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Rotary Entscheider

„Unsere Zurückhaltung hat sich lange bewährt “

Rotary Entscheider - „Unsere Zurückhaltung hat sich lange bewährt “
In der Osnabrücker Produktion werden noch ein paar letzte Artikel für Weihnachten 2024 konfektioniert. © Bettina Meckel-Wolf

Die Geschichte des Süßwaren-Unternehmens Windel Group begann im Jahre 1900, mittlerweile wird die Osnabrücker Firmengruppe von der vierten Generation gelenkt. Ein Besuch bei Geschäftsführer Fred Windel

01.12.2024

Spätestens im September begegnet man den zahlreichen Advents- und Weihnachtsartikeln der Windel Group in den Regalen des Lebensmitteleinzelhandels sowie in Fachgeschäften – aber sie sind wie die meisten anderen Produkte der Gruppe nicht immer gleich als solche erkennbar.

Herr Windel, meine private Umfrage „Kennst du Windel-Schoko?“ ergab nur wenige Treffer, mit etwas Nachhilfe aber fiel dann meist das Stichwort Adventskalender.

Ja, mit unserem Adventskalendersorti - ment sind wir sehr breit aufgestellt. Tatsächlich aber produzieren und ver - kaufen wir unsere Schokolade, Präsente und Kaffee nicht nur anlässlich der Advents- und Weihnachtszeit, sondern das ganze Jahr über für alle erdenkli - chen Gelegenheiten, und das in über 70 Ländern der Welt. Aber eben nur teil - weise unter dem Namen Windel. Ich bin eher verhalten mit der Kommunikation über die Dinge, die wir so tun, denn unsere Zurückhaltung hat sich lange bewährt. Es machte für uns nicht viel Sinn, ins Rampenlicht zu treten, daher haben wir in der Vergangenheit kaum Öffentlichkeitsarbeit betrieben.

Aber das hat sich nun geändert, zum Beispiel sind Sie seit dem Start der Bundesliga gut sichtbarer Sponsor des VfL Osnabrück – wie kam das?

Durch meinen fußballbegeisterten Sohn, der Anfang 2024 als Vertreter der fünften Generation bei uns einstieg. Wenn man, wie wir, stark wächst, wird die Notwendigkeit größer, auch in der Öffentlichkeit besser verankert zu sein. Man muss für mehr Visibilität in der Stadt, aber auch überregional sorgen, und das sowohl für das Unternehmen als auch die Produkte – das ist mittlerweile für das Recruiting unerlässlich. Vor allem im technischen Bereich ist das Potenzial Osnabrücks begrenzt. Dabei sind unsere Produkte mit hohem emotionalen Charakter von Vorteil bei der Suche. Was im Übrigen auch für die Einbindung von Familienmitglie - dern nützlich ist, meine Frau und ich haben schon früh mit unseren Kindern über neue Produkte diskutiert. Aufgrund der Zusammenarbeit mit dem VfL verlosen wir nun regelmäßig Karten für die Heimspiele, das kommt bei der Belegschaft gut an.

Die Windel Group blickt auf eine lange Historie zurück – wurden Sie zwischen Schokoladentöpfen groß?

Als ich ein Kind war, also in den 60ern, waren wir noch ein kleiner, regionaler Süßwaren- und Spirituosengroßhandel und hatten keine eigene Produktion. Ich habe aber oft im Lager gespielt, bin mit einem Handkarren die Regalreihen abgefahren und startete heimlich unsere Lkw, die ich dann nicht wieder ausbekam. Zu der Zeit machte die Firma kaum Gewinn, sodass sich meine Eltern etwas einfallen lassen mussten. Die beiden kamen dann auf die Idee von Kombiartikeln, also die Verbindung von Non-Food mit einer Süßware, was zu - sammen ein Geschenk ergibt. Das erste Produkt war die Nikolausrute, der erste Großkunde Karstadt mit einer Bestel - lung von 30.000 Stück, für die mein Vater zunächst einen Kredit aufnehmen musste. Das war 1966. Heute bieten wir ein umfangreiches Sortiment an Geschenkartikeln für jeden Anlass und unterschiedliche Zielgruppen. Neu dabei ist unser Ramadan-Kalender.

Welche Unternehmen gehören zur Gruppe?

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Fred Windel gibt Einblick in seine familiengeführte Holding, die mit mehreren Unternehmen schwerpunktmäßig in der Süßwarenindustrie tätig ist – weltweit. © Bettina Meckel-Wolf

Erstens Windel als Spezialist für Süßwaren-Geschenkartikel mit den zwei Geschäftsbereichen Windel (süße Geschenke für die ganze Familie; Absatzmarkt ist der gesamte Lebensmittelhandel) und Confiserie Heidel (Schokopräsente für Kunden im gehobenen Lebensmittelhandel und in Fachgeschäften). Zweitens Far choc als Hersteller von Schokoladentafeln und -täfelchen sowie Flüssigschokolade für Kunden der Süßwarenindustrie. Drittens Kim’s Chocolates, Hersteller von belgischen Pralinen und hochwertigen Tafelschokoladen, auch als Partner für Handelsmarken. Und viertens Coffee-Bike, ein Franchisesystem für mobile Coffee-Shops, mittlerweile in acht Ländern mit 250 Rädern unterwegs.

