Entscheider
"Wir haben mit Missbrauch im Internet zu kämpfen"
Als Vorstand der Stiftung Warentest ist Hubertus Primus so etwas wie der oberste Qualitätshüter der Republik – die Verantwortung ist groß, der Ärger manchmal auch.
Seit nun 59 Jahren ist die Stiftung Warentest das Kontroll- und Testorgan für Produkte in Deutschland. Die Bewertungen sind für potenzielle Käufer wertvolle Orientierungshilfen, bei Herstellern werden sie mitunter gefürchtet. Hubertus Primus über die Arbeit der Stiftung.
Wer entscheidet, wann, was getestet wird?
Das entscheiden wir hier im Haus. Wir haben dafür einzelne Fachabteilungen, sprechen intern von sogenannten Themen-Teams mit Redakteuren und Projektleitern. Wir haben fünf davon für unterschiedliche Bereiche. Das sind etwa Geldanlage und Altersvorsorge, Versicherungen, Bauen, Steuern, Haushalt und Garten, Ernährung, Kosmetik und Gesundheit sowie Multimedia. Wir stützen uns dabei auch auf Marktzahlen. Für uns ist es entscheidend, ob ein Gerät auf dem Markt eine Bedeutung hat und die Verbraucher für Ihre Entscheidung Testergebnisse brauchen. Außerdem erhalten wir viele Leserzuschriften mit der Bitte, bestimmte Produkte zu testen, sowie Empfehlungen unserer eigenen Fachleute. Nicht zu vergessen Anregungen aus dem Kuratorium, das aus Anbietern, Verbraucherschützern und neutralen Personen besteht, die theoretisch eine geplante Prüfung ablehnen könnten. Das ist aber noch nie vorgekommen.
Sie haben das Kuratorium angesprochen, das aus drei Gruppen besteht. Wie sind da die Mehrheitsverhältnisse?
Jede Gruppe stellt ein Drittel der Mitglieder, jeweils neun Personen, so dass keine Gruppe eine Mehrheit hat. Keine Gruppe kann einen Test allein verhindern. Wir sind unabhängig und objektiv.
Aber alle sind im Vorfeld über ein Testvorhaben informiert?
Ja. Das Kuratorium tagt dreimal im Jahr. Welche Testvorhaben bestehen, weiß das Kuratorium. Aber wann diese genau durchgeführt werden und welche Produkte dabei getestet werden, das weiß das Kuratorium nicht.
Wie viel Vorlaufzeit haben Tests?
Das hängt davon ab, wie umfangreich das Testvorhaben ist, also wie viel Zeit dafür benötigt wird. Für den Dauertest bei Waschmaschinen etwa brauchen wir über ein Jahr. Im Durchschnitt benötigen wir drei, vier Monate.
Sie haben zuletzt zehn Gasgrills getestet. Hat Ihre Redaktion zehn Grillpartys veranstaltet?
Das wäre wunderschön und die Redaktion hätte dies sicher gerne getan. Unsere Projektleiter geben zwar vor, was getestet werden soll, das Prüfprogramm wird dann aber weitergereicht an unabhängige Prüfinstitute. Diese Institute sind unsere verlängerte Werkbank und schicken uns nach erfolgtem Test ein Gutachten ins Haus. Aus diesem Gutachten machen wir die bekannten Tabellen mit den Bewertungen.
Wie wählen Sie die Institute aus, die die Tests für Sie vornehmen?
Die Institute müssen unabhängig sein und mit wissenschaftlichen Methoden arbeiten. Zudem dürfen sie nicht gleichzeitig für einen Anbieter arbeiten. Bei über 100 Waren- und Dienstleistungstests im Jahr ist es nicht möglich, diese Tests selbst zu machen. Wo sollte denn all die benötigte fachliche Kompetenz herkommen? Wir testen immer auf dem neuesten technischen Niveau und das stellen die ausgewählten Institute sicher. Alle Tests werden überwacht, denn diese müssen gerichtsfest sein. Sie müssen zudem reproduzierbar sein.
Bekommen die Hersteller der getesteten Produkte anschließend die Ergebnisse zugesandt?
Wenn der Test erfolgt ist, bekommen die Hersteller vor Veröffentlichung eine Anbietervorinformation. Da steht aber nicht das Urteil drin. Nur bestimmte Messdaten, die wir erhoben haben, werden zugesandt. Die Hersteller können dann schauen, ob aus ihrer Sicht beim Test etwas falsch gelaufen ist. Wir erhalten aber nur selten Rückmeldungen.
