Rotary Aktuell
"Das geht nur zusammen"
In einer Breakout-Session auf dem European Summit in Bonn ging es darum, wie die Kommunikation in die Clubs optimiert werden kann. Das hat uns veranlasst, die Frage zu stellen, wie RI-Botschaften besser an die Basis gelangen. Wir haben fünf Rotarier – von der Spitze bis zur Basis – aus Deutschland und Österreich zum Gespräch gebeten.
Diskussionsrunde
Moderation: Björn Lange und Insa Fölster aus der Redaktion des Rotary Magazins
Teilnehmerinnen und Teilnehmer:
Lili (Elisabeth) Blömer (RC Bonn-Museumsmeile) wurde mit 25 Jahren Rotarierin. Heute ist die dreifache Mutter 32 und seit Juli Past-Präsidentin ihres Clubs.
Jürgen Stihl (RC Kassel-Hofgeismar) ist derzeit Clubpräsident. Im Jahr 2026 wird der Unternehmer Governor im Distrikt 1820.
Konstanze Thelemann (RC Arnstadt) ist Juristin und Kommunikationsberaterin und war im Clubvorstand als Sekretärin aktiv.
Jürgen Wörgötter (RC Perchtoldsdorf) ist Brigadier des österreichischen Bundesheers und hatte bisher kein rotarisches Amt inne.
Jan Mittelstaedt (RC Konstanz-Meinau) ist Inhaber einer Werbeagentur und war bereits Governor sowie Vorsitzender des Deutschen Governorrates. Derzeit ist er Rotary Coordinator für Mitgliedschaft in den Zonen 15 und 16, zu denen auch Deutschland, die Schweiz und Liechtenstein gehören.
Björn Lange: Frau Blömer, auf dem European Summit in Bonn haben Sie gesagt: „Dieser Action Plan besteht aus schön formulierten Ideen, aber ich wüsste gern, wie ich das anpacken soll. Mir ist das noch zu kryptisch.“ Führen Sie das doch noch einmal aus.
Lili Blömer: Wenn ich so einen Action Plan höre, dann denke ich innerlich, das ist einleuchtend und wunderschön formuliert, aber mir fehlt es einfach an konkreten Beispielen. Da war ein Raum voller Governor oder werdender Governor, da war der ehemalige RI-Präsident. Das sind Leute, die haben wesentlich mehr Clubs gesehen als der übliche Rotarier jemals sehen wird. Für mich wäre es hilfreich, wenn jemand dann mal ein Vorher-Nachher-Beispiel bringen würde von der Einführung des Action Plans. Ich bin eigentlich auf so einem Summit, weil ich diese Energie spüren möchte und davon etwas mit in den Club zurücknehmen und sagen möchte, das war eine Bombenidee, das können wir bei uns mal probieren.
Björn Lange: Herr Stihl, Sie waren ja auch Teil der Veranstaltung, saßen im selben Raum. Sie haben gesagt: „Wichtig ist, dass jeder Club sein eigenes Leitbild entwirft. Wo will der Club hin? Wo will Rotary hin? Es gibt kein Richtig und kein Falsch. Wir müssen wieder mehr diskutieren. Es geht darum, was Rotary ausmacht.“ Habe ich Sie richtig wiedergegeben?
Jürgen Stihl: Absolut. Und ich bin auch sehr dankbar über die Kommentare von Frau Blömer. Es ist in der Tat so, dass es kein Richtig oder Falsch gibt, sondern es gibt unterschiedliche Wahrnehmungen, über die wir reden müssen. Durch den Action Plan ermöglicht RI, dass wir uns alle eingliedern können. Und unsere Aufgabe ist es, das in den Clubs umzusetzen. Wir sind in unserem Club gerade dabei, ein Zukunftsbild zu entwickeln. Wir haben uns Fragen in Clustern gestellt: Warum bin ich im Club? Was macht unseren Club aus? Wie werden wir wahrgenommen? Was wollen wir in zehn Jahren bewirken? Wen wollen wir ansprechen?