Sind zuckerreduzierte, vegane und Bio-Schokoladen ein Thema für Sie? Auf jeden Fall. Glücklicherweise verkürzt sich unsere Reaktionszeit auf Trends dank der Schokoladenherstellung in den eigenen Reihen. Bei Farüchoc und Kim’s Chocolates können wir sofort darauf eingehen und entsprechende Rezepturen anbieten. Aber besonders Bio-Schokoladen haben es gerade schwer wegen der schlechten Verfügbarkeit. Generell ist der Markt fr unsere Rohstoffe aufgrund von Spekulation und schlechter Ernten volatil, da gilt es, aufzupassen. Bei Schokolade kann man heute alles austauschen, Zucker zum Beispiel durch Maltit oder Kuhmilch durch Soja-, Mandel- oder Haferalternativen. Seit Neuestem wird selbst die Kakaomasse ersetzt, zum Beispiel durch veredelte Hafer- und Sonnenblumenkerne, die zu einem ähnlichen Geschmackserlebnis kommen.

MyChoco gehört ebenfalls zu Ihrer Gruppe, musste aber 2023 seinen Betrieb einstellen. Warum? 

MyChoco war wie Coffee-Bike ein Startup. Die Idee lautete, feinste belgische Schokolade, die nicht nur super schmeckt, sondern auch noch etwas Gutes tut, in extradicken 180-GrammTafeln zu verkaufen. Mit einer ungewöhnlichen Rippenstruktur und kreativen Geschmackssorten wie Lakritz, Cranberry-Mandel, Brezel-Brownie oder Karamell-Meersalz. Aber der Aufwand, eine neue Schokoladenmarke zu etablieren, ist gewaltig, und da ist uns die Differenzierung leider nicht gelungen, insbesondere im Umfeld steigender Inflation und hoher Rohstoffkosten. Sehr schade, denn die Idee war, mit einem Teil des Erlöses die Renovierung und den Neubau von Schulen in Kakaoanbau-Regionen zu fördern.

Die große Mehrzahl der Produkte von Windel hat ein eher romantischnostalgisches Design. Warum?

Nostalgie ist die Sehnsucht nach der heilen Welt, vor allem zu Weihnachten und Ostern. Aber wir haben eine große Bandbreite, auch und vor allem bei den Adventskalendern: Lizenzthemen sind integraler Bestandteil des Sortiments. Tatsächlich sehen Pralinenkästen von Kim’s fr die USA ganz anders aus als viele Produkte fr den deutschen Markt, genauso wie die Produkte von Windel und Heidel für den Mittleren Osten oder China. In jedem Fall entstehen unsere Designs inhouse. Wir haben in Deutschland und Belgien hochprofessionelle Teams, die die Produktentwicklung vorantreiben. Und wir beobachten die Märkte sehr genau.

Was steht als Nächstes an?

Mittelfristig Investitionen in den Ausbau der Kapazitäten für die Hand- und Maschinenproduktion sowie die Rohwarenlogistik. In Osnabrück verfügen wir über rund 84.000 Quadratmeter Grundstücksfläche, wovon noch etwa 26.000 Quadratmeter unbebaut sind. Auch für unsere Schokoladenproduktionen in Belgien und Osnabrück sind gerade größere Vorhaben in der Umsetzung. Aber wir wollen nicht nur von innen heraus wachsen, sondern auch durch Unternehmenskäufe. Dabei agieren wir aber nicht als Private Equity, sondern als Familienunternehmen, das die Firmen in ihrer Selbstständigkeit erhält und gemeinsam mit der Belegschaft vor Ort weiterzuentwickeln versucht. Hierbei sind wir aus Erfahrung sehr kritisch: Das Geschäftsmodell muss nachhaltigen Erfolg versprechen und die Unternehmenskultur unseren Werten entsprechen.

Was bedeutet Ihnen die Mitgliedschaft bei Rotary?

Meine Frau und ich haben viele Freunde gewonnen und von Erfahrungen profitiert, die wir sonst nicht gemacht hätten. Wir sind bei der Aufnahme 2005 gut integriert worden, und die Kinder gleich mit: Unser Sohn absolvierte ein Austauschjahr in Mexiko, das hat ihn sehr geprägt – und dem Club ein internationales Projekt beschert. Alles in allem? Rotary ist für mich eine große Bereicherung.

Das Gespräch führte Frauke Eichenauer.


Zur Person

Fred Windel, RC Osnabrück-Nord, studierte in Osnabrück und Hamburg BWL, arbeitete mehre Jahre für Mars in Viersen und übernahm 1996 die Führung der Firmengruppe von seinen Eltern Alfred und Mechthild. Mittlerweile liegt der Umsatz bei über 200 Millionen Euro, zur Belegschaft gehören über 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Windel hat eine Tochter und einen Sohn.