Wurden schon Produkte nach ihrer Testveröffentlichung vom Markt genommen?
Ja, das gab es zum Beispiel bei Babywalkern. Das sind Gestelle auf Rollen, in die Kinder gestellt werden, um damit laufen zu lernen. Mit diesen Geräten sind aber Kinder Treppen runtergefallen – unglaublich, dass so etwas mal auf dem Markt war. Da haben wir überall nur die Note Mangelhaft vergeben. Wenn ein Kind nicht laufen kann, hat das seine Gründe. Kinder können erst laufen, wenn die dafür notwendigen sensorischen Fähigkeiten ausgeprägt sind.
Haben Sie noch ein Beispiel für uns?
In Olivenöl haben wir mal Weichmacher gefunden. Heute ist das übrigens ein Standardtest für Olivenöl, bevor es zugelassen wird. Der Weichmacher stammte vermutlich aus Plastikschläuchen, durch die das Olivenöl lief.
Es kommt aber eher selten vor, dass ein Produkt vom Markt genommen wird, oder?
Ja. Wir haben in Deutschland eine hohe Produktqualität.
Können Sie signifikante Veränderungen beim Kaufverhalten nach veröffentlichten Tests wahrnehmen?
Ich kann das nicht belegen. Aber wir nehmen wahr, dass gerade im Lebensmittelbereich Produkte, die gut getestet wurden, in kürzester Zeit nach Testveröffentlichung ausverkauft sind.
Für den Hersteller dann sehr erfreulich.
Das kann aber auch in die Hose gehen. Wir hatten mal Olivenöl, was gut getestet wurde. Das war so schnell vergriffen, dass der Hersteller eine andere Ernte aufkaufte und diese in die gleichen Flaschen mit dem gleichen Qualitätssiegel abfüllte. Eine Feinschmecker-Zeitschrift warf dann die Frage auf, wie Stiftung Warentest ein solch schlechtes Olivenöl so gut bewerten kann. Dann haben wir nachgetestet und festgestellt, dass es nicht das gleiche Olivenöl ist. Wir haben dem Hersteller dann sofort das Qualitätssiegel entzogen. Da war die Gier wohl zu groß.
Ihre Einkäufer achten grundsätzlich darauf, dass immer die gleiche Chargennummer eingekauft wird.
Das ist richtig. Nur so können wir die Vergleichbarkeit herstellen.
Früher gab es Stiftung Warentest und danach kam erstmal nichts, heute kommentiert und „testet“ quasi jedermann im Netz, ganz zu schweigen von Anbietern wie Warenvergleich, Vergleich.org, haushaltsgeraetetest.de, testberichte.de… Würden Sie uns zustimmen, dass die Stiftung eine wichtige Marktwächterfunktion einnimmt, die aber durch das Internet gelitten hat?
Das ist eine gute Frage, die uns stark beschäftigt hat. Wir haben hauptsächlich mit Missbrauch im Internet zu kämpfen. Unter bestimmten Adressen findet man keine wirklichen Testergebnisse, sondern es geht nur darum, über Links zu bestimmten Produkten Geld zu verdienen. Da werden erfundene Testergebnisse eingestellt und dann dazu ein Link zu Amazon platziert. Wenn jemand über diese Seiten bei Amazon ein Produkt bestellt, erhält der Seitenbesitzer eine Prämie von Amazon. Zu Beginn haben wir uns gefragt, ob unsere Ergebnisse nicht mehr so stark abgerufen werden, aber dies ist zum Glück nicht der Fall. Wir sind auch im Internet sehr erfolgreich unterwegs. Wir warnen vor solchen Portalen und den gekauften gelben Sternen bei Amazon.
Wie ist es mit einem Konkurrenten wie „IMTEST“ von der Funke Mediengruppe?
Der spielt keine Rolle. Er macht sich nicht bemerkbar.
Was ist der Unterschied in der Herangehensweise?
Ich weiß nicht, wie die für ihre Tests einkaufen. Sie haben aber immer Anzeigen im Heft. Die Testsieger haben dann oft zwei, drei Seiten weiter eine Anzeige geschaltet. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Gab es aber nicht mal den Moment beim Lesen dieses Magazins, dass sie dachten, warum haben wir das nicht mal getestet?