Wir haben mittlerweile zwei Gruppen. Diejenigen, die schon lange dabei sind, aber in einer anderen Zeit aufgewachsen sind – ohne Handy und Laptop. Und dann haben wir diejenigen, die wir gewinnen wollen und müssen, damit wir eine Zukunft haben. Sie sind heute – verglichen mit früher – anderen Herausforderungen ausgesetzt, zum Beispiel Doppelbelastungen von Familie und Beruf, Mobilitätsfragen. Die hierdurch entstehenden unterschiedlichen Erwartungshaltungen in Einklang zu bringen, ist immens wichtig. Und das geht nur über Kommunikation. Wir müssen einfach für ein gewisses Verständnis werben, dass heute das Führungsverhalten eher auf Eigenverantwortung und Feedback basiert versus der früheren strengeren Hierarchie früherer Zeiten.
Björn Lange: Bei wem müssen wir für Verständnis werben?
Jürgen Stihl: Wir müssen für Verständnis werben, dass heute Familien, Frauen und Männer, ganz andere Herausforderungen haben, die sie dann mit Rotary irgendwie in Einklang bringen müssen. Für diese Neumitglieder brauchen wir entsprechend Modelle, müssen sie einbinden. Das Meeting reduziert sich in der Bedeutung. Aber Gutes zu tun in der Gesellschaft, anderen Menschen Orientierung und Halt zu geben, das sind die Dinge, die wir jetzt stärker in den Vordergrund stellen müssen.
Insa Fölster: Da würde ich jetzt direkt mit einer Frage an Frau Thelemann anschließen: Welche Rolle spielen die RI-Botschaften in Ihrem Clubleben?
Konstanze Thelemann: Im unmittelbaren Alltag natürlich erstmal keine. Natürlich haben die Clubs ihre eigenen internen Projekte. Da wäre es sehr schlau zu sagen, wir nutzen die bestehenden Strukturen und nehmen beispielsweise den RI-Beauftragten oder den Foundation-Beauftragten und gucken, wie wir die Projekte in Zusammenarbeit mit RI noch optimieren oder vielleicht sogar die Brücke noch weiter bauen können und sagen, wir nehmen einmal im Vierteljahr RI-Themen als Vortragsthema auf und stellen zum Beispiel passende Projekte vor, die über RI laufen. Das schafft ein viel höheres Selbstvertrauen, eine viel höhere Identifikation und Wirkmächtigkeit.
Björn Lange: Wir schauen mal nach Österreich. Herr Wörgötter, auch an Sie eine ganz ähnliche Frage: Wie groß ist das Bewusstsein dafür, dass Ihr Club Teil eines international agierenden Netzwerkes ist?
Jürgen Wörgötter: Jürgen Wörgötter: Ich möchte hier eine Anleihung nehmen von Herrn Stihl. Ich bestätige, dass auch wir in unserem Club so etwas haben wie eine „alteingesessene Gründungsgruppe“, jüngere Neue und natürlich jene, welche wir in Zukunft ansprechen wollen. Und wir setzen auch entsprechende Maßnahmen, um die Homogenität im Club zu wahren und den Zusammenhalt zu fördern. Die Frage, ob RI Thema ist, muss ich mit einem eher größeren Nein beantworten, weil wir bisher in unserem Club eher die regionalen Aspekte hervorgehoben haben. Natürlich haben und hatten wir auch internationale Projekte, die sind aber etwas überschaubar. Unter anderem ansprechen kann ich hier ein Bauprojekt in Bosnien, wo wir zum einen gespendet haben, zum anderen mit unseren Rotaractern Hands-on für bedürftige Familien in Bosnien beim Errichten von Wohnraum mitgeholfen haben. Oder auch eine Initiative zur Unterstützung eine Schule in Südafrika. Der Schwerpunkt unseres Handelns ist aber eindeutig regional. RI wird aus meiner Sicht in unserem Club sehr wohl kommuniziert, ist aber wohl noch nicht ausreichend greifbar. Eines, was ich mitgenommen habe von Frau Thelemann, ist, eine mögliche Vortragsreihe und Kurzvorträge seitens RI einzuführen, um den Bekanntheitsgrad zu erhöhen und um gegebenenfalls Projekte vorzustellen, wo unsererseits ein Interesse da sein könnte, dort mitzuarbeiten.
