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Plädoyer

Erfolgreiche kleine und große Projekte

Robert Zinser03.06.2011

Das Rotary Magazin informierte in den ersten Ausgaben dieses Jahres eingehend über Entwicklungshilfe und Beispiele unseres rotarischen Weltgemeindienstes (s. Ausgaben 01/11 S. 58–66, 02/11 S. 14?ff. und 03/11 S. 10 ff.). Mit internationalen humanitären Projekten nutzen wir das einmalige rotarische Netzwerk in aller Welt zur Förderung von Frieden und Völkerverständigung. Das Potenzial unseres Netzwerks ist bei Regierungen und Stiftungen für den Einsatz ihrer Fördermittel gefragt. Nicht von allen Clubs wird der Weltgemeindienst angemessen aufgegriffen, weil es ihnen vielleicht an verlässlichen Kontakten zum Empfängerland fehlt oder auch, weil Armut, Hunger und Elend weit weg erscheinen.

Future Vision Plan

Mit dem Future Vision Plan (FVP) und seinen sechs Schwerpunktbereichen rücken internationale humanitäre Projekte in den Fokus. Unseren Clubs stehen dazu viele Ressourcen zur Verfügung. (zu den finanziellen Ressourcen s. Rotary Magazin 02/2011 S. 10, Martin Gutsche). Hinzu kommen die Rotarian Action Groups, die von RI im November 2010 in die FVP-Umsetzung eingebunden wurden. Im Januar 2011 wurden die Governors, incoming Governors und der Deutsche Governorrat als Multidistrikt von RI gebeten, mit den Action Groups zusammenzuarbeiten. Zu vielen Schwerpunktbereichen gibt es spezialisierte Action Groups, die über viel Erfahrung und Expertise sowie gute Kontakte zu anderen NGOs, UN-Organisationen und Regierungsstellen verfügen. Die Erfahrungen vieler Rotarier im interkulturellen Projektmanagement sind bei internationalen Projekten sehr hilfreich. In Deutschland und Österreich unterstützt die Rotarian Action Group for Population & Sustai­nable Development (RFPD) viele kleine und große Clubprojekte. RFPD ist besonders aktiv im Schwerpunktbereich „Gesundheit von Müttern und Kindern“, der sich mit den UN-MillenniumsZielen 4 (Senkung der Kindersterblichkeit) und 5 (Verbesserung der Gesundheit von Müttern einschließlich des Zugangs zu Familienplanung) deckt. Auf diesem Gebiet hat RFPD von 2005 bis 2010 mit rund 200 Clubs aus vielen deutschen und österreichischen Distrikten ein Rotary-Modellprojekt in Nordnigeria erarbeitet und umgesetzt. Bill Gates: „Wo Menschen verhungern und ich für 1000 Dollar Leben retten kann, dorthin gehe ich. In Nordnigeria, dem Kongo oder Nordindien: Dort lohnt es sich zu arbeiten“. Das Müttergesundheitsprojekt ist mittlerweile bei Frauen und Müttern, Hospitälern, Regierungsstellen, Traditional Rulers und vielen Stakeholdern anerkannt. Aufgrund des großen Erfolgs – zum Beispiel einer Senkung der Müttersterblichkeit um mehr als 50 Prozent und der Einführung eines Qualitätssicherungssystems in der Geburtshilfe – ist das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) bereit, das Replizieren des Projektes in anderen Regionen Nigerias mit Fördermitteln bis zu einer Million Euro zu ermöglichen. Der RC Bottrop-Wittringen stellt mit einem Matching Grant einen Teil der nötigen Eigenmittel zur Verfügung. Clubs, die dabei mitmachen, verfünffachen ihre Mittel. Wer vor Ort die Dankbarkeit von jungen Frauen erlebte, die in Rotary Fistula Zentren von ihrem Leiden befreit wurden, wird sich dieser Hilfe nicht verschließen.
Mit dem RI-Strategieplan und der Vorgabe von sechs Schwerpunktbereichen zur Umsetzung der Strategie wird die Corporate Identity und Zukunftsfähigkeit  Rotarys gestärkt. RI-Präsident Ray Klinginsmith schrieb dazu unlängst, Rotary benötige „die Unterstützung von Partnerorganisationen und auch Regierungen, um größere Serviceprojekte durchführen zu können, die wiederum die Clubs stärken“. Im FVP werden kleine und große Projekte gefördert. Bei „Packaged Global Grants“ sollen strategische Partner die benötigten Fördermittel für professionelle Projekte zur Verfügung stellen, die mit dem Namen Rotary verbunden werden – sogenannte ‚Signature Projects‘.

