Interview
Historische Zeitenwende für Firmen
Das sicherheitspolitische Umfeld hat sich durch den Ukraine-Krieg stark gewandelt. Für Rüstungsunternehmen wie Rheinmetall ist das von entscheidender Bedeutung. Ein Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden Armin Papperger
Herr Papperger, Sie haben Ihr ganzes Berufsleben bei Rheinmetall verbracht, was hat diese Firma, was andere nicht bieten?
Als Diplom-Ingenieur spielt für mich zum einen die Faszination für Technik eine große Rolle und zum anderen schätze ich die Verbindung aus bewährtem Traditionsunternehmen und agilem Technologiekonzern. Rheinmetall ist ein substanzstarkes Unternehmen, dem es auch nach über 130-jährigem Bestehen immer wieder gelingt, seine technologische Innovationskraft zu beweisen.
Wie fühlt es sich an, vom Repräsentanten einer dauergebashten Buhmann-Branche zum umworbenen Heilsbringer zu avancieren?
Frieden, Freiheit und Wohlstand galten in unserem Land jahrelang als selbstverständlich. Diese vermeintliche Gewissheit ist über Nacht zerbrochen. Manch einer mag in den vergangenen Jahren vergessen haben, dass dieser Zustand von Frieden und Freiheit in Europa eine zentrale Grundlage benötigt: Sicherheit. Diese Sicherheit war seit Ende des kalten Krieges nicht mehr so gefährdet wie heute. Bereits heute stelle ich ein breit angelegtes Umdenken in Deutschland fest. Die Sorge um die eigene Verwundbarkeit und das Bedürfnis der Bevölkerung nach Sicherheit sind gestiegen. Ein Prozess der kritischen Reflexion hat eingesetzt, Sicherheitsvorsorge steht wieder auf der Agenda. Für mich ist Krieg kein erstrebenswerter Zustand – im Gegenteil! Ich möchte bewaffnete Konflikte verhindern. Insofern ist der Anlass sehr traurig, warum Rheinmetall nun eine andere Rolle für die Politik und in der deutschen Öffentlichkeit spielt.
Rheinmetall offeriert hierzulande derzeit knapp 250 Stellen, gesucht werden vor allem auch die ohnehin überall begehrten Ingenieure. Haben Sie durch den enormen Imagewandel Ihrer Branche jetzt bessere Chancen auf qualifizierte Bewerber?
Auf der Grundlage eines hohen Bewerberinteresses und eines Umdenkens im Hinblick auf die Bedeutung von Sicherheit sind wir sehr zuversichtlich, auch in Zukunft engagierten Menschen mit Potential und Affinität für Technologie bei Rheinmetall ein spannendes berufliches Umfeld bieten zu können. Als High-Tech-Unternehmen hat Rheinmetall einen guten Ruf in der Berufsgruppe der Ingenieure. Jedes Jahr erreichen uns rund 145.000 Initiativbewerbungen weltweit, 64.000 davon allein in Deutschland.
Welches sind die drei größten Herausforderungen, die derzeit auf Ihrem Schreibtisch liegen?
Herausforderungen sind es, die mich antreiben. Im Zuge meines über 30 Jahre langen Werdegangs bei Rheinmetall habe ich stets die Erfahrung gemacht, wie agil und bewegt – stets geprägt vom Wandel – sich das sicherheitspolitische Umfeld darstellt. Wir befinden uns inmitten einer historischen Zeitenwende und dieser zu begegnen, ist eine der größten Herausforderung der kommenden Dekaden. Weiter stellt die fortschreitende Digitalisierung auch Rheinmetall vor große Herausforderungen. Ich sehe uns mit unserer Digitalisierungsstrategie an dieser Stelle aber gut gerüstet für die Zukunft. Erst kürzlich haben wir in dieses Thema investiert und ein Joint Venture mit Deutschlands größtem Biometrieunternehmen, der DERMALOG Identification Systems GmbH, gegründet. Sicherlich nicht weniger herausfordernd für mich ist die gesellschaftliche Problemstellung des fortschreitenden Fachkräftemangels. Wir sind stets auf der Suche nach engagierten und technologie-affinen Mitarbeitern, die gemeinsam mit uns aktiv die Zukunft und den Wandel gestalten möchten. Wir bieten unseren Mitarbeitern langfristige Perspektiven in einem spannenden und internationalen Zukunftsmarkt. Bei uns gibt es das Beste aus beiden Welten: sozusagen Kontinuität und Tradition meets Start-Up.
Welche Produkte Ihres Hauses würden Sie der Ukraine derzeit am liebsten verkaufen? Und welche würden der Ukraine am meisten helfen?
Wir haben der Bundesregierung Potentiale für kurzfristig lieferbare Produkte und Systeme dargelegt, um einen Eindruck über die Lieferfähigkeit zu geben.
Wächst angesichts der ungewissen politischen Sicherheitslage die Kooperation in Ihrer Branche? Oder führt das geplante 100 Milliarden-Euro-Paket eher zu Konkurrenzdruck?
In unserer Branche zeichnet sich die Zusammenarbeit mit unseren nationalen und internationalen Mitbewerbern durch ein erfolgreiches Miteinander in vielen Projekten aus.
Bereiten wir uns gerade auf den dritten Weltkrieg vor?
Eine diesbezügliche Einschätzung zu diesem Zeitpunkt würde nicht gerade von Seriosität zeugen. Es ist aber zu erwarten, dass wir uns in den nächsten Jahren auf weitere Konflikte, beispielsweise im Nahen Osten oder in Asien, einstellen müssen. Umso wichtiger ist der Aufbau beziehungsweiese die Erhaltung der Verteidigungsfähigkeit demokratischer Staaten.