Manchmal ist es so, dass ich mir denke, wir müssten sofort ein Testergebnis veröffentlichen. Klassisches Beispiel: Wenn das neue iPhone auf den Markt ist, sind am nächsten Tag die ersten Testergebnisse online zu finden. Bei unserem Vorlauf ist das nicht möglich, dafür arbeiten wir gründlich und seriös.
Wie gehen Sie mit Produkten um, die von Influencern beworben werden?
Wir diskutieren darüber, ob man sich nicht mal das Portfolio besonders erfolgreicher Influencer ansehen sollte. Dann wird sich wahrscheinlich die Frage stellen: Was verkauft ihr eigentlich hier für einen Schrott? Wir sind dabei, dafür ein Konzept zu entwickeln.
In welchen Abständen testen Sie Produkte erneut? Also Rasenmäher und Grills zum Beispiel?
Rasenmäher zur Saison, ebenso Grills. Smartphones wenn sie auf den Markt kommen, da arbeiten wir auch international zusammen. Ansonsten hängt es vom technischen Fortschritt ab. Die Produkte müssen wechseln, wir brauchen neue Ansätze. Wir sind grundsätzlich flexibel und können auch mehrmals im Jahr testen.
Bei Matratzen etwa?
Ja. Die testen wir sehr häufig.
Habe ich das richtig wahrgenommen? Bett1 ist nicht mehr die am besten getestete Matratze?
Das ist richtig.
Wie konnte das passieren?
Das fragt sich der Gründer von Bett1 auch. Der klagt gerne auch mal erfolglos gegen uns, weil er die Tests für fehlerhaft hält. Wir haben die Testmethoden weiterentwickelt und dann war die Matratze von Bett1 nicht mehr vorne. Man muss aber sagen, dass der Anbieter etwas bewirkt hat. Die Matratzenbranche war früher sehr verrufen. Mit Bett1 kam eine gewisse Qualität rein und jetzt gibt es einige gute Matratzen, die nebeneinander existieren können.
Werden Sie öfters mit Klagen konfrontiert?
Das lässt nach. Aber Bett1 hat auch gegen Konkurrenten geklagt, die mit unserem Testergebnis geworben haben. Bett1 ist da sehr munter unterwegs.
Firmen können keine Tests in Auftrag geben, richtig?
Richtig. Wir entscheiden über Tests allein im Haus.
Aber das ist doch sicher schon mal vorgekommen.
Natürlich. Es gibt ein prominentes Beispiel. Nach der Wende kam der frühere Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnányi auf uns zu und bat darum, einen Kühlschrank aus dem Osten zu testen. Er war zu dieser Zeit Ostbeauftragter. Wir sollten Ostprodukte testen, aber die Testergebnisse nur veröffentlichen, wenn sie gut sind. Herr von Dohnányi begründete diesen Vorschlag damit, dass man ja jetzt die Wirtschaft im Osten aufbauen und stärken will. Wir haben ihm dann erklärt, dass wir von unseren Prinzipien nicht abweichen können.
Wurde denn der Kühlschrank getestet?
Soweit ich mich erinnere, hatten wir den getestet, aber das Ergebnis fiel nicht so gut aus. So ist das eben.
Was ist ein Dauerthema und sorgt für gute Resonanz?
Das ist jetzt sehr klischeehaft. Bei den Einzelabrufen über test.de sind vor allem die Testergebnisse von Waschmaschinen, Geschirrspüler und Matratzen gefragt.
Aber das ist unverständlich. Man kauft doch selten eine Waschmaschine oder einen Geschirrspüler.
Bei unseren Online-Abonnenten, den Flatrate-Nutzern, ist das auch anders. Da sind Finanzthemen mehr gefragt. Unsere Fondsdatenbank wird stark abgerufen.
Hatten Sie selbst schon mal ein Produkt zu Hause, was nachher schlecht im Test abschnitt? Zum Beispiel diesen schönen, runden Staubsauger, der immer umfiel.
Ich gebe zu, dass ich mich bei Haushaltsgeräten an unsere Testergebnisse halte. Da wäre ich ja mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn ich da sagen würde: Ach, ich probiere mal diesen schönen runden Staubsauger. Ich verrate kein Geheimnis, dass ein Miele-Kühlschrank oder ein Miele-Herd eine gute Wahl sind. Die kann man auch gebraucht gut kaufen.
