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Titelthema

Erika, lass das!

Titelthema - Erika, lass das!
Carl Cowen Schirm Bauernhütte im Heideland, 1920er Jahre (Öl auf Leinwand) Schirm studierte an der Großherzoglich Badischen Kunstschule Karlsruhe. Ab 1907 widmete sich Schirm intensiv der Landschaftsmalerei und besuchte häufig die Lüneburger Heide, wo er sich 1918 in AmelinghausenSottorf niederließ. © public domain sourced/access rights from history and art collection/alamy stock photo, jörg kyas

Die Lüneburger Heide hat Jenny Elvers, einen Truppenübungsplatz und die A7. Ein nicht ganz ernst gemeinter Streifzug.

Günther, der Treckerfahrer01.08.2021

Moin! Was Karl May für die Prärie gewesen ist, das war Hermann Löns für die Lüneburger Heide. Aber Winnetou heißt bei Löns Mümmelmann und ist ein Hase und kein Apache. Es gibt kaum ’ne Landschaft in Niedersachsen mit so viel Eigenarten, zum Beispiel ’ne eigene Schafsrasse, die Heidschnucken, ’ne eigene Promiart, zum Beispiel Jenny Elvers, und im August ist die ganze Gegend lila, wenn die Heide blüht. Was sagt ein Zwerg, wenn er durch die Lüneburger Heide geht? „Erika, lass das.“ Eigene Witze haben sonst nur die Ostfriesen. 

Bei so viel Gegend auf’n Mal ist das Militär natürlich nicht sehr weit. Die ganze Nato hat sich da gegenseitig die Manövermunition um die Ohren gepustet. An manchen Tagen im Jahr, wenn nicht geschossen wird, darf man sogar mit dem Fahrrad über den größten Truppenübungsplatz Deutschlands in Bergen/Hohne bügeln. Noch heute heißen die dort natürlich vorkommenden Großkatzen Leopard, Gepard und Puma, haben aber statt Gliedmaßen Gliederketten. Richtige Tiere vom eigenen Auto aus begucken kann man wie sonst nur in Afrika im Serengetipark Hodenhagen. Wem die Natur als Attraktion nicht reicht, für den gibt’s den Heidepark Soltau, und das ist bloß einer von 18 Stück. Das größte Freizeitparadies ist allerdings die A7. Hier verbringen ganz viele Deutsche in den Sommermonaten einen Großteil ihres Urlaubs, der eigentlich in Skandinavien stattfinden sollte.

Südlich von Schneverdingen nennt sich die Lüneburger Heide plötzlich Südheide, schätze mal, weil die Städte wie Celle oder Winsen/Aller keinen Bock hatten, für Lüneburg Reklame zu machen. Bisschen komisch isses trotzdem, das Steinhuder Meer nennt sich am Nordufer schließlich auch nicht Mardorfer Meer. Jedenfalls liegt dadurch der ganze Bundeswehrkram sowohl in der Lüneburger Heide als auch in der Südheide, wobei die Nordheide der Teil is’ ohne so viel Militär – da wohnen hauptsächlich Leute, die aus Hamburg geflohen sind. Als Gebietskörperschaft nennt sich der Gammel „Kreis Harburg“, wobei Harburg selbst gar nich’ in dem Kreis liegt, sondern ein Stadtteil von Hamburg ist. Sind die denn alle plemplem da oben? Kann sein.

Panzermuseum und „Rote Rosen“

Buchholz ist zum Beispiel die größte Stadt im angeblichen Kreis Harburg, nennt sich aber „Buchholz in der Nordheide“, weil es beleidigt ist, dass das kleinere Winsen an, auf, ob oder in der Luhe, weiß ich nicht, Kreisstadt ist, denn es heißt bloß Winsen Schrägstrich Luhe im Unterschied zu Winsen Schrägstrich Aller, was wiederum genauso gut Winsen in der Südheide heißen könnte. Dieses Luhe-Winsen ist aber die Hauptstadt vom Kreis Harburg, trotzdem heißt der Kreis nich’ Winsen wegen doppelt Winsen und weil Buchholz sonst noch saurer wäre. Das Schöne dabei ist: Als Tourist merkt man von diesem ganzen Kommunal-Kuddelmuddel nix und kann sich im Erdölmuseum Wietze köstlich amüsieren, das Schiffshebewerk Scharnebeck beklatschen oder sich im Deutschen Panzermuseum Munster/Südheide am Liebreiz militärischer Gefechtsfahrzeuge erfreuen. Jetzt nich’ schon wieder Panzer, sagst du, gut. Munster liegt außerdem an der Örtze und die is’ neben Aller, Seeve und Ilmenau mit dem Kanu oder Kajak bepaddelbar. Wer immer schon mal die Lüneburger Heide aus der Perspektive einer Nutria sehen wollte, für den ist das der Tipp des Tages.

Jetzt hab ich so oft Lüneburg gesagt und von der Stadt noch nix. Die gibt’s wirklich und ist keine Pappkulisse aus der ARD-Vormittags-Schmonzette „Rote Rosen“. Lüneburg, Celle, aber auch die kleineren Städte wie Müden oder Hermannsburg sind so, wie sie der Chinese nachbauen würde, um sich Deutschland anzugucken, ohne dahin zu fahren: viel Fachwerk und Backsteine, die Straßen sind gefegt und nix liegt rum. Die Lüneburger Heide war jahrhundertelang eines der Armenhäuser Deutschlands, außer man hatte Salz, das weiße Gold, unter den Füßen wie in Lüneburg. Sandige Böden, widerborstige Heidschnucken und noch keine A7, um Durchreisende auszurauben – da kam keine Freude auf bei der nachwachsenden Generation und sie wanderte lieber aus. In Südafrika haben Auswanderer mehrere Dörfer, die auch genauso heißen wie zu Hause, nachgebaut, nicht nur der Chinese kann das. So bitter die Armut der alten Heidjer war, so sehr profitieren wir heute davon, dass dieser Teil Deutschlands recht ungeschoren durch die Industrialisierung gelangte. Da kann man jedem nur raten: schnell hinfahren, bevor der Südlink die Heide durchpflügt und die Schnucken grillt, während sie die Erika äsen. Munter bleiben!


Städte

Lüneburg
Ein Bummel durch die Altstadt der Hansestadt lohnt sich. Das Grundgebäude des Rathauses entstand um 1230 und ist das größte mittelalterliche Rathaus Norddeutschlands.

Celle
Wer die Residenzstadt besucht, muss unbedingt einen Abstecher in das Schloss machen. Es beherbergt das älteste, heute noch bespielte Barocktheater Deutschlands.

Ausflugstipps

Bomann-Museum
Das Museum in Celle ist eines der größten kulturgeschichtlichen Museen Niedersachsens.

Wilseder Berg
Der kleine Berg bei Bispingen bietet mit seinen 169 Metern einen tollen Blick über die Lüneburger Heide, bei gutem Wetter bis nach Hamburg.

Günther, der Treckerfahrer
Günther, der Treckerfahrer ist die bekannteste Figur des Autors und Satirikers Dietmar Wischmeyer. 2020 erschien sein Buch Günther – Aufgewachsen unter Niedersachsen im FrühstyxradioEigenverlag, 160 Seiten, 15 Euro.