessen West-Eastern Divan Orchestra, in dem Israelis und Palästinenser gemeinsam musizieren. „Das ist auch Völkerverständigung“, erklärt Voelker.
Und sie erinnert an die Balten, die im Kampf um ihre Unabhängigkeit eine singende Menschenkette gebildet hätten. „In meinen Augen hat Rotary International noch gar nicht so richtig wahrgenommen, welches Potenzial in der Musik steckt“, meint die Chorleiterin und Musikwissenschaftlerin, die über den estnischen Komponisten und Organisten Rudolf Tobias promoviert hat.
Klar, neben den aktiven Mitgliedern hat der Chor auch passive und Partner, die ihn unterstützen, nicht stimmlich, sondern finanziell und materiell. Natürlich tritt er immer ehrenamtlich auf, aber mitunter, etwa bei Mozarts Krönungsmesse, müssen ihn ja Musiker begleiten. „Und ein Orchester kostet“, weiß Voelker. „Mein Anliegen ist es, dass wir zur Begleitung ein Profiorchester haben. Schließlich wollen wir ein gewisses Level erreichen.“ Und Geld für einen guten Zweck möchte der Chor auch noch ersingen. Viele seiner Konzerte sind Benefizveranstaltungen. „30.000 bis 35.000 Euro haben wir dabei schon eingespielt“, freut sich die Chorleiterin.
CD aufgenommen Schon auf der ersten Auslandsreise im Mai 2011 nach Sizilien in die Weltkulturerbe-Stadt Ragusa gab der Chor in der Kathedrale ein Benefizkonzert. Die Einnahmen flossen in ein lokales Hilfsprojekt. Auch für nächstes Jahr plant Voelker einen großen Benefizauftritt: in der polnischen Stadt Swidnica. Dort will der Chor in der Friedenskirche singen, der größten Fachwerkkirche Europas, die rund 7500 Menschen fasst und renoviert werden muss. Ein erstes Benefizkonzert gab der Chor im letzten Juni. In der Mannheimer Friedenskirche führte er Charles Gounods Cäcilienmesse zugunsten der polnischen Friedenskirche auf. Die Aufnahme gibt es auch auf CD. Es ist nicht die einzige. Auch Haydns Schöpfung bietet der Chor auf CD an. Nicht nur zur Erbauung.
Jede CD wirbt auch für Rotary. Jeder Chorauftritt, glaubt Voelker, sei auch Werbung für Rotary. Auch die Aufführung auf dem Mannheimer Weihnachtsmarkt im Dezember sei „eine schöne Gelegenheit, Rotary bekannter zu machen“, sagt die Chorchefin. „Wir haben Roll-ups, ein Banner und Flyer.“ Für den Chor gehe schon einiges an Zeit drauf. Mit der Probe, der Pflege der Webseite und des Newsletters sei es nicht getan. Gespräche müssten geführt und das Ganze publik gemacht werden. „Wir wünschen uns, dass die Distrikte uns noch kräftiger unterstützen.“
Zumindest an Einladungen von Clubs mangelt es nicht. Sogar auf der International Rotary Convention 2013 in Lissabon hat der Chor schon gesungen und auf der International Inner Wheel Convention 2015 in Kopenhagen. Was läge da näher, als 2019 auf der International Rotary Convention 2019 in Hamburg aufzutreten? Womöglich in der Elbphilharmonie?