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Finanzspritzen mit Kellerschätzen
Die Auflösung des Haushalts enger Verwandter fällt schwer. Besonders beim Eltern- und Großelternhaus. Jeder Gegenstand ist einem vertraut. Man hat ihn Hunderte Male gesehen, benutzt oder gar bestaunt. Und nun soll er weg? Lieber nicht zu voreilig...
Vielleicht ist ja der auffällige Teller mit der Ente, den man als Kind besonders gern mochte, mehr wert, als vermutet. Oder Opas Briefmarkensammlung – zu jedem Weihnachten bekam er neue, damals ziemlich teure Exemplare. Man hat sie gemeinsam bewundert und zugesehen, wie er sie mit zufriedener Miene sorgfältig im Album verstaute. Aber wer bitte sammelt heute noch Briefmarken?
Überforderte Erben
Behalten oder verschenken, verkaufen oder zum Recyclinghof – vor allem Angehörige, die zum ersten Mal die komplexe Aufgabe einer Haushaltsauflösung vor sich haben, fühlen sich regelmäßig überfordert. Zum einen stehen sie durch die Tatsache, vor Kurzem eine nahestehende Person verloren oder ins Seniorenheim begleitet haben zu müssen, unter emotionalem Stress, zum anderen müssen sie häufig genug unter Zeitdruck agieren: Ungeduldige Miterben drängeln zum raschen Verkauf der Immobilie, Wohnungsverwalter wollen schnellstmöglich neu vermieten oder renovieren, Nachmieter möchten „nur mal ganz kurz“ die Räume ausmessen und so weiter. Die Wahrscheinlichkeit, dass Angehörige von der Dynamik einer solchen Situation überrollt werden, ist groß, sie begünstigt falsche Entscheidungen und führt in vielen Fällen später zu dem unbehaglichen Gefühl, den Wert von teilweise über Generationen weitergegebenem Schmuck oder Antiquitäten falsch eingeschätzt, eventuell gar verschleudert zu haben.
Der einfachste Weg ist natürlich, mit einem Entrümplungsunternehmen einen Pauschalpreis auszumachen. Nimmt man deren Angebot an, wird der komplette Hausrat übernommen „wie besehen“ und man hat möglicherweise ein paar Sorgen weniger. Diese Firma übernimmt, verkauft oder verschrottet die aussortierten Gegenstände in Eigenregie, sorgt für den Abtransport der Reste und liefert eine besenreine Immobilie zum vereinbarten Termin. Aber leider: In dieser Szene arbeiten jede Menge schwarze Schafe, die die schwierige Situation ihrer Kunden ausnutzen. Es ist schon überraschend, wenn man beim Verhandeln der Pauschale eigentlich nur hört, die Möbel wären im Grunde nicht verkaufbar, gerade diese Art Malerei habe derzeit kaum eine Nachfrage, die chinesischen Seidenteppiche seien ja schon ziemlich abgetreten und überhaupt, die Geschäfte gingen sehr schlecht ...
Bisschen auftüddeln – 500 Euro!
Aber auch wenn man zunächst keinen Haushaltsauflösertrupp engagiert, sondern erst mal selbst sortiert und versucht, einzelne Gegenstände zu verkaufen, gerät man nur allzu schnell an unseriöse Zeitgenossen. Zum Beispiel an Absender von Inseraten wie „Achtung Achtung, letzter Aufruf vor Saisonschluss 2020 – wir suchen alle Arten von Pelzen“ oder: „Kaufe Schallplatten zu Höchstpreisen“ oder „Machen Sie jetzt schnell Ihre Münzsammlung zu Bargeld“. Hier ist nur selten eine Firmenadresse zu finden und zur Kontaktaufnahme wird lediglich eine Handynummer angeboten. Mittlerweile versuchen derartige Annoncen sogar, potenzielle Kunden mit einer Tasse Kaffee und einem Kuchen zu ködern. Da kann ich nur dringend raten: bitte nicht drauf reinfallen!
Es ist schwierig, ohne Expertise für die Objekte in den verschiedenen Märkten angemessene Preise zu verhandeln. Warum soll man als Laie auch einschätzen können, was ein Persianermantel aus den 50er Jahren wert ist? Wer kann schon wissen, dass Omas angekratzter Schminkspiegel auf einem schmuddeligen Holzkästchen montiert eine sogenannte „Psyche“ aus der Biedermeierzeit ist? Und, noch wichtiger, im derzeitigen Zustand höchstens 200 Euro wert ist, aber mit ein bisschen Auftüddeln, sprich einer gründlichen Reinigung für vielleicht 80 Euro, durchaus 500 Euro und mehr erzielen könnte? Dass die abgeschrabbelte Skulptur eines Äskulaps bis zu 5000 Euro bringen könnte, wenn die Holzschlange neu bemalt, der Gipskörper restauriert und das integrierte Uhrwerk für 800 Euro repariert würde? Hin und wieder lohnt sich genaues Hinschauen, tatsächlich reicht bei einigen Objekten eine fachgerechte Reinigung oder eine winzig kleine neue Feder, um wieder zu strahlen, zu funktionieren und einen interessierten Käufer anzulocken. Merkmale wie „schön“ oder „geschmackvoll“ oder auch „unscheinbar“ sind natürlich keine Anhaltspunkte für den Wert von Dingen, denn gerade Objekte, die sich nicht sofort zuordnen lassen und deren Zweck man nicht gleich erkennt, können für Käufer entsprechender Sammlungen besonders interessant sein.