Aber hatten Sie mal ein Produkt bereits im Haushalt, was dann schlecht getestet wurde?
Nein, daran kann ich mich nicht erinnern. Aber ich bin auch nicht so der Einkäufer. Meine Frau sagt immer, es ist ein Witz. Du arbeitest bei der Stiftung Warentest und hast keine Freude am Einkaufen.
Orientieren Sie sich auch bei Produkten wie Milch am Testergebnis?
Nicht unbedingt. Aber wir stellen fest, dass wir mit dem aufgedruckten Siegel Leute erreichen, und das Kaufverhalten beeinflusst wird.
Erklären Sie uns bitte, was muss ich als Hersteller tun, wenn ich ihr Gütesiegel auf meinem Produkt abdrucken will. Geld an Sie zahlen?
Wir haben das outgesourct. Eine gemeinnützige GmbH des RAL schließt Logo-Lizenzverträge ab, bei denen auch Geld fließt. Wir bekommen daraus Erlöse. Jahrelang haben wir die Werbung mit Testergebnissen nicht richtig kontrolliert. Das hat dazu geführt, dass mit falschen und veralteten Testergebnissen geworben wurde. Von Nutella zum Beispiel, zehn Jahre lang. Dagegen kann man aber nur gerichtlich vorgehen, wenn man Konkurrent ist. Als neuer Vorstand 2013 war dies eine meiner ersten Amtshandlungen, dass wir künftig Logo-Lizenzverträge abschließen. Diese haben eine Laufzeit von einem, zwei und nur in Ausnahmefällen drei Jahren. Damit haben wir eine vertragliche Grundlage. Wer gegen die verstößt, bekommt vom RAL eine Abmahnung. Wir haben da 300 bis 400 Fälle im Jahr. Aber unlautere Werbung mit falschen Testergebnissen gibt es kaum noch.
Was nehmen Sie damit jährlich ein?
Etwa sechs Millionen Euro im Jahr. Wir bekommen aber nicht mitgeteilt, wer eine Logolizenz erwirbt. Bei rund zehn Prozent der Produkte, die mit dem Testergebnis werben, prüfen wir regelmäßig nach, ob die gute Qualität noch Bestand hat. Auch das sichert unsere Unabhängigkeit.
Stichwort geplante Obsoleszenz: Was hilft am besten, um Hersteller mit großer Marktmacht davon abzuhalten, Sollbruchstellen in ihre Produkte einzubauen?
Das muss differenziert betrachtet werden. Eine tatsächliche geplante Obsoleszenz gibt es unserer Auffassung nach nicht. Ein Gerät, dass aus vielen Teilen besteht, kann nicht genau so produziert werden, dass es in einem bestimmten Moment, etwa nach der Garantiezeit, kaputt geht. Das bekommt man nicht hin. Was wir viel schlimmer finden, ist die sogenannte funktionale Obsoleszenz. Beispiel: Es werden keine Software-Updates mehr angeboten, es gibt keine Ersatzteile mehr, das Produkt kann nicht mehr repariert werden. Aber wirklich Einfluss auf die Lebensdauer eines Gerätes nehmen, das ist schwer. Wir haben den interessanten Fall, dass die Firma Miele uns bekniet, doch Waschmaschinen auf eine Lebensdauer von 20 Jahren zu testen. Was die sich davon versprechen, können wir uns denken.
Wie dürfen wir uns einen Dauertest vorstellen? Läuft da eine Waschmaschine monatelang im Testraum?
Genau. Um zwölf Jahre zu simulieren, muss sie ein Jahr lang im Dauerbetrieb laufen. Sie wird immer wieder befüllt und es geht immer weiter und weiter. Einmal sind wir dahintergekommen, dass eine Maschine so programmiert war, dass sie bei Dauerbetrieb irgendwann langsamer drehte. So hält eine Maschine den Dauertest gut durch.
Woher erkennt die Gerätesoftware, dass sie nun auf Dauerbetrieb laufen wird?
Ich bin kein Programmierexperte. Aber wahrscheinlich reagiert sie auf Betriebszeiten, die im normalen Haushalt nicht vorkommen.
59 Jahre besteht inzwischen die Stiftung Warentest. Was wurde noch gar nicht getestet?
Wir haben noch nie Segelyachten getestet. Wir haben auch noch keine Einfamilienhäuser getestet und auch noch keine Luxuslimousinen. Autotests gab es früher, aber das haben wir inzwischen aufgegeben. Bei Autos meinen alle, sie wüssten am besten selbst Bescheid. Das ist ein sehr emotionales Produkt. Deswegen testen wir auch keine Parfüms.
