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Entscheider

"Wer Akquise betreibt, fliegt raus"

Entscheider - "Wer Akquise betreibt, fliegt raus"
Nikolaus Förster ist als Verleger einen ungewöhnlichen Weg gegangen, doch sein Unternehmen ist seit acht Jahren profitabel und wächst weiter. © Alexander Hagmann

Nikolaus Förster hat mit allen Konventionen der Verlagsbranche gebrochen und das B2B-Magazin "Impulse" zu einem Business-Netzwerk umgebaut. Der Preis für die Jahresmitgliedschaft liegt bei 590 Euro – und wird weiter kräftig steigen.

01.11.2023

Wenn ein Hamburger Magazin einen Hamburger Unternehmer zum Interview trifft, sollte man meinen, dass der Termin in Hamburg stattfindet. Doch es musste schnell gehen und Nikolaus Förster war nicht in der Stadt. Dann also per Zoom. Als die Verbindung steht, hetzt Förster durch Venedig, steigt in die Bahn, in den Bus und aufs Schiff. Dann, in einer kleinen Gasse, findet er endlich Ruhe für das Gespräch.

Herr Förster, vor gut zehn Jahren haben Sie das Wirtschaftsmagazin "Impulse" vom Hamburger Verlag Gruner+Jahr übernommen und seither alles anders gemacht, als es Verleger üblicherweise machen: Die Auflage sank von knapp 50.000 auf 5500, der Preis stieg um über 700 Prozent und wer das Magazin beziehen möchte, muss zahlendes Mitglied in Ihrem Business-Netzwerk werden. Was ist die Idee dahinter?

Die meisten Medientitel sind abhängig von Werbeeinnahmen und setzen auf Reichweite. Wenn man sich aber die Entwicklung der letzten Jahre gerade bei Printprodukten anschaut, sieht man, wie stark Anzeigenkunden in digitale Kanäle abgewandert sind oder eigene Plattformen geschaffen haben. Vor diesem Hintergrund ist es extrem gefährlich, sich auf ein altes Geschäftsmodell zu verlassen. Beim Neustart vor zehn Jahren hieß das für mich, nicht mehr auf Anzeigen als wichtigste Finanzierungsquelle zu setzen, sondern die Vertriebserlöse zu stärken. So haben wir unsere Kunden gebeten, Jahr für Jahr mehr für ihre Mitgliedschaft zu bezahlen. Das wurde nur akzeptiert, weil die Qualität hoch war, ihnen also ein spürbarer Nutzen geboten wurde.

Sie haben ein exklusives Business-Netzwerk aufgebaut. Dafür brauchen Sie die richtigen Mitglieder.

Die Abkehr vom Reichweitenmodell war nur ein Teil meiner Strategie. Ich wollte mich nicht mehr mit einem Magazin begnügen, das passiv konsumiert wird. Ziel war es, ein Netzwerk zu schaffen, in dem sich Unternehmer auch untereinander austauschen, sich also gegenseitig mit ihren Erfahrungen unterstützen können. Neben den redaktionell recherchierten Inhalten gibt es nun also auch eine Plattform für den Erfahrungsaustausch – und zwar auf Augenhöhe. Aus diesem Grund nehmen wir nur noch Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer beziehungsweise Inhaberinnen und Inhaber auf, nicht aber Angestellte, Einzelkämpfer oder Berater, die auf Kundenfang gehen. Impulse ist ausdrücklich kein Akquise-Netzwerk. Eigenwerbung und Selbstdarstellung sind nicht nur verpönt. Wer Akquise betreibt, fliegt raus. Willkommen sind Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich wirklich weiterentwickeln wollen und offen sind für einen Erfahrungsaustausch.

Wer Mitglied werden will, füllt online einen Fragebogen aus und wird dann zu einem Bewerbungsgespräch mit Ihnen eingeladen. Wonach entscheiden Sie?