Insa Fölster: Herr Mittelstaedt, es gibt ja nicht nur Desinteresse, sondern gelegentlich auch die ein oder andere kritische Stimme. Dazu haben Sie einmal gesagt: „Informiert Euch, bevor Ihr meckert.“ Wenn Sie das noch einmal ausführen würden:
Jan Mittelstaedt: Das war mal ein Standpunkt, den ich im Juli letzten Jahres im Rotary Magazin hatte mit der Überschrift „Schluss mit dem Gemecker“. Das war ein provokanter Titel, einfach deswegen, weil ich in meinem Alltag, den ich bei Rotary auf verschiedenen Ebenen lebe, immer wieder über Kritik gestolpert bin, man würde von Rotary nichts hören. Und früher wäre alles besser gewesen. Ich kann dazu sagen: Die gute alte Zeit, zu der sich manche zurücksehnen, die hat es nie gegeben. Sie ist eine Illusion. Also, ich will nicht mehr zurück ins Jahr 2007 als ich angefangen habe. Null digital, Wochenberichte per Post an den Governor, Governorbriefe per Post an die Präsidenten, Handbücher für verschiedene Dienste, die Jahr für Jahr in Indien gedruckt wurden und dann in die ganze Welt verschickt wurden in jeden Club auf der ganzen Welt, Frontalvorlesungen bei Trainings, Governor, die beim Clubbesuch Statistiken abfragten und bei einer zu geringen Präsenzquote mahnend den Finger hoben. Rotaract wurde auf breiter Front belächelt, wenn nicht ignoriert. Es gab kaum eine Chance für Rotaract-Mitglieder Rotarier zu werden. Und wenn sie dann mit knapp über 30 Jahren bei Rotaract ausgeschieden sind, gab es keine Doppelmitgliedschaften, keine modernen Clubformate. Und meiner Meinung nach hörte man von RI auf Clubebene überhaupt nichts. Man vergisst so schnell und nimmt dann die vielen Verbesserungen, die im Laufe der Jahre auch von RI-Seite aus entstanden sind, irgendwann für selbstverständlich. Also, mein Aufruf ist, das alles ein bisschen positiver zu sehen, auch das mit dem Action Plan. Ich glaube, der Action Plan kann nur allgemein gehalten sein und jeder Club und jeder Distrikt muss den für sich selbst runterbrechen. Und das ist eine ganz klare Botschaft von mir: Es ist eine Führungsaufgabe, nicht nur von RI, sondern auch von den RI-Direktoren und den Koordinatoren auf Zonen-Level, der Governor und am Ende an unserer Basis der Präsidentinnen und Präsidenten der Clubs, dafür zu sorgen, dass das übersetzt wird für die Mitglieder.
Konstanze Thelemann: Ja, ich möchte gern zwei Ergänzungen und Vertiefungen vornehmen. Zum einen zu Herrn Mittelstaedt, der gesagt hat „Informiert Euch!“. Das kann ich nur bestätigen und vertiefen mit der Formulierung: Unmittelbarkeit hilft. Rotary.org ist eine tolle Seite, auf der die Projekte von RI vorgestellt werden. Und da will ich nochmal auf den Hinweis von Herrn Wörgötter eingehen, der gesagt hat, wir haben den Schwerpunkt unserer Projekte im Club. Das ist bei uns auch so. Meine Idee, die ich vorhin schon versucht habe, zu formulieren, war, dass man die Schwerpunkte der Projekte in den Clubs noch einmal zusammenfasst und dann eine Brücke baut zu ähnlichen Themen, die über RI auch gestützt und weitergetragen werden, sodass sich so eine Art Kausalitätskette ergibt im Verständnis der Idee von Rotary. Und gleichzeitig RI zu nutzen für andere Impulse, wo andere Projekte vorgestellt werden und man sich dann überlegen kann, wie man das auch mal bei uns regional konkretisieren könnte.
Jürgen Stihl: Ja, Freund Mittelstaedt, ich kann nur beipflichten, möchte es auch in keiner Weise schmälern. Das Angebot von RI auf rotary.org ist überwältigend. Man muss nur seine eigene Struktur finden, um sich da durchzufinden. Aber das genau wäre die Aufgabe der Präsidenten. Ich bin ja aktuell Clubpräsident und habe den Agendapunkt „Aktuelles von Rotary“ eingeführt, um das Bewusstsein für Rotary zu schärfen, die Freundinnen und Freunde zu motivieren, dass sie zum Beispiel mal wieder ins Rotary Magazin schauen oder auf unsere Homepage gehen. Nur: Wenn wir fragen würden, wer ein Kennwort für My Rotary auf rotary.org hat, um sich anzumelden, dann wären wir überrascht. Vielleicht kann auch hier RI stärker unterstützen.
