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Porträt

Für mehr Bildung an der Aquariumsscheibe

Porträt - Für mehr Bildung an der Aquariumsscheibe
Herrliche Unterwasserwelt: Um die Natur zu schützen und mehr Wissen über die Ozeane weiterzugeben, will Emanuel Hensel in Deutschland ein Großaquarium initiieren – damit Flora und Fauna der Meere erlebbar werden, erforscht werden können und Riffe, Seegraswiesen oder Fischbestände andernorts in natura geschützt werden können. © privat (alle Fotos)

Der Meeresbiologe Emanuel Hensel will Aquarien zu nachhaltigen Erlebnis- und Kompetenzzentren für alle machen und so die Natur schützen

01.03.2023

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18 Mio. Liter Wasser fasst das Becken des SEA-Aquariums (South East Asia Aquarium), Singapur, und bietet Tausenden Fischen damit beste Lebensbedingungen. Ein deutlich kleineres Becken in Röhrenform zerplatzte in Berlin im Dezember.

Als am 16. Dezember 2022 das Großaquarium in einem Berliner Hotel einfach zerplatzte und sich mehr als eine Million Liter Wasser samt 1500 Fischen ins Gebäude ergoss, war selbst Emanuel Hensel verblüfft. Die riesige Acrylglas-Röhre, in der man zuvor aus einem Fahrstuhl heraus Fischschwärme beobachten konnte, war seinem Ideal von "Eintauchen in die Unterwasserwelt" schon ziemlich nahegekommen. "Dass die Röhre mit ihren 30 cm dicken Wänden bersten könnte, hat wohl angesichts zahlreicher Spezialtechniken und hohen Expertenwissens, die beim Bau eingesetzt wurden, niemand erwartet", so der promovierte Meeresfachmann. Fische auf den Fluren bis auf die Straße, allein bei dem Gedanken blutete ihm das Herz.

Frühe Fischfreuden

Der 55-Jährige entdeckte bereits als Knirps im Berliner Zoo-Aquarium seinen Hang zum Fisch. Schon bald hatte er ein eigenes kleines Aquarium in der Küche stehen. Seine tiefschwarzen "Black Mollys" kannte er bis in die letzte Fischschuppe. Ein von den Eltern besorgtes Duplikat eines plötzlich verstorbenen Fisches, enttarnte sein junges Aquarianer-Auge daher sofort.

Seit damals gehören auch die gepunkteten Argusfische aus dem Indopazifik zu seinen Lieblingen. "Die kennen nur wenige. Bekannter ist wohl Filmstar Nemo, der einen echten Hype ausgelöst hat." Aber selbst, wenn diese Welle bei manchem Hobby-Aquarianer schnell wieder abflaute: Der Film über den Anemonenfisch und seine Freundin Dorie (übrigens ein Doktorfisch) hat eine Menge Wissen gebracht. "Und Aufmerksamkeit für einen Lebensbereich, der aus dem Blickfeld zu rutschen drohte. Mit Themen wie Meeresverschmutzung kann nun jedes Kind etwas anfangen."

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Faszinierend: Schwarzspitzen-Riff-Hai im Aquarium des Burj al Arab Hotels, Dubai (VAE)

Für ihn als Biologe zählt neben dem Meeresschutz vor allem Nachhaltigkeit. Seit Mitte der 1990er Jahre werde das Thema auf Kongressen diskutiert. Er selbst untersuchte zudem bereits in seiner Diplomarbeit, ob Meerasseln infolge des Klimawandels in der Nordsee überleben könnten. Die kleinen Krebstiere gelten als "Recycler" von organischem Material und sind wichtig für das marine Ökosystem, erläutert Hensel.

Faszinierender Moment

Nach dem Studium konnte er für ein Jahr im Aquarium von Valencia Erfahrungen sammeln. Dass er dort die Geburt des ersten Belugawalbabys in Gefangenschaft erleben konnte, zählt er zu den faszinierendsten Momenten seiner Laufbahn. Später arbeitete er als Aquariumsberater, legte zwischendurch einen kurzen Stopp beim Tierpark Hagenbeck in Hamburg ein. Zwei Jahre war er zudem für das Aquarium auf Helgoland als Leiter und Kurator verantwortlich. "Dort wurde ich herzlich vom Rotary Club aufgenommen. Das Insel-Aquarium musste wegen Bauschäden leider geschlossen werden, aber mit den rotarischen Freunden arbeite ich immer noch zusammen – unter anderem sind Seabins unser Thema."