Neben den formalen Voraussetzungen müssen sich die Bewerber zu den Werten des ehrbaren Kaufmanns bekennen, sich zu Verschwiegenheit verpflichten und offen für den Austausch sein. Es hat keinen Sinn, Menschen aufzunehmen, die nichts preisgeben wollen. Wir bringen Menschen zusammen, die wirklich weiterkommen wollen.

Wie viele fallen durch, wie viele erhalten Zugang?

Etwa 75 Prozent der Interessierten werden aufgenommen.

2015 hatte Impulse noch fast 50.000 Mitglieder, ein Abonnement kostete 118,80 Euro. 2019 haben Sie das klassische Reichweitenmodell gestoppt und Ihr Netzwerkmodell eingeführt. Da hatten Sie noch 33.500 Mitglieder zu 249 Euro im Jahr. Heute haben Sie nur noch 5500 Mitglieder, die aber 590 Euro zahlen. Das werten Sie als Erfolg?

Der Erfolg unseres Modells lässt sich nicht an Reichweiten oder kurzfristigen Kennzahlen messen. Wir setzen bewusst auf Qualität und schaffen damit ein Netzwerk, das so viel Nutzen stiftet, dass die Mitglieder uns im Idealfall ein Leben lang treu bleiben. Nicht wenige Familienunternehmer sind seit Jahrzehnten dabei und haben ihre Impulse-Mitgliedschaft an die nächste Generation weitergegeben. Wir befinden uns mitten in der Transformation, sind aber immerhin seit acht Jahren profitabel; das Team ist in dieser Zeit von 15 auf über 50 Köpfe gewachsen.

Und dann gibt es noch das Premium-Programm, das 1249 Euro für sechs Monate kostet. Wie viele Mitglieder nutzen das und was bekommen sie als Gegenwert?

Der Preis ist im Verhältnis zum Nutzen sehr günstig. Es gibt zahlreiche Beispiele von Unternehmern, die durch uns Zehntausende Euro gespart oder mehr umgesetzt haben. So hat ein Hamburger Unternehmer beispielsweise seine Liquidität um 500.000 Euro erhöht, indem er einen 30 Zeilen langen Impulse-Steuertipp umgesetzt hat. Derzeit haben wir mehr als 200 Premium-Mitglieder, die nicht nur Zugriff auf alle Impulse-Inhalte, also das Magazin oder die Anleitungen und Checklisten, haben, sondern sich auch über eine Videoplattform direkt mit anderen Premium-Mitgliedern austauschen können. Für sie bieten wir fünf bis sieben Termine pro Woche an, bei denen wir uns im kleinen Kreis treffen, um uns vertraulich zu den Themen auszutauschen, die sie gerade beschäftigen. Zusätzlich gibt es Fragestunden und Webinare mit Experten, zum Beispiel mit Arbeitsrechtlern, Steuerberatern oder Coaches.

Werden Sie noch teurer und noch exklusiver? Wie weit kann man dieses Konzept ausreizen?

Angesichts dessen, was wir jetzt schon bieten, werden wir die Preise in den nächsten Jahren auf jeden Fall weiter erhöhen. Früher war Impulse nur ein Magazin, für das man – wie in der Branche üblich – vielleicht zehn oder 15 Euro bezahlt hat. Heute ist das Magazin nur noch ein – wenn auch wichtiger – Teil eines exklusiven Netzwerks, in dem sich Unternehmer gegenseitig unterstützen. Wir können also einen viel größeren Nutzen bieten und werden dementsprechend auch mit dem Preis nachziehen. Andere Business-Netzwerke kosten mehrere tausend Euro pro Jahr.

Exklusivität ist schön und gut, aber Sie wollen ja sicher auch quantitativ wachsen. Davon würden die Mitglieder profitieren und Sie als Unternehmer natürlich auch.

