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Rotary Entscheider

Mit dem Herz-König gegen die Pandemie

Rotary Entscheider - Mit dem Herz-König gegen die Pandemie
Vor allem Gesellschaftsspiele sind der Renner in Lockdown-Zeiten © Hubert Nowak

Des einen Leid, des anderen Freud. In der Pandemie gibt es auch wirtschaftliche Gewinner wie Dieter Strehl, Geschäftsführer der Wiener Spielkartenfabrik Piatnik & Söhne.

01.02.2021

Die Lockdowns des vergangenen Jahres haben die Nachfrage nach Spielen angefacht. Nicht nur die Spielkonsolen der digitalen Big Player boomen, auch Gesellschaftsspiele. Dieter Strehl freut sich über teils gewaltige Umsatzzuwächse.

Wie hat sich die Krise 2020 bei der Firma Piatnik bemerkbar gemacht?

Fast nur positiv. Corona war für unser Geschäft ein gewaltiger Impuls. Es gab zwar schon seit mehreren Jahrzehnten einen Trend zu Gesellschaftsspielen, aber im März 2020, mit dem ersten Lockdown, ging es sprunghaft nach oben. Gleich im März lag der Umsatz um 63 Prozent über dem vom März 2019. Und auch danach war der Umsatz in jedem Monat über dem des Vorjahresmonats.

War das alles nur den Lockdowns zuzuschreiben?

Nein, unser neues Kinderspiel Speedy Roll wurde 2020 in Deutschland, erstmals für einen österreichischen Spieleverlag, zum Kinderspiel des Jahres gewählt. Die Jury hat das aus Hunderten neuen Spielen prämiert. Der Effekt war eine Verhundertfachung des Absatzes. Das ist ähnlich wie ein Oscar. Und wir haben auch den österreichischen Spielepreis gewonnen, mit Smart 10, einem von österreichischen Autoren entwickelten Quizspiel für Familien und Erwachsene.

Sind Kartenspiele auch so stark gefragt?

Da war es etwas anders. Erstens sind Brettspiele in und zweitens sind Kartenspiele komplizierter. Nach zweimal Activity spielen ist man ein Meister, aber wenn ich zweimal Bridge gespielt habe, darf ich bei Leuten, die das Spiel beherrschen, vielleicht gerade zuschauen, aber nur, wenn ich ruhig bin. Also, da sind die Level sehr unterschiedlich und deshalb ist es auch schwieriger, Leute neu zum Kartenspiel zu bringen. Bei Kartenspielen haben sich die neutralen Spiele im Einzelhandel auch besser verkauft, aber Spielkarten für Industrie- und Werbekunden hatten Umsatzeinbußen von 90 Prozent und mehr. Auch Casinokarten haben wir kaum verkauft.

Apropos Activity. Das gibt es noch immer?

Und wie! Das wurde im Vorjahr 30 Jahre alt und es ist ganz selten, dass ein Brettspiel zum Klassiker wird und mit Leichtigkeit durchhält. Es ist unglaublich erfolgreich und macht einen großen Teil unserer Spieleverkäufe aus. Allein in Russland haben wir davon eine Million Exemplare verkauft. Activity gibt es in vielen Sprachen und alle Spiele werden hier in Wien in der Hütteldorferstraße erzeugt.

Wie kann man sich die Entwicklung eines neuen Spiels vorstellen?

Das ist wie bei einem Buchverlag. Pro Jahr werden bis zu 1000 Ideen an uns herangetragen. Die Erfinder sind nicht bei uns angestellt, sondern frei und schließen auch mit anderen Verlagen ab. Professionelle Spieleerfinder werden auch von Agenten vertreten. Dann gibt es Spieletester, die ein erstes spielfähiges Muster ausprobieren, das ist eine Community von Spezialisten, auch die sind freiberuflich. Und dann werden bei uns von den 1000 Ideen etwa 20 umgesetzt. Davon bleiben die meisten etwa ein bis zwei Jahre im Sortiment. Nicht alle Spiele werden zum Dauerläufer. Das ist wie bei Kinofilmen oder Büchern. Man kann einen Erfolg nicht richtig planen, man erhofft ihn und hin und wieder passiert er. Man braucht aber die Erfolge, um Neues ausprobieren zu können.

Berühmt wurde die Firma Piatnik ja eigentlich als Spielkartenfabrik.

Das sind wir natürlich immer noch. Wir erzeugen neben 2,5 Millionen Stück Gesellschaftsspielen im Jahr rund 20 Millionen Pakete Spielkarten. In der gesamten Gruppe machen wir damit einen Umsatz von ungefähr 35 Millionen Euro. Gruppe heißt, dass wir neben dem Stammhaus in Wien Vertriebsgesellschaften in Ungarn, Tschechien, Deutschland und den USA haben, mit insgesamt rund 150 Mitarbeitern.

Piatnik ist heute ein Begriff, aber Gründer der Firma war ja ein Herr Moser.

Dieser Herr Moser hat damals schon mit etwa zehn Mitarbeitern Spielkarten hergestellt und er hatte einen Gesellen namens Ferdinand Piatnik aus Budapest. Der war Kartenmaler. Damals konnte man noch nicht farbig drucken, sondern gedruckt wurden nur die Umrisse der Figuren – und diese wurden dann händisch mittels Schablonen koloriert. Als dieser Herr Moser 1843 starb, hat der Herr Piatnik die Witwe geheiratet und die Firma übernommen.