„Signature Projects“

PolioPlus, das weitaus größte ‚Signature Project‘ Rotarys, wird in Fachkreisen als „Rotary-Modell“ bezeichnet, weil: 1. Ein international wichtiges Anliegen aufgegriffen wird; 2. dieses Anliegen mit einem professionellen Projekt angegangen wird; 3. viele Distrikte und Clubs (bei Polio waren es fast alle) sich daran beteiligen; 4. ein (Groß)Teil des Projekts durch Fördermittel von außerhalb Rotarys finanziert wird; 5. messbare Ergebnisse als Ziele vorgegeben und deren Erreichung dokumentiert werden.
Weitere solcher Projekte sind nötig, denn Rotary wird künftig nicht vom Erfolg des Polio-Programms leben können und auch nicht wollen. Das Müttergesundheitsprojekt ist ein solches ‚Signature Project‘. Durch Satellitenprojekte haben Rotary Clubs und Distrikte, Rotaracter und Inner Wheelerinnen das eine Million Euro umfassende Kernprojekt in vorbildlicher Weise ergänzt und gezeigt, dass Großprojekte kleine Projekte nicht nur ermöglichen, sondern geradezu anziehen. Der Vorteil, kleine Projekte mit großen zu verbinden, ist, dass hierbei der unabdingbare Kontakt zum Club im Entwicklungsland und eine Infrastruktur sichergestellt sind, auf die aufgebaut werden kann. Großprojekte mit ergänzenden Kleinprojekten garantieren im Zweifel eine größere Nachhaltigkeit als separate Kleinprojekte. Es ist vor allem die Nachhaltigkeit der ‚Signature Projects‘, mit der sich Rotary von der sogenannten „Hilfe-Industrie“ (s. Rotary Magazin 01/2011 S. 58, Linda Polman) abgrenzt. Hinzu kommt, dass die rotarische Familie ausschließlich aus Freiwilligen besteht, Rotary-Eigenmittel wie auch externe Fördermittel direkt in das Projekt geleitet werden und nicht zwischen „Korruption und kriminelle[m] Verhalten“ (s. Rotary Magazin 01/2011 S. 63 Jörg Bahr) versickern. Rotary gehört auch nicht zur „Karawane der Hilfsorganisationen“, die Einsatzort und -dauer von der „Marktlage“ abhängig macht (Polman). Unsere Clubs kümmern sich vielfach darum, dass auch nach Beendigung ihrer Projekte diese weiter wirken. Wie die Zielgruppe sollten auch Regierungsstellen hinter dem Projekt stehen, es schon während der Laufzeit aktiv unterstützen, damit die Maßnahmen nach Projektende von ihnen selbstständig fortgeführt werden können. So baute beim Müttergesundheitsprojekt bereits in der ersten Phase die Landesregierung auf unser Begehren hin einen Operationsraum für das Rotary Fistula Center in Zaria. Inzwischen haben wir mit den staatlichen Hospitälern vereinbart, dass sie erforderliche medizinische Geräte mitfinanzieren – das schont Projektmittel und fördert wichtige Eigenleistung. Eine solche Regierungsbeteiligung ist bei größeren Projekten, die Teil nationaler Programme werden sollen, eher durchzusetzen.
Die Rotary Foundation akzeptierte den Final Report ohne Beanstandungen, und das BMZ wird die Verbreitung des erarbeiteten Modells zur Senkung der Müttersterblichkeit fördern. Stakeholder und Regierungen forderten uns dazu auf, das Projekt in anderen Regionen Nigerias zu replizieren.  Mit solchen ‚Signature Projects‘ tragen wir zur Umsetzung der RI Strategie bei.