Haben Sie selbst schon mal etwas getestet?
In meiner Anfangszeit bei der Stiftung Warentest wurden Tennishotels getestet. Da habe ich als Inspektor teilgenommen. Ich musste in meinem Hotelzimmer die Fliesen zählen und das Zimmer ausmessen. Mein Gott, war ich verblüfft, wie hoch die Anforderungen an mich als Tester waren. Der Fragebogen war sehr lang und das ganze kein wirkliches Vergnügen.
Da war die Vorfreude schnell getrübt.
Ja, die war schnell getrübt. Hätte ich mal vorher gewusst, was da auf mich zukam.
Sie haben mal Astrologen und aufblasbare Schlitten getestet – schaden solche Tests nicht der Seriosität?
Das waren die Anfangszeiten der Stiftung Warentest. Da ist man mutig herangegangen. Rückblickend hat es uns offensichtlich nicht geschadet. Aber diese Tests sind heute nur noch ein Kuriosum der Geschichte. Technisch waren die Tests früher natürlich nicht so ausgereift, aber die haben viel schon sehr gut gemacht. Ich erinnere mich, dass Teppichböden in einer U-Bahnstation getestet wurden. Der wurde dort für zwei Tage ausgerollt und dann das Ergebnis angesehen. Das waren super Ideen. Heute ist alles sehr verwissenschaftlicht.
Je mehr Freihandelsabkommen zwischen der EU und anderen Ländern geschlossen werden, desto mehr potenzielle Produkte für Tests kommen auf den Markt. Kommen Sie überhaupt noch hinterher?
Das stimmt. Die Produktauswahl ist tatsächlich ein Problem. Es ist heutzutage schwer, mit zwanzig Produkten den ganzen Markt abzubilden. Aber genau, weil die Auswahlmöglichkeiten komplexer werden, ist der Bedarf an objektiven Testergebnissen größer.
Haben Sie im Verlauf der Jahre die Anzahl der Tests erhöht?
Das nicht. Aber wir haben die Zahl der einbezogenen Produkte teilweise erhöht. Normalerweise sind es im Produkttest zehn bis 15 Produkte, im Finanzbereich gibt es auch Vollerhebungen.
Online kann ich bei Ihnen einzelne Testergebnisse herunterladen. Ein einzelner Test kostet dort 4,90 Euro, das gesamte Heft 7,40 Euro. Da stimmt die Preisrelation nicht.
Was steckt dahinter? Es soll für unsere Printleser und die Flatrate-Nutzer einen Preisvorteil geben. Diese Angebotsformen wollen wir stärker fördern.
Die Flatrate hat sich aber nicht aufgedrängt auf der Webseite.
Wenn Sie das so empfinden, gebe ich das gerne an unsere Marketing-Spezialisten weiter. Inzwischen liegen wir bei 100.000 Flatrates, das ist ordentlich.
Sie halten somit am Printprodukt fest.
Wir haben über 300.000 Abonnenten bei der Zeitschrift Test und 180.000 bei Finanztest. Bei Finanztest haben wir überraschenderweise keinen Rückgang. Die jungen Familien entscheiden sich inzwischen für eine Online-Flatrate. Dieser Trend ist erkennbar.
Neben den beiden Zeitschriften Test und Finanztest geben Sie von letzterer auch Spezial-Hefte heraus. So kann ich mir ein Finanzheft Spezial zum Thema Steuern kaufen. Wann ist Ihnen eine Thematik ein Spezial-Heft wert?
Das Thema ETF-Fonds wurde so prominent, dass sich aus unserer Sicht ein Spezialheft angeboten hatte. Wir haben auch eins zum Thema Erben und Vererben herausgebracht. Die Sonderhefte waren früher mal ein großer Renner, heute lohnen sich nur noch wenige Themen
Sie sind seit über 30 Jahren bei der Stiftung, also Ihr wesentliches Berufsleben. Hat Sie nie etwas anderes gereizt?