Ja, langfristig wollen wir wachsen. Aber das wird noch ein paar Jahre dauern, denn wir befinden uns mitten im Umbruch: Eine ganze Generation von Unternehmern, die in den 1980er- und 1990er-Jahren Impulse-Leser wurden, scheidet jetzt aus ihren Firmen aus – das spüren wir in den Zahlen. Unsere Mitgliederstruktur ist aber nach wie vor vielfältig – vom jungen Gründer bis zum etablierten Familienunternehmer. Da sie aus unterschiedlichsten Branchen kommen, gewinnt man durch den Austausch ganz neue Perspektiven.

In Ihrem Verlag in Hamburg-Bahrenfeld spricht man von einer "Vision 2025". Was ist das?

Ich glaube daran, dass man Ziele sehr viel besser erreicht, wenn man sie sich konkret vorstellt, man also abstrakte Gedanken mit vielen Details visualisiert. Bei Impulse wenden wir die so genannte Visioning-Technik an, die in den 1960er Jahren entwickelt wurde. Den Anstoß dazu gab der amerikanische Präsident John F. Kennedy, als er 1961 forderte, die USA sollten sich das Ziel setzen, bis zum Ende des Jahrzehnts einen Menschen auf dem Mond landen zu lassen und ihn sicher wieder zurückzubringen. Um dieses ehrgeizige Ziel tatsächlich zu erreichen, entwickelten Organisationsentwickler und Psychologen damals diese Technik. Im Kern geht es darum, sich ein Ziel so konkret vorzustellen, dass es einen motiviert und das eigene Handeln leitet. Als ich Impulse vor zehn Jahren aus dem Konzern Gruner+Jahr herausgelöst habe, habe auch ich diese Technik mit meinem Team angewandt. Wir stellten uns vor, was wir mit Impulse bis Ende 2020 erreichen würden. Damals wussten wir natürlich noch nicht, dass es das erste Coronajahr sein würde. Inzwischen haben wir – in einem monatelangen Prozess – unsere neue Vision aufgeschrieben, die einen Tag im Dezember 2025 beschreibt. In diesen Zukunftstext haben wir 2020 auch reingeschrieben, dass sich Unternehmer, die Mitglied im Netzwerk werden möchten, künftig bei uns bewerben müssen, was wir Anfang 2020 auch tatsächlich umgesetzt haben. Die Vision "Impulse 2025" hängt in unserem Verlagsgebäude, dem "Machwerk" in Hamburg.

Nach fast elf Jahren als Unternehmer in einem hart umkämpften Medienmarkt: Welches sind Ihre eigenen wichtigsten Erfahrungen?

Ich bin 2013 naiv ins Unternehmertum gestartet – und habe vieles erst in der Praxis gelernt. Heute bin ich davon überzeugt, dass man nur dann nachhaltig erfolgreich sein kann, wenn man ein hervorragendes, engagiertes Team hat, das auf der Basis gemeinsamer Werte an ein gemeinsames Ziel glaubt. Nur so kann man eine herausragende, familiäre Unternehmenskultur aufbauen. Der zweite wichtige Punkt betrifft die Tiefe und Treue der Kundenbeziehungen, die meiner Überzeugung nach für ein nachhaltig erfolgreiches Geschäftsmodell unabdingbar ist. Und der dritte Aspekt betrifft den Qualitätsanspruch: In einer digitalisierten Welt, in der die Menschen mit Reizen – und Marken – überflutet werden, kann man nur mit herausragender Qualität und Vertrauen überzeugen.

Wie schauen Sie auf die Entwicklung des Medienmarktes in Deutschland?

