Governor-Projekt
Digitale Medien - schon im Kindergarten
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Frühkindliche Bildung war das Governorprojekt 2021-22 von Reinhard Höpfl: 80 Kitas im Distrikt 1880 haben teilgenommen, sie wurden mit über 600 Tablets ausgestattet, 20 Clubs haben unterstützt: Nun liegt das Ergebnis des Projekts als Buchpublikation vor –der Download ist kostenfrei.
Kinder und digitale Medien: Sobald diese beiden Begriffe aufeinandertreffen – unabhängig davon, ob es um Kleinkinder oder Jugendliche geht – sind kontroverse Diskussionen garantiert.
Die einen sind überzeugt, dass Jugendliche und insbesondere jüngere Kinder so lange wie möglich vor dem vermeintlich schädlichen Einfluss digitaler Medien geschützt werden sollten. Die anderen sehen in digitalen Medien die Zukunft.
Aus wissenschaftlicher Sicht gestaltet sich die Sache differenzierter: Vielfach zeigen Forschungsprojekte, dass Kinder etwa durch die Verwendung von Lern-Apps sinnvolle Inhalte lernen können, beispielsweise schulrelevante Fähigkeiten wie Buchstabenkenntnis oder Zählen. Digitale Medien bieten Möglichkeiten, Lerninhalte attraktiv zu gestalten und adaptiv an den Kenntnisstand eines Kindes anzupassen. Auf der anderen Seite weisen Forschungsergebnisse darauf hin, dass übermäßig lange Bildschirmzeiten mit Schlafproblemen einher gehen können und unserer Augengesundheit schaden können – übrigens nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen.
Medienverhalten im Fokus
Fest steht: Kinder haben schon in jungen Jahren häufigen Kontakt mit Smartphones, Tablets, Computern und dem Fernsehen und mit zunehmenden Lebensalter werden diese Geräte auch immer länger selbständig genutzt. Auch wenn viele kleinere Kinder diese Geräte zunächst nicht aktiv nutzen, sind sie dennoch ein fester Bestandteil ihrer Lebensumwelt. Bereits im Kindergartenalter nehmen Kinder Eltern und andere Erwachsene in ihrer Umgebung und deren Medienverhalten wahr und entwickeln dadurch früh Interesse an digitalen Geräten. Digitale Medien haben sich daher zu einer wichtigen Sozialisationsinstanz entwickelt, die die kindliche Entwicklung beeinflusst – ob wir das nun gut finden oder nicht. Dies stellt neben Eltern besonders auch den formellen Bildungskontext, wie die Kindertageseinrichtung und ihre pädagogischen Fachkräfte vor die Herausforderung, Kindern einen verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien zu vermitteln – eine Aufgabe, die nicht immer einfach zu bewältigen ist. Umso wichtiger ist es, dass Kinder einen verantwortungsbewussten Umgang mit digitalen Medien erlernen und kompetent und mit Bedacht an die Nutzung herangeführt werden. Dafür ist es jedoch unabdingbar, dass auch die pädagogischen Fachkräfte über ausreichende Medienkompetenz verfügen und eine entsprechende Unterstützung erhalten, um diesen Bildungsauftrag umsetzen zu können.
Auch wenn bereits seit 2004 eine Integration des Bildungsbereiches digitale Bildung durch den gemeinsamen Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen empfohlen wurde, so ist hier seit jeher nur in begrenztem Umfang eine Umsetzung auf curricularer Ebene und damit auch in der Praxis erfolgt. Nur etwa ein Drittel aller Kitas berichten, dass sie digitale Medien in ihre pädagogische Praxis integrieren und nur wenige verfügen über verbindliche Medienkonzepte in ihren Einrichtungen, welche den sinnvollen Einsatz digitaler Geräte behandeln. Die Herausforderungen ergeben sich unter anderem aus dem Spannungsfeld zwischen den Chancen und Risiken digitaler Bildung, der unzureichenden Infrastruktur und den begrenzten Fortbildungsmöglichkeiten sowie den unterschiedlichen Einstellungen der pädagogischen Fachkräfte. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, sind neben einer angemessenen Ausstattung und dem Zugang zu digitalen Medien auch klare Rahmenbedingungen sowie gezielte praktische Unterstützung durch Fort- und Weiterbildungen für die pädagogischen Fachkräfte notwendig.
Diesen Herausforderungen begegnete das Projekt Rotary4Kitas, durch den gezielten Einsatz von digitalen Medien und einer Fortbildungsreihe für pädagogische Fachkräfte. Rotary4Kitas wurde als Kooperationsprojekt zwischen dem Rotary e.V., Distrikt 1880, unter der Leitung des ehemaligen Governors Prof. Dr. Reinhard Höpfl und der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Frank Niklas an der Ludwig-Maximilians-Universität München, unter Mitarbeit von Prof. Dr. Astrid Wirth, Dr. Anna Mues und Tina Schiele ins Leben gerufen. Ziel des Projekts war und ist es, Kitas und ihre pädagogischen Fachkräfte darin zu unterstützen, digitale Medien sinnvoll in den Alltag der Einrichtungen zu integrieren. Der Distrikt 1880 des Rotary e.V. stellte für dieses Vorhaben Gelder zur Verfügung, die es ermöglichten, einerseits eine technische Ausstattung der teilnehmenden Einrichtungen (insbesondere eingesetzt für die Anschaffung von Tablets) zu realisieren und andererseits auch die Kosten für den Erwerb von geeigneten (Lern-)Apps abzudecken. Die Arbeitsgruppe an der Ludwig-Maximilians-Universität München unterstützte die pädagogischen Fachkräfte parallel durch theoretische Hintergrundinformationen und Empfehlungen für die Praxis im Rahmen von Weiterbildungsveranstaltungen sowie durch eine wissenschaftliche Begleitung und Evaluation.