Die schwimmenden Mülltonnen sind ein Beitrag, um all den Unrat, der aus Flüssen und von der Küste ins Meer geschwemmt wird, abzufischen, so der Meeresfachmann. Ein erster Test zeigte bereits, wie Bonbonpapier, Limoflaschen und selbst zerriebene Plastikteilchen bis 3 mm Größe erfolgreich von der Wasseroberfläche in ein Netz gesaugt werden. Eine französische Firma bietet inzwischen ein Seabin-Modell mit einer 320-Liter-Sammelvorrichtung an — das würde die Entleerung und Entsorgung erleichtern, weiß Emanuel Hensel. Der ehemalige Bürgermeister von Helgoland ist auf jeden Fall schon Feuer und Flamme und zählt auf die Rotarier.

Dass sich rotarische Freunde auch in Netzwerken wie BASRAN (zum Schutz der Ostsee) oder bei End Plastic Soup stark machen für saubere Gewässer, freut den Fachmann. Dennoch wünscht er sich mehr Druck von engagierten Bürgern auf die Politik, damit der Erhalt der Ozeane mehr Gewicht bekommt. Reisen zu verbieten – auch in Zeiten des Klimawandels —, hält er dagegen für eine wenig praktikable Idee. Vielmehr müsse Reisen nachhaltiger werden. Deutlich intensiver sollte auch über den Verbleib von Pandemie-Überbleibseln wie Masken und Schutzkleidung nachgedacht werden. "Sonst", fürchtet er, "landen die irgendwann doch wieder im Meer."

Darüber spricht er auf Fachkongressen mit Kollegen genauso wie in Meetings vor interessierten Bürgern oder bei der rotarischen Ostseekonferenz. "Die Diskussion darf nicht abflauen", warnt er. "Klimaschutz und Naturschutz gehören zu den wichtigsten Themen der nächsten Jahre. Denn steigt die globale Temperatur auf der Erde um 1,5 Grad an, wird ein Drittel aller Korallen in den Meeren weltweit sterben. Steigt die Temperatur um 2 Grad, werden es 98 Prozent sein." Seine Aufgabe sieht er deshalb auch darin, junge Menschen stärker an "seine" Meeresthemen heranzuführen.

Sägefisch im SEA-Aquarium (South East Asia Aquarium) in Singapur

Fischlos bis 2048?

Inzwischen arbeitet Emanuel Hensel aber vor allem als Projektentwickler für Großaquarien. Derzeit macht er sich stark für eine Riesen-Erlebniswelt unter Wasser — mitten in Deutschland: ein Aquarium, dessen größtes Becken 36 Millionen Liter fassen soll. "Weit größer als die großen Wasserbecken in Singapur, Atlanta, in der chinesischen Provinz Guangdong oder in Abu Dhabi", schwärmt der Meeresbiologe. "Kein Fischmuseum, sondern ein Areal, in dem man die Unterwasserwelt in allen Facetten erleben und erkunden kann. Gleichzeitig soll eine Stiftung dort auch Forschung ermöglichen, vor allem zur Wasserqualität und zur Nutzung der Meere. Denn wenn die Überfischung und Verschmutzung der Meere weiter so voranschreitet wie bisher, wird es spätestens 2048 keine Fische mehr in den Ozeanen geben." Derzeit, gibt er zu bedenken, leben jedoch etwa 200 Millionen Menschen auf dieser Erde in der einen oder anderen Form direkt vom Fischfang.

Aquarien müssten deshalb Kompetenzzentren zum Schutz der Meere werden, der im Zusammenspiel mit Reedern, Anglern, Meeresschützern, Anwälten, Ministerien betrieben werden sollte, ist seine Meinung. "Vor allem aber müssen Aquarien ein Ort sein, wo die Menschen begreifen können, wie schön dieser Planet, wie vielfältig diese wunderschöne Welt unter Wasser ist. Ein Ort, wo sie Haifisch oder Stör samt Seestern und Krabbe mal Auge in Auge begegnen können. ‚Erleben – verstehen – schützen‘ muss die Devise sein."


© privat

Dr. Emanuel Hensel

(RC Helgoland)

Nach Chemie- und Biologiestudium Arbeit als Aquarist; Doktorarbeit; Stationen in Valencia, Berlin, Hamburg und Helgoland; seit 2005 als Aquarium Consultant tätig; gehört zu den Gründern der Aquarium Research Foundation e.V.; will in Deutschland ein Groß-Aquarium als Forschungs- und Kompetenzzentrum etablieren; Engagement auch im Rotary Club für den Meeresschutz