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Rotary Entscheider

„Entweder richtig oder gar nicht“

Rotary Entscheider - „Entweder richtig oder gar nicht“
Hotelchef Henning Matthiesen durfte sich über eine hohe Auslastung während der Weihnachtsfeiertage und Neujahr freuen © Andrea Fabry

Das Brenners Park-Hotel & Spa war während der Pandemie gut zehn Monate geschlossen – eine Herausforderung für seinen neuen Chef Henning Matthiesen

01.01.2022

Seit je zieht die idyllische Kleinstadt Baden-Baden ein zahlungskräftiges Publikum an. Kein Wunder, dass sich an einem solchen Ort eines der besten Hotels Deutschlands etabliert hat. Das traditionsreiche Haus verfügt über 100 Zimmer und Suiten sowie über mehr als 300 Angestellte. „Die brauchen wir, um den perfekten Service zu liefern“, sagt Hotelchef Henning Matthiesen. Durch das Kaminzimmer, in dem entspannte Pianomusik läuft und ein Feuer knistert, geht es ins Restaurant „Fritz & Felix“, in dem das Gespräch stattfindet.

Herr Matthiesen, das Brenners war 2020 für knapp drei Monate geschlossen, dann ein weiteres Mal von November 2020 bis Anfang Juni 2021. Wie ist das Geschäft nach der Wiedereröffnung angelaufen und wie ist die Belegung?

Gut ist es angelaufen. Es gab und gibt eine hohe Nachfrage, allerdings gehen die Buchungen etwas kurzfristiger ein als vor der Pandemie. Dabei hilft uns unsere Lage: Unsere Gäste kombinieren kulturelle, sportliche und gastronomische Angebote, die die Stadt Baden-Baden und der nahe gelegene Schwarzwald bieten.

War es für Sie keine Option, für Geschäftsreisende geöffnet zu bleiben und Frühstück aus Pappschachteln anzubieten? Manche Hotels haben genau das gemacht.

Erstens reisen unsere Gäste vorwiegend privat, zweitens passt die Erwartungshaltung, die die Gäste ans Brenners haben, nicht zu Pappschachteln. Nein, entweder richtig oder gar nicht.

Wie eröffnet man ein solch großes und renommiertes Haus wieder?

Das war herausfordernd, weil wir erst kurzfristig Bescheid bekamen. Wir haben während der Schließzeiten Kontakt zu unseren Gästen und Mitarbeitern gehalten, aber trotzdem kann man nicht einfach auf einen Knopf drücken und sagen: Los geht’s. Das Kühlhaus war leer, die Betten nicht bezogen und die Tische nicht gedeckt. Und das Logistische: Wenn ein Hotel öffnet, öffnen auch die anderen. Da rufen alle auf einmal bei den Lieferanten an. Wir haben uns so vorbereitet, dass wir innerhalb von vier Tagen voll eröffnen konnten. Und wir haben die Zeit genutzt, um Vertrieb und Marketing zu optimieren, denn wir wussten, dass wir in einigen Regionen aktiver werden mussten, etwa in Benelux oder in der Schweiz.

Ist es Ihnen gelungen, dort neue Märkte zu erschießen?

Das ist ein hart umkämpftes Pflaster, wir müssen uns um Anteile an den Märkten bewerben. Wir analysieren sehr genau und entsprechend positionieren wir uns. Das gelingt uns besonders gut in Frankreich, weiterhin in Russland, England, in den USA und im Mittleren Osten, neuerdings aber auch in Benelux.

Wie haben Sie Ihre Mitarbeiter, die während der zweiten Schließzeit gut sieben Monate nicht gearbeitet haben, wieder ans Arbeiten gekriegt?

Die meisten Mitarbeiter waren in Kurzarbeit, aber all unsere 55 Auszubildenden waren hier vor Ort. Wir haben sie unterschiedlich geschult, zum Beispiel im Bereich Marketing und Revenue Management (Buchungssystem, d. Red.). Aber wir haben auch eine Weinberg AG gegründet und unsere Azubis zu unseren Winzern in den Weinberg geschickt, wo sie mitgearbeitet haben. Unser Kernteam war die ganze Zeit im Einsatz. Wir hatten jeden Tag zwei Meetings, eines morgens, um zu besprechen, wer heute was macht, und eines nachmittags, um zu berichten, was wir geschafft haben. Unsere weiteren Kollegen haben wir darüber in Videocalls informiert. Kurz vor der Eröffnung haben wir das ganze Team dann in kleinen Gruppen ins Hotel zurückgeholt, haben die Gäste kontaktiert, die Systeme wieder geöffnet und sind mit einer 60-Prozent-Auslastung gestartet.

In der Pandemie haben viele Mitarbeiter aus dem Hotel- und Gaststättenverband die Branche verlassen. Hatten Sie Probleme, Ihre Stellen zu besetzen?

Nein, die Abgänge kann ich an zwei Händen abzählen. Die Loyalität unserer Mitarbeiter ist sehr hoch. In Baden-Baden ist das vielleicht auch entspannter als in Großstädten.

In Luxushotels ist der erste Kontakt enorm wichtig. Wie geben Sie Ihrem Gast mit Maske das Gefühl, der Allerwichtigste zu sein?

