Entscheider
„Steigende Energiepreise werden die Konsumlaune massiv dämpfen“
Die Vedes ist Europas führende Verbundgruppe für Spiel und Freizeit. Coronapandemie und steigende Kosten für die Menschen in Europa stellen sie vor große Herausforderungen. Vorstandsvorsitzender Thomas Märtz sieht sein Unternehmen aber gerüstet und bleibt optimistisch.
Was ist Ihr persönliches Lieblingsspielzeug?
Ich mag Brettspiele und mein Favorit ist „Mensch ärgere dich nicht“ – das ist auch mein Lebensmotto.
Welche Trends gibt es derzeit auf dem Spielwarenmarkt?
Es gibt derzeit eine Renaissance der Brettspiele, die in jüngster Vergangenheit vor allem auch durch die Corona-Pandemie getrieben wurde. Außerdem werden Lizenzprodukte immer stärker nachgefragt, allen voran die Themen „Star Wars“ oder „Harry Potter“. Diese Entwicklung wird sich auch bei den Umsätzen im Weihnachtsgeschäft widerspiegeln.
Über das Weihnachtsgeschäft sprechen wir gleich. Zuvor möchte ich nochmal die Coronapandemie ansprechen. Hat der Online-Handel die Verluste ausgleichen können, die aufgrund geschlossener Spielwarenläden entstanden sind?
Die letzten zweieinhalb Jahre waren für den Handel nicht einfach, aber unsere Fachhändler kamen trotz aller Probleme relativ stabil durch die Krise. Sicherlich gab es vereinzelt Schließungen, die durch die Krise beschleunigt wurden, aber auf anderen Ursachen, zum Beispiel einer fehlenden Nachfolgeregelung, beruhten. Insgesamt konnte der VEDES Konzern die Corona-bedingten Verluste im stationären Spielwarenfachhandel im letzten Jahr kompensieren, da wir aufgrund unserer Omnichannel-Strategie neben dem Fachhandel auch andere Vertriebskanäle beliefert haben, die nicht von den staatlich verordneten Schließungen betroffen waren.
Nutzen Sie da auch externe Plattformen wie eBay, um Produkte zu verkaufen?
Einige unserer Händler nutzen externe Marktplätze, um zusätzliche Umsätze zu erzielen.
Haben Sie in der Corona-Pandemie mehr Geld in Online-Werbung investiert?
Die VEDES als Plattform für den Spielwarenhandel verbindet schon seit Jahren die Vorteile des stationären Handels mit den Vorteilen des Online-Handels. Unsere vorwiegend mittelständischen Fachhändler haben diesen Trend aufgegriffen, was ihnen in der Corona-Krise zugutekam. So konnten Umsatzeinbußen im stationären Geschäft teilweise im E-Commerce kompensiert werden.
Sind Fachhändler ohne Online-Handel noch existenzfähig?
Generell zeigt die allgemeine Marktentwicklung, dass der Einzelhandel auch online aktiv sein muss. Hier hat sich die Corona-Krise als Evolutionsbeschleuniger erwiesen, weil sie die Digitalisierung im Fachhandel vorangetrieben hat.
Macht sich das Aussterben der Innenstädte bemerkbar?
Dieses Phänomen betrifft branchenunabhängig den gesamten mittelständischen Fachhandel. Die Mieten in den Innenstadtlagen der großen Metropolen sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Deshalb ist es insbesondere für den Fachhandel schwierig, sich in großen Städten wie Berlin, Frankfurt, Stuttgart oder Hamburg dauerhaft zu etablieren. Manche Städte, wie zum Beispiel Hanau, entwickeln innovative Kooperationslösungen zur Förderung des mittelständischen Fachhandels, die Pilotcharakter für andere Standorte haben können.
An die Stelle von Spielwarenfachhändlern rücken zunehmend die eigenen Läden der großen Spielwarenkonzerne wie Lego in den Großstädten.
In den Großstädten ist es – wie schon gesagt – schwierig für den Fachhandel, sich zu behaupten. Große Lieferanten sind eher in der Lage, die hohen Mieten für ihre eigenen Shops zu bezahlen als der mittelständische Unternehmer – das ist schade, denn der Konsument liebt gerade im Bereich die Vielfalt der bunten der Spielwarenwelt.