Mit Ernüchterung. Viele traditionelle Verlage sind verschwunden oder stehen vor dem Aus, weil sie zu lange an den alten Geschäftsmodellen und überholtem Reichweiten-Denken festgehalten haben. Erfolg kann tückisch sein. Wer zu viel Geld verdient, wird träge – und blind für neue Entwicklungen. Das aber ist fatal, denn Märkte – nicht nur die Medienbranche – können sich sehr schnell radikal verändern. Diesem Risiko wollte ich mich nicht aussetzen. Deshalb haben wir uns von Anfang an vom Mainstream abgekoppelt. Aber natürlich ging auch bei Impulse nicht alles von heute auf morgen. Es braucht viele Jahre, um durch Qualität das Vertrauen der Kunden zu gewinnen.

Glauben Sie an die Zukunft gedruckter Magazine?

Ja, auf jeden Fall. Im Museum! Aber im Ernst: Ich beobachte, dass die meisten Mittelständler nach wie vor Papier lieben, und das wird auch noch lange so bleiben. Ich halte aber nichts davon, Print gegen Digital auszuspielen. Beides hat seine Berechtigung. Print ist für viele nach wie vor wichtig: Viele Unternehmer wollen abends auf dem Sofa oder auch mal im Urlaub in Ruhe in ihrem Magazin lesen – und nicht digital surfen. Ich wage aber die Prognose, dass Papier zum Luxusgut wird. Hochwertig gedruckte Magazine werden in Zukunft noch seltener und damit etwas Besonderes sein. Papier wird es weiterhin für Titel geben, die mehr in die Tiefe gehen, also Analysen und hochwertige Inhalte bieten. Die tägliche, schnelle Information wird dagegen – wie heute schon – digital konsumiert. An die Zukunft der gedruckten Tageszeitung glaube ich nicht. Der Druckprozess und die Logistik sind einfach zu langsam und zu aufwendig – und wenn die Zeitung am nächsten Morgen im Briefkasten liegt, hat sich die Welt längst weitergedreht.

Schauen wir einmal auf das Rotary Magazin: Dafür bezahlen die Rotarier über ihren Jahresbeitrag 43,80 Euro, also 3,65 Euro pro Ausgabe. Ist das zu wenig, angemessen oder zu viel?

Ich denke, angesichts der Qualität ist das extrem wenig. Im freien Markt müsste es viel teurer sein, damit daraus ein Geschäftsmodell werden kann. Aber: Sie müssen ja nicht im Markt bestehen. Kein Rotarier kann frei darüber entscheiden, ob er oder sie das Magazin bezieht oder darauf verzichtet. Niemand hat sich aktiv für den Kauf entschieden.

Was bedeutet Ihnen Rotary?

Für mich ist Rotary kein Business-Netzwerk, sondern eine Gemeinschaft inspirierender Menschen, die sich durch ihre Offenheit und ihr soziales Engagement auszeichnen. Da ich von vielen Clubs zu Vorträgen eingeladen wurde, weiß ich aber auch, wie unterschiedlich die Profile in Bezug auf das Alter, die Zusammensetzung und das Engagement sind. Nicht in allen hätte ich mich wohl gefühlt. Umso mehr schätze ich, dem Club Hamburg-Elbe anzugehören. Das passt einfach. Es ist eine Gruppe von sympathischen Menschen, die zusammenhalten und sich auch sozial engagieren.

Was zeichnet denn einen guten Club aus?

Es kommt auf die gute Mischung an. Nichts ist schlimmer als ein reiner Männerclub oder ein Club, der es versäumt hat, frühzeitig Nachwuchs an sich zu binden und sich Schritt für Schritt zu verjüngen. Je vielfältiger ein Club ist, desto besser. Gute Clubs, die sich wirklich engagieren, sind auch für jüngere Rotarier attraktiv.

Nikolaus Förster (RC Hamburg-Elbe) ist Herausgeber von Impulse und geschäftsführender Gesellschafter der Impulse Medien GmbH. Als Gruner+Jahr 2013 ihre Wirtschaftsmedien-Gruppe einstellte, übernahm er das Magazin, dessen Chefredakteur er vorher war. Sein Verlagshaus "Machwerk" hat seinen Sitz in Hamburg-Bahrenfeld.

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