Ich muss auch feststellen, die Priorität für Rotary hat sich geändert. Wichtig ist zu erfahren, welche Priorität Rotary hat und ob beziehungsweise wie stark sich jeder einzelne einbringen möchte. Dazu findet kaum ein Austausch statt. Noch eine letzte Bemerkung: Die rotarische Freundschaft ist das verbindende Element, das bei allen ganz fest verankert ist – sich blind auf die Freundinnen und Freunde verlassen zu können. Die Freundschaft wird bei RI nicht mehr so stark betont, weil sie als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Das ist aber nicht unbedingt der Fall. Also, wenn wir die Menschen erreichen wollen, gilt es auch, nicht nur über die Dienste und Projekte zu sprechen, sondern auch über die ursprüngliche Basis von Rotary, nämlich die Freundschaft.
Lili Blömer: Ich habe das Gefühl, mein Anfangsstatement wurde etwas falsch aufgefasst. Es ging mir nicht darum, den Action Plan zu kritisieren, sondern darum, dass ich mir gewünscht hätte, dass es darüber hinaus geht. Ich habe da auf so einem Summit jetzt einmal die Chance, eine Stimmung zu kreieren, die die Leute im Herzen mit nach Hause nehmen und in die Clubs tragen und wovon es dann weiterlebt. Kaum jemand wird sich jetzt an genaue Zitate erinnern, aber wie man so einen Tag erlebt oder womit man im Herzen nach Hause geht, daran denkt jeder. Bei dem Vortrag zu Beginn des Sonnabends beim European Summit, der weder besonders auf Rotary gemünzt war noch auf die Clubs oder Distriktebene, sondern ein rein globales Problem ansprach, habe ich mich direkt gefragt: Wie bringe ich das jetzt in meinen Club? Wie übersetze ich das in meinen Club? Es war nichts, wo ich gesagt hätte, super, da können wir uns anschließen, das machen wir, nächstes Wochenende, Schaufel in die Hand, los geht’s.
Ich hatte später am Tag eine Keynote gehalten über das Thema „Intergenerational Dialogue“ und da habe ich auch berichtet, dass ich viele Dinge umgesetzt habe – ich bin mit 25 Jahren Rotarierin geworden –, die mich damals gestört haben. Ich habe bei uns zum Beispiel weniger Mittagsmeetings eingeführt. Die sind unerreichbar für Leute, die jünger sind. Also, wer kein Chef ist, bekommt keine zweistündige Mittagspause. Für die Leute, die von Rotaract zu Rotary gekommen sind, ist es finanziell für die ersten zwei Jahre umsonst. Wir haben bezüglich der Sozialprojekte versucht, einen Fokus zu schaffen, dass es sowohl um die Themen geht, die die Jüngeren interessieren, als auch um die Themen, die auch die Älteren interessieren. Was ich zum Beispiel auch eingeführt habe vor zwei Jahren – das machen wir jetzt einmal jährlich – das ist ein Speeddating mit den Rotariern, dass man sich einfach kennenlernt. Eigentlich müsste es auch in Bezug auf den Action Plan explodieren vor Ideen, eigentlich müsste da direkt ein Pingpong anfangen. Und ich meine jetzt wirklich im Positiven. Ich möchte ja angesteckt werden. Ich möchte hören: Das hat geklappt, versucht es auch.
Ich bin bei meinem persönlichen Präsidententraining vor eineinhalb Jahren hochschwanger und natürlich als Jüngste im Raum herumgelaufen. Auf der Tafel stand: „Rotary muss jünger, weiblicher und bunter werden“. Und ich wurde wohl fünfmal gefragt, ob ich die Tochter von irgendwem bin. Und dann kam mit Blick auf meinen Bauch immer: Das machst du doch nicht im Ernst. Also, es stand sogar vorne an der Tafel, aber niemand hat auch nur gedacht, dass ich jetzt auch wirklich als Incoming-Präsidentin da war. Sich ernst nehmen auf Augenhöhe, ist etwas, wofür der Raum geschaffen werden muss.
Björn Lange: Frau Blömer, Sie sagen, auf solchen Veranstaltungen wie dem Summit wird an einigen Stellen die Chance vertan, vor so vielen rotarischen Entscheidungsträgern, ein besonderes Feuer zu entfachen, ein Ideenfeuerwerk zu kreieren. Die Frage ist jetzt, ob Sie sich mehr Input von RI wünschen oder weniger? Herr Stihl, Sie haben am Anfang von Ihrer Umfrage im Club gesprochen, wo will der Club hin? Das ist eine Bewusstseinswerdung. Das heißt: Der Club im Vordergrund als kleinste autonome Einheit ja, aber mehr und klarer RI oder weniger RI und mehr Club?
