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Helgoland

Tosende See, innere Ruhe

Helgoland - Tosende See, innere Ruhe
Sturmgepeitschte See am Südstrand der Badeinsel Düne und an der Langen Anna vor der Nordwestspitze der Hauptinsel © Gordon Welters/laif

Ein roter Felsen mitten im Meer, lange umkämpft, immer Naturparadies, heute wieder Badeinsel und Symbol der Freiheit

Eckhard Wallmann 01.08.2019

Man muss schon das Meer lieben, wenn man sich auf den Weg machen will zur Insel. Früh wird man nämlich das Schiff nehmen müssen: Klassisch ab St. Pauli Landungsbrücken in Hamburg, sonst ab einem der Nordseehäfen.

Wenn man anfangs die Elbe heruntergleitet, dann kommen zauberhafte Eindrücke von Hamburg. Jede Stadt sieht vom Schiff besonders schön aus. Hier liegen die Villen der Elbvororte und schauen auf das Wasser, wir schauen zurück. Als Helgoland um 1850 unter englischer Herrschaft das erste deutsche Seebad war, winkten aus den Villen Familienangehörige der Reisenden. Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar war erstaunt, dass es manche sogar direkt vom Wasser aus taten. Hamburger konnten noch in der Elbe schwimmen.

Die Probe der Seefestigkeit

In Cuxhaven verlässt man die Elbe und die Nordsee wartet mit der Probe der Seefestigkeit. Man sollte sie nicht unterschätzen. Seit Jahrhunderten haben die Deutschen auf ihrer Fahrt zur Insel die Seekrankheit kennengelernt.

Chamisso hielt sich tapfer, Lichtenberg meinte 1793: Die Vomitivchen unterwegs würden sofort vergessen sein, wenn man dann die wunderbare Insel sieht. Er fand in der damals dänischen Insel seine Südsee. Nackte Kinder schwammen bei großer Hitze um sein Segelschiff.

Eine Felsenlandschaft mitten im Meer gibt es nur hier in Deutschland. Helgoland ist eine richtige Insel, keine Sandbank im Wattenmeer. Auf ihrem höchsten Punkt reicht der Blick überall zum Horizont.

Nirgends findet man so viel Natur: Basstölpel brüten direkt hinter dem Zaun des Aussichtspunktes zur Langen Anna. Seehunde und Kegelrobben warten auf der Badeinsel Düne. Die großen Raubtiere haben weitgehend die Scheu vor den Menschen verloren. Die Badegäste schießen nur noch Fotos statt Robben, früher ließen sie sich gerne mit Gewehr und totem Tier fotografieren.

Nirgends findet man so viel Geschichte: Im 19. Jahrhundert wurde auf der Insel auch für die Barrikaden der Revolution das Schießen geübt. Als 1870 das Deutsche Reich gegründet wurde, verlangte man mit immer chauvinistischeren Tönen die Insel. Die Helgoländer wussten nicht so genau, dass sie Deutsche waren. Sie hatten es unter den Engländern mit den vielen deutschen Gästen gut. 1890 kam Kaiser Wilhelm und sein Ziel wurde sofort umgesetzt: Helgoland wurde zur Festung. Die Gäste störten, die Helgoländer störten. Die alten Gäste blieben fort, Vereine kamen, nicht nur von nationalistischen Gefühlen trunken. Nach dem verlorenen Krieg konnten sie dann genauer die gesprengten Befestigungsanlagen inspizieren und von der früheren Größe träumen. Die schlechte Wirtschaftslage sorgte dafür, dass die Insel für den zollfreien Einkauf berühmt und berüchtigt wurde. Viele der letzten alten Badegäste verließen die Insel, als die Kraft-durch-Freude-Tagesgäste Nachtzüge nahmen und auch auf der Düne badeten.

Wandern auf alten Wegen

Die Bombardierung und die Sprengung nach dem Zweiten Weltkrieg sind wohlbekannt. Der sehr sorgfältige Wiederaufbau der Insel gefällt erst heute Architekturkennern. Man kann immer noch auf den alten Wegen wandern, denn die Struktur der Insel ist geblieben. Oben am Falm, der Felskante, waren immer die besten Hotels. Das Felseneck war vor dem Ersten Weltkrieg bekannt, Haus Bolzendahl stand an gleicher Stelle schon 1840. In der Siemens-Terrasse, auf dem Lungwai im Unterland, promenierte man schon im letzten Jahrhundert, auch die Landungsbrücke steht am alten Ort. Auf der Düne kann man wie Alexander von Humboldt 1790 Versteinerungen suchen und finden. Er suchte für die Wissenschaft einen Robbenkopf – danach fragen Sie heute lieber nicht.

Eckhard Wallmann
Eckhard Wallmann studierte nach seiner Buchhändlerlehre in Köln und Frankfurt Theologie in Hamburg, Tübingen und Heidelberg. Nach seinem Vikariat lebten er und seine Frau von 1989 bis 2003 als Pastorenehepaar auf Helgoland, anschließend in Friedrichsgabe bei Hamburg. Zuletzt erschien 2017 bei Koehler „Helgoland. Eine deutsche Kulturgeschichte“, 672 Seiten, 29,95 Euro. © privat