Die VEDES AG wirbt damit, einen Rundum-Service zu bieten, um dem mittelständischen Spielzeug-Facheinzelhandel die notwendige Power zu geben, mit Qualität, Leistung und Schnelligkeit zu überzeugen. Geben Sie mir mal drei konkrete Beispiele, was Sie als Partner bieten.
Als Dienstleistungsplattform unterstützen wir unsere Händler in allen Bereichen – das Spektrum reicht vom Sortimentsmanagement über Ladenbau- und Flächenkonzepte bis hin zu IT-Services und Marketingmaßnahmen. Wir entlasten sie gezielt, damit sie sich auf ihre Kernkompetenz – nämlich die Beratung und den Verkauf – konzentrieren können. Eine besondere Stärke der VEDES ist zudem, ihre umfassende Logistik-Kompetenz mit auf die Kundenbedürfnisse zugeschnittenen Dienstleistungen zu vereinen.
Gibt es auch eine zentrale Steuerung der Warenströme?
Aufgrund unserer Zentrallager-Logistik am Standort Osnabrück sind wir in der Lage, auch den Versand zum Endkunden für unsere Händler zu organisieren. In der Regel sind die Produkte, die stationär bestellt wurden, dann binnen 24 Stunden beim Konsumenten.
Das ist Teil ihrer digitalen Zukunftsstrategie?
In den letzten Jahren hat sich das allgemeine Kaufverhalten grundsätzlich gewandelt. Heutzutage informieren sich die Käufer online über Produkte und deren Verfügbarkeit. Mit unserer VEDES digitalen Shop-Lösung kann der Fachhandel das komplette VEDES Sortiment – und wir sprechen hier von über 300.000 Artikeln – unabhängig von der Größe der stationären Verkaufsfläche anbieten. Mit dieser Verzahnung von online und offline wird die Wettbewerbsfähigkeit des Fachhandels nachhaltig gestärkt.
Aber es gibt doch sicher auch Produkte, die Kunden vor einem Kauf testen wollen?
Selbstverständlich gibt es auch die Möglichkeit des sogenannten „Click und Collect“. Der Konsument kann mit einem Click online prüfen, ob das gewünschte Produkt beim stationären Händler vor Ort verfügbar ist. Er kann es dann reservieren, zum Händler fahren und sich vor Ort anschauen. Wenn es gefällt, kann er es gleich mitnehmen oder – vor allem sperrige Artikel wie Trampoline oder Fußballtore – von unseren Zentrallager direkt nach Hause liefern lassen.
Blicken wir mal auf die aktuelle wirtschaftliche Situation vor allem in Deutschland und Österreich. Fürchten Sie aufgrund der anhaltenden Inflation eine Zurückhaltung im Konsum?
Auch wenn am Kind in der Regel zuletzt gespart wird, werden steigende Energiepreise und Lebenshaltungskosten die Konsumlaune weiter massiv dämpfen. Hinzu kommen Rohstoffverknappung, Lieferengpässe und deutliche Frachtkostensteigerungen, die auch unsere Branche erheblich belasten. Trotz dieser Einschränkungen blicken wir optimistisch auf das Weihnachtsgeschäft. Die Spielwarenbranche hat sich auch in Krisensituationen stets als robust erwiesen. Eher wird auf größere Anschaffungen und Urlaubsreisen verzichtet als in enttäuschte Kinderaugen unter dem Weihnachtsbaum zu blicken.
Wie wichtig ist denn das Weihnachtsgeschäft noch für den Jahresumsatz?
Das Weihnachtsgeschäft ist für die Spielwarenbranche nach wie vor der wichtigste Umsatzbringer des Jahres, auch wenn es sich zeitlich immer weiter ans Jahresende verlagert. Daneben ist auch das Ostergeschäft ein wichtiger Bestandteil. Hinzu kommen unterjährige Verkaufsanlässe wie beispielweise Halloween oder der internationale Kindertag.
Können Sie schon sagen, wie das Weihnachtsgeschäft angelaufen ist?
Das Weihnachtsgeschäft findet, wie bereits erwähnt, immer später statt. Die VEDES hat sich frühzeitig und ausreichend bevorratet, ist somit lieferfähig – und das bis Heiligabend. Dabei ist es von Vorteil, dass in diesem Jahr Weihnachten auf einen Samstag fällt, d.h. wir haben davor eine komplette verkaufsoffene Woche. Gerade hier punktet der stationäre Fachhandel vor Ort, da der Konsument im Endspurt bei Online-Käufen Sorge hat, dass die Geschenke nicht mehr rechtzeitig vor dem Fest ankommen.
