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Mobile Payment – ein kritischer Diskurs

Während es in anderen Ländern längst Alltag ist, per Smartphone zu bezahlen, tun sich die deutschen Konsumenten schwer damit. Zu Recht?

Ludwig Hierl 01.10.2017

In der Praxis ist seit einigen Jahren ein scheinbares Paradoxon betreffend die Mobilgerätenutzung beobachtbar. Einerseits sind gerade Smartphones aus dem Berufs- und Privatalltag von vielen Konsumenten nicht mehr wegzudenken. Andererseits konnte bislang keiner der zahllosen Mobile-Payment-Ansätze eine kritische Nutzerzahl erreichen, beziehungsweise sich erfolgreich im Markt für Zahlungstransaktionen etablieren. Der Zahlungsverkehrsmarkt scheint somit einen der letzten Lebensbereiche zu bilden, der noch nicht von Mobilgeräten durchdrungen und geprägt wird.

Was bedeutet Mobile Payment?
Für die Verwendung des Mobiltelefons als Zahlungsinstrument konnte sich bislang kein einheitliches Begriffsverständnis herausbilden. Innerhalb der zahlreichen mobilgerätebasierten Zahlungsoptionen kann Mobile Payment in einer engeren Fassung im Sinne eines Proximity Mobile Payment definiert werden, bei dem eine Bezahlung von Waren oder Dienstleistungen durch einen Konsumenten an ein Handelsunternehmen erfolgt („B2C“) – unter Verwendung eines Mobiltelefons am Point-of-Sale („POS“). Das passiert zum Beispiel  zur Initiierung und/oder Autorisierung der Bezahlung, das heißt bei einer physischen Anwesenheit des Konsumenten in einer stationären Einkaufsstätte, wobei in der Regel ein Datenübertragungsstandard wie NFC oder QR-Code verwendet wird.

Ungewohnt für Konsumenten
Das Mobiltelefon vereint zunächst zahlreiche Vorteile, die eigentlich den Anforderungen von modernen Konsumenten entsprechen sollten. Neben der Möglichkeit, relativ schnell und einfach sowie im Grundsatz unabhängig von Ort und Zeit einkaufen zu können, kann dabei insbesondere auf die Mitnahme einer Geldbörse mit diversen Bank- und Kundenkarten verzichtet sowie der abschließend durchzuführende Bezahlvorgang unabhängig vom Kundenkontaktpunkt entlang der gesamten Customer Journey ohne Medienwechsel vorgenommen werden.

Im Gegensatz zu beispielsweise skandinavischen und chinesischen Konsumenten werden in Deutschland bei Bezahlvorgängen in Ladengeschäften dennoch weiterhin Barzahlungen präferiert, weil dies unter anderem gewohnt und bequem im Umgang ist, keine technischen Kompetenzen erfordert, eine flächendeckende Akzeptanz gewährleistet ist sowie eine einfache Liquiditätskontrolle möglich ist. Auch ist es nicht erforderlich, die persönliche Identität preiszugegeben, und die wahrgenommene Sicherheit erscheint insgesamt sehr hoch.

Chancen und Risiken für Händler
Mobile Payment scheint für Händler zunächst mit hohen Risiken verbunden zu sein, weil den erforderlichen Investitionen und laufenden Kosten aufgrund einer fraglichen Konsumentenakzeptanz eventuell kein adäquater Nutzen gegenübersteht. Die bislang gescheiterten Mobile Payment-Ansätze stützen diese These.

Vielen Händlern ist jedoch häufig nicht bewusst, das Bargeldhandling trotz fehlender Transaktionsgebühren hohe Kosten verursacht,zum Beispiel Personalkosten für die durchzuführenden Zählungen und die Gewährleistung der Sicherheit (etwa bei der Be- und Entsorgung von Bargeld) sowie Bankgebühren für die Sortierung und die Durchführung einer Echtheitsprüfung. Das Risiko einer Entgegennahme gefälschter Zahlungsmittel muss der Händler dabei ebenso tragen wie die Risiken von Unterschlagungen und von Wechselgeldfehlern durch Kassenkräfte.

Hinsichtlich der anzustrebenden schnellen Kassendurchlaufzeit am Point of Pay können sowohl bei Barzahlungen (zum Beispiel Suche nach Kleingeld durch den Konsumenten) als auch bei Kartenzahlungen (zum Beispiel  Nichtlesbarkeit einer Karte) sowie bei Mobile Payment (zum Beispiel Ladezustand des Mobilgeräteakkus ist nicht ausreichend) Störungen auftreten. Bei Mobile Payment ergibt sich bei richtiger Umsetzung gerade für Händler, die ihre Kunden bislang kaum kennen, eine Chance zur Verbesserung der Markt- und Wettbewerbsposition.
 Während ein zentrales Charakteristikum einer Barzahlung die vollständige Kundenanonymität ist, können bei Mobile-Payment-Verfahren je nach Ausgestaltung zusätzliche Kundeninformationen gewonnen und anschließend beispielsweise mittels Loyalty-Programmen für Marketingzwecke verwertet werden.

Kunden wollen aufgenommene Kaufimpulse im Grundsatz jederzeit und von jedem Ort aus umsetzen. Grenzen zwischen Vertriebskanälen sind dabei für einen Verkaufserfolg ebenso hinderlich wie Zahlungslösungen, die nicht an allen Kundenkontaktpunkten entlang der Customer Journey zur Verfügung stehen. Mobile Payment kann hier als Bindeglied fungieren, sollte allerdings keinesfalls nur auf eine Bezahlfunktion reduziert, sondern als Teil einer umfassenden Mobilitäts- und Digitalisierungsstrategie verstanden werden.


 Buchtipp

Springer
Gabler Verlag

Ludwig Hierl (Hrsg.),
Mobile Payment. Grundlagen – Strategien – Praxis,
Springer Gabler Verlag,
329 S., 29,33 Euro

 

 

Ludwig  Hierl
Prof. Dr. Ludwig Hierl ist Gründer und Inhaber von bpbd consulting. Er kann zahlreiche Publikationen vorweisen. Zuletzt veröffentlichte er u.a. „Bilanzanalyse von Fußballvereinen: Praxisorientierte Einführung in die Jahresabschlussanalyse“ (Springer Gabler Verlag 2015).

 

 

 
 
 
 
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