Ich habe noch eine klassische Inhouse-Karriere gemacht. Immer, wenn ich dachte, jetzt suche ich mir was anderes, habe ich hier die nächste Position erklommen. Ich fing hier an als Redakteur für Recht und Steuern, wurde dann Geschäftsführender Redakteur für Finanztest, dann Chefredakteur Finanztest, dann Chefredakteur für Test, dann Bereichsleiter Publikation, dann Stellvertretender Vorstand und nun bin ich Vorstand. Ich muss sagen, das hat es mir leicht gemacht, zu bleiben, aber es ist auch mein Traumberuf. Es ist abwechslungsreich, von Interviews und Pressearbeit zur Kontrolle des ganzen Testgeschehens bis hin zu Finanzthemen. Jeder Test ist immer wieder neu und spannend.
Sie sind Mitglied im RC Berlin-Brandenburger Tor. Was verbinden Sie persönlich mit dem Club?
Ich bin ein aktives Mitglied und habe mich jahrelang um den Jugenddienst gekümmert. Das hat mir unheimlichen Spaß gemacht. Jetzt mache ich den Gemeindienst und war auch schon Präsident. Unser Projekt "Take Action" liegt mir sehr am Herzen. Wir unterstützen Migranten, die über die Volkshochschule den Mittleren Schulabschluss machen. Das ist eine erfüllende Arbeit. Wir sehen da den Erfolg. Ansonsten verbinde ich den Club mit vielen Freundschaften zu einzelnen Mitgliedern und großartigen Vorträgen. Es gibt ein tolles Clubleben.
Angenommen, Sie würden alle Berliner Rotary Clubs testen sollen – was wären Ihre drei wichtigsten Kriterien?
Ich würde mir die sozialen Projekte des Clubs unter dem "Hands-on"-Gedanken ansehen. Geld zahlen ist eine Sache, aber wie ist es mit dem persönlichen Einsatz? Dann würde ich mir ansehen, ob noch jeder jeden im Club kennt, oder ob sich eine Cliquenwirtschaft gebildet hat oder der Club zu groß geworden ist und einzelne gar nicht mehr wissen, wer noch alles Mitglied ist. Drittes Kriterium wäre das Programm, welches der Club anbietet. Sind das nur Vorträge oder gibt es viele interessante Reisen und Unternehmungen?
Auf diesen Test freuen wir uns.
Da kann man sich schön in die Nesseln setzen.
Das Gespräch führten Frauke Eichenauer und Florian Quanz.
Hubertus Primus wurde 1955 in Gersfeld in der Rhön (Hessen) geboren und machte 1976 an der Winfriedschule in Fulda Abitur.
Danach ging er für zwei Jahre zur Bundeswehr (Leutnant der Reserve). Ab 1978 folgte das Studium der Rechtswissenschaften an der Freien Universität (FU) Berlin. Das erste Staatsexamen legte er 1983 ab, und nach dem Referendariat in Berlin und Speyer schloss Hubertus Primus seine juristische Ausbildung 1986 ebenfalls in Berlin mit dem 2. Staatsexamen ab.
1986 bis 1988 arbeitete Primus beim Rechtsmagazin für die Wirtschaft in München, zum Schluss als stellvertretender Chefredakteur. In den darauf folgenden beiden Jahren war er freier Wirtschaftsjournalist und arbeitete zu den Schwerpunkten Steuern und Recht unter anderem für das Industriemagazin, die Süddeutsche Zeitung, die VDI-Nachrichten, High Tech und Status. Für den Heyne-Verlag schrieb er das "Handbuch des GmbH-Geschäftsführers" und für die Raiffeisen- und Volksbanken Ratgeber zu Steuern.
1990 kam Primus zur Stiftung Warentest. Zunächst war er Redakteur für Recht und Steuern bei Finanztest, wurde 1991 Geschäftsführender Redakteur von Finanztest und zwei Jahre später Chefredakteur. 1999 wechselte er als Cheftredakteur zu test und übernahm die Leitung des Bereichs Publikationen. Er war neben Vorstand Dr. Werner Brinkmann Mitglied der Geschäftsleitung, bis er Anfang 2012 die Nachfolge Brinkmanns als Alleinvorstand der Stiftung Warentest antrat. Seit 1989 ist der studierte Jurist mit der Tierärztin Susanne Hartung-Primus verheiratet. Das Paar hat vier Kinder. Hubertus Primus vertieft sich in seiner Freizeit gern in ein gutes Buch, spielt regelmäßig Tennis, ist begeisterter Kinogänger und Freund amerikanischer Fernsehserien.