Wie lange dauert das Weihnachtsgeschäft?
Eine starke Woche für den Fachhandel ist auch die Zeit „zwischen den Jahren“, denn hier werden Geldgeschenke und Gutscheine eingelöst.
Welches Thema beschäftigt die Branche derzeit besonders?
Die VEDES als Handelsunternehmen legt großen Wert auf Nachhaltigkeit. Das unternehmerische Handeln der VEDES ist geprägt von energie-, umwelt- und ressourcenschonendem Denken. Da in der Spielwarenbranche ein sehr hoher Anteil in Fernost produziert wird, müssen wir alle auf die Einhaltung von menschenwürdigen Arbeits- und klimafreundlichen Produktionsbedingungen achten. Hier sind allerdings in erster Linie die Hersteller in der Pflicht.
Aber Sie vertreiben diese Spielwaren.
Uns ist wichtig, dass in der Branche Standards eingehalten werden. Natürlich wollen wir auch unsere Händler für das wichtige Thema Nachhaltigkeit sensibilisieren und in den Prozess integrieren. Mir ist durchaus bewusst, dass die Spielwarenbranche allein nicht die Welt retten kann, aber wenn jeder seinen Beitrag leistet, dann ist es vielleicht ein wenig wie bei Rotary: Gemeinsam geht einfach mehr!
Haben Sie einen Forderungskatalog diesbezüglich für die Spielwarenproduzenten, deren Produkte Sie verkaufen?
Mit dem Lieferkettengesetz werden schon einmal zentrale Anforderungen von Seiten des Gesetzgebers gestellt. Handel und Industrie sind in der Spielwarenbranche bereits im intensiven Dialog, wie diese Herausforderungen gemeinsam gemeistert werden können. Hier sind wir auf einem guten Weg, weil es einen breiten Konsens gibt.
Es gibt somit wenig schwarze Schafe, denen Sie sagen mussten, dein Produkt vertreiben wir nicht mehr.
Wir gehen davon aus, dass die Industrie aus reinem Eigeninteresse mindestens die gesetzlichen Vorgaben erfüllt. Darüber hinaus werden nicht zuletzt aufgrund der bekannten Lieferengpässe auch Überlegungen angestellt, wie die extreme Abhängigkeit von einer Produktion in Asien vermindert werden kann.
Wer Lohnsteigerungen in Kauf nimmt, dafür aber in Europa produziert, hat mehr Kosten, die er im Zweifel an den Handel und letztlich den Kunden weiterreicht. Das Spiel kennt aber Schmerzgrenzen und lässt sich nicht beliebig spielen, oder?
Die Generation der Millennials ist durchaus bereit, für Qualität mehr Geld auszugeben. Darüber hinaus liegt ihr das Thema Nachhaltigkeit besonders am Herzen. Zwei Drittel dieser Generation wünscht sich laut Umfragen weniger Verpackungsmüll. Natürlich ist der Konsument nicht bereit, sämtliche Preiserhöhungen zu tolerieren. Aber es ist meine feste Überzeugung, dass sich Qualität langfristig durchsetzt.
Kommen wir zur VEDES Gruppe. Mit der Bayrischen Beteiligungsgesellschaft (BayBG) haben Sie einen Finanzpartner gewonnen, der sich mittelfristig in Form einer stillen Beteiligung an der VEDES AG beteiligen wird. Warum ist dies notwendig?
Aufgrund der erfolgreichen wirtschaftlichen Entwicklung in den letzten Jahren, hat die VEDES ihre Finanzierungsstruktur optimiert. Neben der Prolongation der VEDES Anleihe, die wir zur Finanzierung der Übernahme eines Großhandelskonkurrenten im Jahr 2014 aufgelegt hatten, wurde der Kreis der Hausbanken erweitert. Mit der BayBG haben wir einen renommierten und erfahrenen Finanzierungspartner gewonnen, der seit mehr als 45 Jahren mittelständische Unternehmen bei der Umsetzung ihrer Innovations- und Wachstumsvorhaben erfolgreich unterstützt. Wir werden die Mittel vorrangig in die weitere Digitalisierung des Fachhandels investieren.
Steckt dahinter auch eine Strategie, weiter in andere Länder Europas zu expandieren?