Jürgen Stihl: Es ist keine Frage von entweder oder – es geht nur zusammen. Und all die Maßnahmen, die bei uns im Club aus den Diskussionen zum „Zukunftsbild“ generiert werden, zahlen genau in den Action Plan ein. Wir erhöhen dadurch unsere Attraktivität und Reichweite und werden durch eine gezielte Kommunikation darüber neue Mitglieder ansprechen, die dann auch zu uns passen.
Jan Mittelstaedt: Das hat mir gerade echt Hoffnung gemacht, was ich jetzt gehört habe. Diese Impulse, Informationen von RI auch in die Clubs zu tragen. Da möchte ich eine Erfahrung teilen, die ich im Laufe der letzten Jahre gemacht habe: Als ich 2008 zum Internet-Beauftragten meines Distrikts wurde, erlebte ich zum ersten Mal das, was ich seither als den rotarischen Infofilter bezeichne. Obwohl ich über mein Amt einen offiziellen Kanal in die Clubs hatte, wurde meine Kommunikation regelmäßig von Präsidenten herausgefiltert, also nicht an Mitglieder weitergegeben. Und dieselbe Erfahrung musste ich dann ein paar Jahre später als Governor machen. Viele Präsidenten geben die Informationen nicht weiter, obwohl RI sie darum bittet. Und die Gründe für diesen Filter sehe ich vielfältig. Manchmal ist es ein Versehen, manchmal eine grundsätzliche Haltung, dass Clubs oder Mitglieder von RI-Infos verschont bleiben sollen. Vereinzelt sogar eine gegenläufige Meinung des einzelnen Governors hinsichtlich der weiterzuleitenden Information. Niemand wird gezwungen, ein Angebot von RI zu nutzen, aber viele erfahren gar nicht erst davon, weil andere für sie den rotarischen Infofilter aktiviert haben.
Und vielleicht abschließend: Es gibt bei RI so viele exzellente Angebote, Newsletter, den Rotary-Voices-Podcast und so weiter. Das ist wertvolles und liebevoll aufbereitetes und inspirierendes Material, das macht stolz auf das, woran wir beteiligt sind. Aber diese Angebote dringen leider viel zu selten zu unseren Mitgliedern vor. Deshalb wird RI in ausgesuchten Fällen in Zukunft auch direkt mit Clubpräsidenten und Rotariern kommunizieren.
Konstanze Thelemann: In Ergänzung zu Freund Mittelstaedt möchte ich auf den Vorteil der flachen Hierarchien hinweisen, wenn eine Flut an Informationen da ist. Die Governor wissen durch den Besuch in den Clubs genau, wo die Schwerpunkte in den einzelnen Clubs liegen. Man kann es natürlich priorisieren und nur bestimmte Projekte weiterleiten, wenn man weiß, da liegt zum Beispiel im Club der Fokus. Und in Anlehnung an das Zitat von Freund Stihl, der gesagt hat, es geht nur miteinander, würde ich es sogar noch ein Stück weit weiter formulieren. Und zwar: Es geht ganz besonders gut miteinander. Von dem was bei RI an Erfahrungen gesammelt wird, kann man immer ein, zwei, drei kleine Ideen für den Club herausnehmen. Und umgekehrt sind das die Themen in den Clubs, für die sie sensibel sind und das ist die Chance für RI, dort anzudocken.