Mobiliar, Porzellan, Skulpturen, Statuen oder Tafelsilber, auffällige Lampen, aber auch Gold- und Silberschmuck sowie Uhren versprechen auf den ersten Blick einen nicht unerheblichen Gewinn, aber leider lassen sich beispielsweise Silber und Goldschmuck derzeit fast nur noch über den Materialwert zum Tagespreis verkaufen. Andererseits sollte man aber auch wissen: Ungestempelter Schmuck muss nicht automatisch Modeschmuck sein, denn wirklich alter Schmuck ist nie gestempelt.
Der Markt für Antiquitäten und Kunstwerke hat innerhalb der letzten zehn Jahre einen dramatischen Preisverfall erlitten. Noch vor ein paar Jahren waren 200 Jahre alte Meißner Porzellanobjekte kaum zu bekommen und standen entsprechend hoch im Kurs, heutzutage kräht kein Hahn danach. Für früher extrem teure Möbel gibt es heute eine traurige Formel: Kaufpreis von vor 30 Jahren, geteilt durch zwei und dann eine Null streichen. An diesem Preisverfall sind auch die Medien nicht ganz unschuldig – insbesondere die zahlreichen Fernsehsendungen über Kuriositäten, Raritäten, Kunstwerke und Antiquitäten haben dafür gesorgt, dass die Leute in Kellern und auf Dachböden nach Objekten suchen, die sie unverhofft reich machen. Oder ihnen zumindest wieder mehr Stauraum bescheren. Ebay, Online-Kleinanzeigen, Flohmärkte – der Markt wurde und wird nicht zuletzt dank der durch Corona ausgelösten Aufräumwut von Objekten aller Art überschwemmt. Aber die Nachfrage und die Bereitschaft, für eigentlich wertvolle und besondere Stücke auch angemessene Preise zu zahlen, hat stark nachgelassen. Es fehlt eine ganze Generation, die Dinge sammelt und Spaß an Antiquitäten sowie anderen Dingen vergangener Epochen hat. Auch die heutigen Senioren legen sich in der Regel keine Antiquitäten im großen Maße mehr zu, auch sie verkaufen eher. In jüngeren Generationen sind vor allem Antiquitäten ab Mitte des 20. Jahrhunderts und älter ziemlich out. Selbst wenn es sich also tatsächlich um die berühmten „schönen Stücke in einwandfreiem Zustand“ handelt, ist es aufgrund des enormen Überangebots bei Antiquitätenhändlern und Privatverkäufern ziemlich schwierig, einen Abnehmer zu finden. Und wenn, dann nie zu den Preisvorstellungen, die vor wenigen Jahren vielleicht noch realistisch waren.
Von Anfang an beraten lassen
Da fast jeder mit großer Wahrscheinlichkeit eines Tages vor der Aufgabe steht, einen Haushalt auflösen zu müssen, folgender Rat: Versuchen Sie auf jeden Fall, Zeitdruck zu vermeiden, und engagieren Sie in aller Ruhe einen geeigneten Sachverständigen, der Sie bei der Durchführung berät und begleitet und etwaige Schätze rechtzeitig entdeckt. Und Sie umgekehrt vor Enttäuschungen bewahrt. Der von Ihnen engagierte Sachverständige sollte von Anfang an involviert sein. Er oder sie muss in der Lage sein, „normalen“ Hausrat einschätzen zu können, aber auch die Expertise für Kunst, Antiquitäten und Designerobjekte haben, um bei eventuell höherwertigen Stücken fundierte Aussagen über Stil, Epoche und Zustand machen und qualifiziert taxieren zu können. Hilfreich ist natürlich auch, wenn der Experte eine gute Vernetzung mit anderen seriösen Gutachtern sowie seriösen Händlern vorweist, sodass er bei der Vermittlung von Kaufinteressenten in mehreren Bereichen helfen kann. Wenn eine Begutachtung durch einen Sachverständigen erfolgt ist, sollten die wertvollen Stücke aussortiert und der Rest eine Haushaltsauflösung gegeben werden. Diese muss eine nachvollziehbare Anschrift aufweisen können und bereit sein, die übergebenen Gegenstände zu quittieren, damit später auch etwaige Miterben später alles nachvollziehen können.
Mein wichtigster Tipp aber ist: Machen Sie sich bereits jetzt Gedanken darüber, welche Dinge Ihres Hausrats einen gewissen Wert haben – oder haben könnten, um sie von einem Experten begutachten zu lassen. Fertigen Sie eine Liste mit entsprechenden Informationen an, dann können sich Ihre Erben zumindest über ein paar Anhaltspunkte freuen. Man kann nie wissen: Möglicherweise sind eines Tages Ihre Möbel und Kunstobjekte extrem angesagt, aber die unscheinbare, jedoch wertvolle Tudor-Uhr, die Sie bereits von Ihrem Vater geerbt haben, sortieren Ihre Erben versehentlich auf den Modeschmuckhaufen.
Ulrich Vogt beschäftigt sich seit 45 Jahren intensiv mit dem Bereich Kunst und Antiquitäten, hat selbst ein Antiquitätengeschäft geführt und war zudem als Auktionator tätig. Er war drei Jahre lang als Sachverständiger und Experte in der Sendung „Kaputt und zugenäht“ im ZDF beschäftigt und stand und steht bei Räumungen von hochwertigen Immobilien mit höherwertigem Hausrat sowie der Vermittlung von Kaufinteressenten beratend und vermittelnd zur Seite.