Wir halten immer die Augen offen, ob es Ansatzpunkte für weitere Kooperationen gibt. In ihrer 118-jährigen Historie hat die VEDES schon immer den Spielwarenhandel europaweit in seiner Entwicklung entscheidend mitgeprägt. Vor diesem Hintergrund schauen wir auch in Zukunft nach geeigneten Expansionsmöglichkeiten in Europa.
In welche Richtung blicken Sie da besonders?
Wir blicken sowohl nach West- als auch nach Osteuropa.
In Nachbarländern wie der Schweiz oder den Niederlanden sind Sie ja bereits präsent. Unterscheidet sich das Warenangebot in diesen Ländern?
Es gibt durchaus Unterschiede beim Angebot und auch bei der Präsentation. Wenn sie zum Beispiel nach Frankreich oder Italien blicken, ist das Spiel- und Freizeitsortiment viel bunter. Und in der Schweiz herrscht ein ganz anderes Preisgefüge als in Deutschland oder Österreich.
Die Firmengeschichte begann am 6. März 1904 in Leipzig als "Vereinigung Deutscher Spielwarenhändler" mit 14 Gründungsmitgliedern, die Firmenzentrale war zunächst in Berlin und dann ab 1926 nach Nürnberg verlegt. Nürnberg ist seit Jahrzehnten die Spielzeugstadt Deutschlands – Zufall?
Traditionell sind in der Metropolregion Nürnberg zahlreiche mittelständische Spielwarenhersteller ansässig. Hinzu kommt, dass die Spielwarenmesse 1950 gegründet wurde. Die VEDES war übrigens ein wesentlicher Mitbegründer dieser ersten deutschen Spielwarenmesse in Nürnberg. Die Messe ist zum Jahresauftakt nach wie vor das Highlight der Branche. Leider fiel sie in den vergangenen zwei Jahren Corona-bedingt aus. Ich hoffe, dass sie 2023 wieder stattfinden kann.
Wie wichtig ist die Messe für die VEDES Gruppe?
Die Messe ist eine zentrale Begegnungsstätte, wo sich alle Marktteilnehmer treffen und austauschen. Während sie früher eine reine Ordermesse war, ist sie heute eher eine Informationsplattform.
Sie wird jetzt mehr dazu benutzt, neue Produkte vorzustellen?
Im Rahmen der Messe werden alle Neuheiten, aktuelle Highlights und Trends, aber auch das Standardsortiment präsentiert. Begleitend werden die Erscheinungstermine und zugehörigen Marketingpläne erläutert.
Gibt es Spielzeuge aus früheren Zeiten, die aus ihrer Sicht unverständlicherweise keine Chance mehr heutzutage auf dem Markt haben?
Die Spielwarenbranche ist extrem innovativ: Jedes Jahr kommen unzählige neue Spielwaren auf den Markt, was aber nicht bedeutet, dass die alten Produkte damit verschwinden.
Sie stehen doch vor der regelmäßigen Herausforderung, was habe ich noch auf Lager und was halte ich nicht mehr vor.
Im Zeitalter der Digitalisierung ist es nicht zwingend notwendig, alle Produkte im eigenen Lager vorzuhalten. Mit intelligenten Verbindungen zwischen Handel, VEDES Plattform und Industrie geht es darum, eine effiziente und kostengünstige Logistik sicherzustellen. Hier liegen erhebliche Potenziale für alle Beteiligten der Wertschöpfungskette.
Also gibt es kaum Spielklassiker, die heute nicht mehr verfügbar sind?
Viele Innovationen beruhen auf einer Weiterentwicklung von Klassikern. Heute gibt es Auto-Rennbahnen mit Augmented-Reality-Brillen oder 3-D-Puzzle. Die ursprüngliche Spielidee ist aber unverändert. Allerdings hat sich das Spielverhalten der Kindern im Vergleich zu früher geändert: Zum einen verkürzt sich die generelle Spielphase und zum anderen gewinnen andere Sortimente im Vergleich zur Spielware an Attraktivität. Heute steht zum Beispiel ein Smartphone ganz oben auf dem Wunschzettel der Kinder.
Was bedeutet Ihnen die rotarische Gemeinschaft?
Ich freue mich sehr, dass ich diesem Kreis von Menschen mit gemeinsamen Werten angehöre. Ich schätze den persönlichen Austausch sowie die vielfältigen Club-Projekte, zuletzt im Rahmen der Ukraine-Hilfe. Beeindruckend ist auch das weltweite Engagement von Rotary International zur Bekämpfung von Polio. Das alles macht Rotary aus!
Das Gespräch führte Florian Quanz.