Jürgen Wörgötter: Ich kann nur zu 100 Prozent unterstützen, was Herr Mittelstaedt gesagt hat: Nicht jammern, nicht meckern, sondern informieren. Ich denke, das ist eine Schlüsselaussage. Wir sind immer mehr eine etwas träge „Bring-Gesellschaft“ und keine „Hol-Gesellschaft“. Und wenn es nicht ausreichend kommuniziert oder vorbereitet wird, dann interessiert es uns oder mich wohl eher am Rande. Und nochmal zu Frau Thelemann: Diese Idee, Impulse zu setzen, sehe ich sehr positiv. Sie haben auch Rotaract angesprochen. Auch hier haben wir Ideen für gemeinsame Projekte, um mehr zusammen- und aufzuwachsen. Auf die gestellte Frage, ob man mehr von oben braucht, erlaube ich mir anzuführen: Gezielte Information von oben immer und gerne, auch Kommunikation und Koordinierung, vielleicht auch Impulse. Die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Clubs muss aber gewahrt bleiben. Ich denke, es ist eine wesentliche Aufgabe der Präsidentschaft im Distrikt und auf Clubebene, die vorhandene Information zu verarbeiten und für die entsprechende Ebene zu übersetzen und in der Club-Community – wir sind 51 Mitglieder bei uns –, entsprechend auch publik zu machen. Diese Übersetzungsleistung der Präsidenten ist aus meiner Sicht der Schlüssel zum Erfolg. Ich weiß nicht, wie groß Ihre Distrikte sind – unserer hat eine sehr hohe Anzahl Clubs – und ich denke, dass der Governor hier eine große Herausforderung hat, sich überall einzubringen. Ich erlaube mir auch Impuls zu geben: Wir suchen die Nähe von benachbarten Clubs, um mit diesen über gemeinsame Projekte zu sprechen, die zum einen in der Region wirksam werden, aber auch, um über Ideen zu sprechen, die überregional sind.
Jürgen Stihl: Ich wollte Jan Mittelstaedt noch antworten mit einem gewissen Vorsichtsvermerk. Ich stimme Ihnen vollkommen zu, die Informationen kommen bei den Clubs nicht an. Auch die Governorbriefe werden häufig nicht gelesen. Ich möchte aber ein bisschen davor warnen, dass RI direkt kommuniziert mit den Clubs. Ich weiß, wie angespannt die Situation in einigen Distrikten ist. Deswegen die große Bitte: Wenn RI direkt kommuniziert, machen Sie es mit Fingerspitzengefühl.
Björn Lange: Ich möchte so langsam auf die Zielgerade einbiegen und von allen wissen: Ist Rotary eine Bottom-up- oder eine Top-down-Organisation?
Lili Blömer: Es muss bottom-up heißen, denn jedes Mitglied ist ein Zahn, der das Rad weiterdreht. Es kann Inspiration für den Anschub geben, aber es kommt auf die Zähne am Zahnrad an.
Jürgen Wörgötter: Das kann ich nur bestätigen: Das bottom-up muss leben. Ich komm aus der Forschung im Militär. Und man kann Forschung nicht zwingend anordnen. Man muss aber den Rahmen vorgeben. Forschung muss von unten intuitiv gelebt werden. Sonst sind die Ergebnisse nicht plausibel. Das heißt, auch hier gibt es das Prinzip des bottom-up. Ich denke, dass ein vernünftiges Clubleben, ordentlich geführt durch eine Präsidenten, über den Governor von unten nach oben das Leben bringt. Und dass von oben ein gewisser Rahmen mit den nötigen Informationen verfügbar gemacht werden kann. Ich würde hier also ein striktes top-down mit Anordnung eher als die zweitbeste Variante sehen. Ich bevorzuge hier das bottom-up in einem geordneten Rahmen.
Jürgen Stihl: Natürlich ist bottom-up ganz wichtig, aber ohne eine gewisse Struktur, ohne gewisse Richtlinien, die vorgegeben sind, würde ein reines bottom-up wild durcheinandergehen und auch nicht mehr funktionieren als Organisation. Und wir alle sind auch einer Organisation gegenüber verpflichtet. Meine Erwartung ist, dass RI das bottom-up lebt, aber dann doch Kompromisse und einen konstruktiven Konsens herbeiführt, der dann wiederum für alle anderen bindend ist. Eine gewisse Vorgabe und Struktur müssen einfach sein, sonst hat das keinen Bestand.
Konstanze Thelemann: Dem möchte ich beipflichten. Ich würde auch diese beiden Begrifflichkeiten nicht so alternativ sehen wollen. Es ist keine Konkurrenz, sondern soll eine Kooperation sein. Ich denke natürlich, dass die Unmittelbarkeit in der Umsetzung bei den Clubmitgliedern liegt und deswegen der Fokus in der alltäglichen Arbeit dort liegt. Aber wir sollten auch nicht vergessen, dass wir den Vorteil einer internationalen Vereinigung auch genießen dürfen, indem wir eine gemeinsame Struktur haben, zum Beispiel Möglichkeiten über Global Grants. Wir können nicht das eine tun und das andere dann einfach weglassen.