Also ein k.u.k.-Betrieb von Beginn an. War das der Grundstein für die heutige Exportorientierung?

Natürlich, Piatnik war immer in den Kronländern der Monarchie vertreten. Heute exportieren wir in über 70 Länder weltweit, auch nach Australien und Neuseeland. Spannend sind da die kulturellen Unterschiede. In Afrika, außer in Südafrika, gibt es kaum Interesse an Gesellschaftsspielen, aber Spielkarten kann man in mehreren afrikanischen Ländern verkaufen. Japan ist zum Beispiel für Gesellschaftsspiele schwierig, weil die sehr digital orientiert sind, aber dafür kann man in Südkorea unglaublich viele Gesellschaftsspiele verkaufen, was man nicht vermuten würde.

Ist es problematisch, einen Industriebetrieb mitten im dicht bebauten Wohngebiet Wiens zu haben?

Na ja, als Piatnik 1891 hier die Fabrik mit der Druckerei gebaut hat, war rundum nur grüne Wiese. Jetzt haben wir hier 10.000 Quadratmeter Produktions- und Lagerfläche. Die Wohnhäuser sind lange nach uns gekommen. Es gab schon einmal die Überlegung, aus Wien wegzugehen, aber wir heißen Wiener Spielkartenfabrik und wir sehen uns als Wiener Betrieb. Die Stadt hat ja auch Vorteile, die Verkehrsverbindungen für Mitarbeiter und Lieferanten, und auch die kreativen Ideenbringer sind eher hier als am Land.

Und seit den Anfängen ist Piatnik ein Familienbetrieb. Wie ist das gelungen?

Einerseits weil auch die früheren Generationen immer gut gewirtschaftet und immer investiert haben. Häufig wurden Mitbewerber aus dem Feld geschlagen oder übernommen, darunter die Vereinigten Budapester Spielkartenhersteller. Die Firma ist jetzt 196 Jahre alt, damals hat es allein in Wien noch mehr als 100 Spielkartenproduzenten gegeben. Und andererseits, weil wir im Gesellschaftsvertrag vorgesehen haben, dass nur direkte Nachkommen des Firmengründers Anteile am Unternehmen halten dürfen – das sind also alles Verwandte. Geschäftsführer kommen manchmal auch von außen.

Bis vor kurzem hattest du ja sogar einen Ferdinand Piatnik als deinen Co-Geschäftsführer.

Ja, mein Cousin, das ist Ferdinand Piatnik der Vierte, der ist jetzt in Pension, übrigens auch Rotarier. 

Spielst du selbst eigentlich?

Welche Frage! Ich spiele gerne, nicht nur, weil ich es muss. Das ist als würde man einen Buchverleger fragen, ob er liest, oder einen Weinbauern, ob er Wein trinkt. Natürlich tut er das. Weil man ja nur etwas verkaufen kann, wenn man davon etwas versteht.

Testest du auch die neuen Spiele selbst? In der eigenen Familie?

Nein, das habe ich früher gemacht, als meine Kinder klein waren. Die waren von den meisten Dingen begeistert, bis ich draufgekommen bin, dass das vor allem deshalb war, weil wir gemeinsam Zeit verbracht haben, aber das war keine Erfolgsgarantie für die Spiele. Heute spiele ich am liebsten Tarock.

Das gilt als schwierig. Spielst du gut?

Ich spiele ab und zu mit exzellenten Spielern, die mich mitspielen lassen, und habe auch an Turnieren teilgenommen. Ich habe mehrere Runden, die sich dadurch auszeichnen, dass sie unterschiedliche Regeln verwenden. Die Basisregeln sind natürlich gleich, aber der Rand ist ein wenig ausgefranst.

Deine Söhne sind jetzt schon erwachsen. Werden die einmal in die Firma eintreten?

Das weiß ich nicht. Einer ist jetzt in Berlin bei einem Internet-Unternehmen, der andere bei einem österreichischen Industriebetrieb. Ausgeschlossen ist es nicht, dass einer von ihnen einmal ins Unternehmen kommt, aber es ist genauso möglich, dass ein Junger von anderen Verwandten hereinkommt.

Bist du ein engagierter Rotarier?

Na ja, ein mäßig engagierter Rotarier. Was mir an Rotary nicht so gefällt ist, wenn die Clubs so groß werden, dass man nicht mehr weiß, wie die anderen Mitglieder heißen.

Präsident warst du noch nicht?

Nein, ich habe allen mitgeteilt, dass ich das erst machen kann, wenn ich in Pension bin.

Da hast du aber noch Zeit!

Ja, und das ist auch gut so!

Das Gespräch führte Hubert Nowak.

Unser Autor und Piatnik-Chef Dieter Strehl kennen und schätzen sich seit Jahrzehnten. Im Großraum Wien ist im rotarischen Kreise ohnehin bekannt, dass sich Nowak und Strehl seit vielen Jahren duzen. Aus diesem Grund haben wir auf das übliche „Sie“ zwischen Interviewer und Interviewtem verzichtet.