Ein Lächeln erkennt man doch auch an den Augen. Wichtiger ist, dass unsere Gäste unsere Leidenschaft und Herzlichkeit spüren. Dann kommen sie gern wieder. Die Mitarbeiter sind die Seele des Hauses. Unser Hotel, dieser Ort, wird so besonders durch drei Dinge: unsere We te, unsere Mitarbeiter und unsere Gäste.

Wie schaffen Sie es, dass Ihre Gäste viel, viel Geld bei Ihnen ausgeben?

Wir wollen unsere Gäste nicht zufriedenstellen, sondern begeistern. Zeit ist ein Luxusgut geworden. Man sieht sie nicht, aber sie ist kostbar. Unsere Aufgabe ist es, die Zeit unserer Gäste perfekt zu gestalten. Ein Beispiel: Es kommt nicht auf den Kaffee selbst an, den sie trinken, sondern auf den Mitarbeiter, der ihn serviert. Ein kurzes Gespräch, eine kleine Aufmerksamkeit – darauf kommt es an. Sie haben doch sicher auch Ihr Stammrestaurant, in das Sie mit Ihrer Familie immer gern gehen, weil Sie als Gast wiedererkannt werden. Wenn das Essen selbst einmal nicht so gut war, gehen Sie trotzdem wieder hin, wenn die Menschen die Bindung aufrechterhalten. Geht diese Bindung verloren, gehen Sie wahrscheinlich nicht mehr hin. Wir fragen unsere Gäste beim Frühstück: „Guten Morgen, Frau und Herr Meyer, ich hoffe, Sie haben gestern das Theater genossen. Ich habe später am Abend noch an Sie gedacht und gehofft, dass Sie trocken ins Hotel zurückgekommen sind. Es hat ja ein wenig geregnet.“ So etwas schafft Nähe.

Wie gehen Sie mit nörgelnden Gästen um? Hat der Gast auch recht, wenn er nicht recht hat?

So etwas haben wir gar nicht. Die Gäste haben hohe Ansprüche und das ist legitim. Ich sage ihnen immer: „Wenn Ihnen etwas gefallen hat, erzählen Sie es allen. Haben Sie etwas zu bemängeln, sagen Sie es mir.“ Wenn jemandem das Brot oder die Suppe nicht schmeckt, lasse ich mir beides bringen, und wenn ich merke, dass es qualitativ nicht in Ordnung war, ändern wir das. Aufmerksames Zuhören ist heute auch viel wert. Wir stellen uns, unsere Arbeit, unser Interieur permanent infrage. Ist das Design der Gläser noch zeitgemäß, das Geschirr, das Besteck? Denn wir müssen bei jedem Gast und bei jedem Essen eine Champions-League-Performance abliefern.

Es fällt auf, dass die meisten Ihrer Gäste leger gekleidet sind.

Die große Mehrzahl unserer Gäste sind Privatreisende, die ihre kostbare Zeit sinnvoll nutzen und etwas Tolles erleben möchten. Ich sage immer: „Jeder soll sein Brenners bei uns finden, jede Generation“, weil wir den Spa haben, den Medical Care, das gute Essen, die Natur des Schwarzwalds vor der Tür, dazu das kulturelle Angebot von Baden-Baden. Aber natürlich kommen auch immer wieder mal Gäste, die Anzug tragen.

Checken bei Ihnen vor allem Gäste jenseits der 60 ein?

Nein, das ist ganz gemischt. Gerade seit dem Sommer haben wir viele neue Gäste, die 40 oder Mitte 40 sind. Wir haben aber vor allem langjährige Stammgäste, der überwiegende Teil unserer Kunden kommt wieder. Viele Gäste besuchen uns sogar schon generationenübergreifend. Trotzdem müssen wir uns immer weiterentwickeln, ohne uns aber zu sehr zu verändern. Der Mensch mag einerseits keine Veränderung, aber er möchte schon sehen, dass man mit der Zeit geht. Das müssen wir ganz behutsam machen, ohne den Stammgästen etwas zu nehmen.

Welche Automarken findet man in Ihrer Tiefgarage?

Wenn Sie sich unsere Zimmerpreise anschauen, können Sie sich ja vorstellen, was da in der Garage steht.

Können Sie wirklich vermögende Gäste von Möchtegern-Millionären unterscheiden?

Früher war das einfacher. In den vergangenen Jahrzehnten ließen sich die Gäste leichter in Kategorien einteilen. Damals gab es noch Dresscodes. Heutzutage ist das anders: Da ist der 30-jährige Start-up-Leiter schon sehr vermögend und kleidet sich halt leger. Es gibt nicht mehr unseren typischen Gast. Wir können ohnehin keine Unterschiede zwischen unseren Gästen machen.

Und was bedeutet Ihnen Rotary?

Rotary ist für mich in erster Linie der Austausch mit spannenden Persönlichkeiten aus verschiedenen Berufsfeldern, den ich als sehr bereichernd empfinde. Aber ich schätze natürlich auch sehr das soziale Engagement.

Das Gespräch führte Björn Lange


Zur Person

Henning Matthiesen, RC Köln-Hahnentor, absolvierte seine Ausbildung zum Hotelfachmann im geschichtsträchtigen Hotel Prem in Hamburg. Er war General Manager im Grand Hotel Heiligendamm und von 2012 bis 2019 Geschäftsführender Direktor im Excelsior Hotel Ernst in Köln. Seit Januar 2020 ist er Geschäftsführender Direktor des Brenners Park-Hotel & Spa in Baden-Baden.

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