Jan Mittelstaedt: Rotary funktioniert meiner Meinung nach weder nur bottom-up noch nur top-down. Würden wir nur bottom-up arbeiten, würde jeder in seine Richtung laufen, jeweils für den eigenen Club passend, aber ohne großes Ganzes. Das Ergebnis wäre, dass wir als Organisation nirgendwo hinkommen würden. Projekte wie Polio Plus wären niemals nur bottom-up so groß geworden. Bottom-up kann ein großartiger Start sein, der dann top-down katalysiert werden kann. Würden wir nur top-down arbeiten, würde uns ein entscheidendes Bauteil fehlen, nämlich die Kreativität und Entschlossenheit der Clubs und ihrer Mitglieder. Top-down kann aber ein wichtiger Baustein sein, um unsere heute erfolgreiche Organisation auch in eine erfolgreiche Zukunft zu führen. Ich rede da zum Beispiel von digitalen Services wie dem Lern-Center. Großartig. Ein globaler Strategie-Plan, Koordinatoren für die wichtigsten Themenfelder. Und interessanterweise sind manche Top-down-Initiativen die Antwort auf Wünsche aus den Distrikten und von den Clubs, also auch wieder bottom-up.
Insa Fölster: Jetzt haben wir uns aufeinander zubewegt und wunderbare Sichtweisen ausgetauscht. Jetzt würden wir gerne wissen, was nehmen Sie mit in die Clubs beziehungsweise in die RI-Zentrale?
Jürgen Wörgötter: Für mich nehme ich heute vor allem zwei Aspekte mit. Das top-down gibt den grundsätzlichen Rahmen vor, setzt auch Impulse und ermöglicht, das bottom-up nimmt jene Angebote an, welche durch die Community in den Clubs angenommen wird, und setzt diese dann um. Und nachdem was ich hier und heute mithören durfte, ist die Führungsverantwortung der entsprechenden Ebenen – Distrikt und Club – eine wohl sehr herausfordernde. Das Spannungsfeld zwischen den „Erwartungen“ von oben zu erfüllen, den Bedürfnissen des Clublebens gesamtheitlich gerecht zu werden, regionale und überregionale Projekte umzusetzen, mit benachbarten Clubs zu kooperieren, Nachwuchs zu finden, und einiges mehr. Ich denke wohl, dass wir mit unserem Wirken zufrieden sein dürfen. Verbessern kann man sich immer!
Jürgen Stihl: Ich denke, wir liegen alle sehr eng beieinander. Ich würde auch den Schritt wagen wollen, konträre Meinungen in Diskussionen zuzulassen.
Jan Mittelstaedt: Ich nehme mit, dass hier sehr mutmachende Aussagen getroffen worden sind. Als ich heute ins Gespräch gegangen bin, habe ich mich vorher gefragt, was wünsche ich mir? Ich wünsche mir Neugier, was hinter dem Tellerrand des eigenen Clubs so geschieht, ich wünsche mir Vertrauen, dass die da oben schon wissen, was sie tun und Wohlwollen hinsichtlich der Tatsache, dass Kommunikation in vielen Fällen zwar für den deutschen Sprachraum aufbereitet ist, aber dass die Inhalte trotzdem einer internationalen diversen Organisation genügen müssen. Und das hat sich für mich heute schon so angefühlt. Deswegen: Ich gehe auch mit einem richtig positiven Gefühl aus dem Gespräch und sage vielen herzlichen Dank, insbesondere auch für die eine oder andere kritische Botschaft, die ich sehr gerne mitnehmen werde, denn das ist wichtig, insbesondere, was die Praxisnähe angeht. Aber die hat Rotary sowieso schon. Und daran wollen wir weiterarbeiten.
European Summit: Rotarier aus ganz Europa trafen sich vom 30. August bis 1. September 2024 auf Einladung von Vize-RI-Präsident und RI-Direktor Hans-Hermann Kasten zum European Summit in Bonn. Um die Themen Europa und Nachhaltigkeit mit Rotary bestmöglich zu verknüpfen, stand auf dem Programm eine Kombination aus Keynote-Speakern, Breakout-Sessions und Begegnungen im „Haus der Freundschaft“. Die Idee zu diesem Gespräch entstand aus einer der Breakout-Sessions zu der Frage, wie Rotary International seine Kommunikation in die Clubs verbessern kann.