Überprüfung der Erkenntnisse
Die Evaluation des Projektes verdeutlicht, dass bereits nach kurzer Zeit erste positive Ergebnisse erzielt werden konnten. Wo zu Beginn des Projektes noch angegeben wurde, dass vor allem finanzielle Mittel und die alleinige Verfügbarkeit digitaler Medien ein Problem für die Integration digitaler Bildung in den Kita-Alltag darstellte, konnte dies durch die Ausstattung im Rahmen des Projekts deutlich verbessert werden. Dennoch bleibt die für die Integration digitaler Medien in den Kita-Alltag nötige Zeit eine große Herausforderung. Nicht nur im Rotary4Kitas-Projekt, sondern auch im Allgemeinen zeigen Untersuchungen, dass besonders der zeitliche Aspekt, also ausreichend Zeit zu haben, sich mit dem Einsatz digitaler Medien zu beschäftigen und adäquate Bildungsangebote vorzubereiten, eines der größten Hindernisse für die pädagogischen Fachkräfte in den Einrichtungen darstellt.
Darüber hinaus zeigte sich im Projekt, dass die Fachkräfte, durch die angebotene Schulung und die monatlichen Informationen und zusätzlichen praxisorientierten Materialien, sowohl ihr medienpädagogisches Wissen und Handeln als auch ihre medienpädagogischen Einstellungen positiver bewerteten als dies vor dem Projekt der Fall war. Zuletzt lässt sich hervorheben, dass der Einsatz der Tablets, auch wenn ihm zu Anfang in einigen Kitas mit größerer Skepsis von Seiten der pädagogischen Fachkräfte begegnet wurde, als sehr positiv, bereichernd und als eine sinnvolle zusätzliche Option wahrgenommen wurde und die Kinder die Tablets in den allermeisten Einrichtungen ausschließlich in Gruppen oder in Begleitung einer pädagogischen Fachkraft genutzt haben.
Wenngleich der Einsatz digitaler Medien (immer noch) eine Herausforderung für die frühpädagogische Praxis darstellt, bieten Aus-, Fort- und Weiterbildungen sowie Materialien, die die pädagogischen Fachkräfte bei der praktischen Umsetzung digitaler Bildung im Kita-Alltag unterstützen, großes Potenzial diesen Herausforderungen zu begegnen. Um den verantwortungsvollen Einsatz digitaler Medien in Kitas flächendeckend zu fördern, ist jedoch eine klare bildungspolitische Strategie erforderlich. Es bedarf bundesweit einer verbesserten technischen Ausstattung und gezielter Fortbildungsangebote für pädagogische Fachkräfte. Nur so können die Chancen der Digitalisierung in der frühkindlichen Bildung genutzt und Herausforderungen gemeistert werden. Die Politik ist gefordert, Kitas und ihre Fachkräfte stärker zu unterstützen, um allen Kindern – unabhängig von ihrer Herkunft – gleiche Möglichkeiten für einen kompetenten Umgang mit digitalen Medien zu ermöglichen. Hierbei geht es nicht um eine "Digitalisierung" des Kita-Alltags und lange Mediennutzungszeiten unserer Jüngsten. Vielmehr soll es Kindertageseinrichtungen ermöglicht werden, einen Beitrag dazu zu leisten, Kinder zu medienkompetenten Nutzenden digitaler Medien zu machen. Digitale Medien sollen dabei keineswegs den bisherigen Alltag in der Kita völlig umkrempeln, sondern sie sollen als hilfreiche und sinnvolle Ergänzung angesehen werden, die neue und spannende Möglichkeiten eröffnen.
Ergebnisse? - Im Buch
Wer sich für das Thema interessiert, kann weiterlesen: Das im Rahmen des Projekts entstandene Buch "Digitale Medien kompetent in Kitas einsetzen" kann über die Website des Springer Verlags kostenlos heruntergeladen werden. Es bietet umfangreiche Hintergrundinformationen zur Verwendung digitaler Medien mit Kindern und zahlreiche Praxisbeispiele – für pädagogische Fachkräfte, Eltern und alle Interessierte.
Anna Mues,
wissenschaftliche Referentin Deutsches Jugendinstitut e.V.
Hier der Link, um das Buch kostenlos herunterzuladen:
link.springer.com/book/10.1007/978-3-662-69759-7
Hintergrund: Elementarbildung
Bildung ist der Schlüssel zu einem selbstbestimmten Leben und ökonomisch sicheren Zukunft. Deshalb richten viele Clubs entsprechende Projekte darauf aus, Kindern eine umfassende schulische Grundbildung zu verschaffen.