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Formeln zur Ohnmacht: Territorien, Träumereien, Trump

Bevor weitere Sicherungen durchbrennen, bedenke man die Lage ruhig: Putin hat Materialien peinlicher Art über Trump, die man im Internet nahezu eruieren kann. Trump möchte neben anderen Zielen irgendetwas Großartiges in Moskau bauen, um die andere Akte verschwinden zu lassen und natürlich Gewinn zu machen.
Was könnte Trump von einer Koalition im Bündnis mit Russland haben – unter Aussparung Europas, des wichtigsten Handelspartners nach China in der Welt, mit großem, auch kreativen Potential in der Mitte?
Persönlich könnte Trump, wenn er Glück hat, gewinnen. Tatsächlich wird er täglich verlieren. Die Chinesen würden sofort ihre militärische und moralische Unterstützung für Russland im Vernichtungskrieg gegen die Ukraine und die russischen Ziele zurückziehen. Die Chinesen – ohnehin mit wechselseitigen nachhaltigen ethnisch-kulturellen Vorurteilen über und Demütigungen durch Russland zu kämpfen habend - hatten sowieso nur im Sinn, Amerika zu schwächen, nicht Russland unbedingt zu stärken. Außer der geostrategischen Landmasse, dem Atomarsenal, Rohstoffen und seltenen Erden ist Russland eigentlich bedeutungslos für China. Außerdem würde sich für den Iran mit den USA erneut ein ideologisch, religiös und strategisch satanischer Feind mit dem anderen verbinden, also auch hier die Unterstützung für den Krieg in der Ukraine schwinden.
Europa dagegen kann viel wichtiger werden, wenn es sich technologischer Erneuerung und Unternehmergeist mit Haut und Haaren verschreibt und sozialstaatlicher Fehlallokation und Mentalität absagt. Dies gilt alles natürlich nur im Rahmen der Mobilisierung der internen Kräfte zur Verteidigung der Demokratie und der Kräfte zur äußeren politischen und militärischen Verteidigung.
Es gibt zwei Entwicklungen, die vielleicht ein angenehmeres Folgegeschehen andeuten: eines ist eine Reform in der chinesischen Führungsschicht zu weiterer Handelsoffenheit, Innovationsfreundlichkeit mit großen Vorteilen für die eigene Bevölkerung und auf den Weltmärkten.
Das andere ist ein Russland, wo im Moment eine Gegen-Elite nicht sichtbar ist, die gegen Putin auftritt und dessen Irrsinn des Misstrauens gegenüber immer mehr Menschen beendet. Wie Trump aus dieser Gemengelage ein positives Szenario für sich und die amerikanischen Wähler ableiten kann, bleibt fraglich.
Die Europäer als kulturelle und geostrategisch Verbündete sollen draußen vorbleiben? Bislang war die Präsenz der USA in Europa und die Stärkung von insularen Stützpunkten, die möglicherweise feindlich gesonnenen Kontinenten vorlagen, eine Grundfeste der Stabilität der amerikanischen Weltordnung, so wie aus den Lehren des Ersten und vor allem Zweiten Weltkrieges hervorgegangen, mit entsprechend breit gestreutem Institutionenbau von Militärbündnissen bis zur Weltbank.
Eine grundlegende Überlegung für die amerikanische Sicherheitspolitik war immer die Offshore-Balance, also vor der Tür des Hauptgegners eigene, strategische Antwortpositionen zu haben, von Großbritannien bis zu den ostasiatischen Verteidigungsgürteln aus amerikanischer Sicht. Was würde damit geschehen, wenn Trump auf einmal Russland unterstützt? Beide Verteidigungsgürtel, der in Europa und der asiatische, würden weitgehend entwertet.
China aber könnte geneigt sein, Europa bessere handelspolitische, technologische und sogar militärische Angebote zu machen, mit deutlich weniger Diktaten, als aus den Kreisen Trumps zu vernehmen sind. Die Wirtschaftskraft der EU ist ungefähr zehn mal so groß wie die Russlands. Die Wirtschaftskraft von EU und China übertrifft diejenige der USA und Russlands deutlich.
Ist das Setzen auf Diktate und Machtpolitik die überlegene Strategie? Is might right?- Hat Macht immer Recht?
Im Telegrammstil stellt sich die Lage ungefähr so dar: Die Frage ist, ab wann sich die zweite große Einschränkung für Trumps Vorgehen formiert. Die amerikanischen, "einfachen" republikanischen Wähler, die ihn gewählt haben, werden sowohl die Härten einer Inflation und Arbeitslosigkeit treibenden Zollpolitik spüren und sich betrogen fühlen, und in den Interimswahlen nicht mehr als Trumps verlässliche Stammwähler auftreten. Auch werden die wirtschaftlichen Schäden einer fehlgeleiteten merkantilistischen Handelspolitik nicht leicht zu korrigieren sein. Eine der größen amerikanischen Aufgaben ist die Weiterqualifikation der eigenen Bevölkerung und das Anlocken unternehmerischer ausländischer Talente, und das alles auf dem Hintergrund einer weltweiten Reserve- und Leitwährung, die in ca. einem Dutzend Jahre von den Chinesen entscheidende Konkurrenz erfährt, also keine natürlichen Gewinne mehr in großem Stil abwirft.
Politische und zugleich ethnozentrische Geschmacklosigkeiten wie eine Trump-Riviera auf den Trümmern des palästinischen Rest-Areals samt vergoldetem giantischen Gründerdenkmal ist das eine. Um von den eigenen Wählern abgestraft zu werden, wird offensichtlich mehr verlangt werden. Öffentlicher massiver Dissens wie jetzt zwischen Selenski und Trump samt Vizepräsent Vance mag für große Unruhe sorgen, ändert aber nichts an der hiesigen knappen Analyse.
Das Regierungsmodell von Trump wird am eigenen falschen Deal zerbrechen: der Entzweiung der erbarmungslosen Gefolgsleute von Musk und der klassisch mittelständischen republikanischen Klientel von Trump. Die Macht verschiebt sich dramatisch auf die globalen Finanz- und Entwicklungseliten um Musk, die aus dem Staat ein Instrument der Eigenförderung machen wollen, aber den Schutz der großen Bevölkerung aus dem Auge lassen.
In der Sicherheitsfrage wiederholt sich für Deutschland und Europa eine ähnliche Konstellation wie in den Endsiebziger- und frühen achtziger Jahren unter Helmut Schmidt mit dem Nato-Doppelbeschluss, dann Kohl in der Ausführung: Nachrüstung und wirksame Abschreckung, danach Globalisierung, begünstig auch durch die zwischenzeitliche erfolgreiche Öffnung Chinas. Allerdings haben die politischen Eliten es bis heute sträflich versäumt, der Bevölkerung die Logik der Abschreckung, auch Selbstabschreckung, deutlich zu machen, nach dem römischen Modell: Wenn Du den Frieden willst, bereite Dich auf den Krieg vor. Das römische Staatsgebilde war schließlich eines der erfolgreichsten und langlebigsten in der Menschheitsgeschichte.
Allerdings bleiben die Warnungen des Zyklus von zunehmender wirtschaftlicher Macht, dann gesteigerter militärischer Macht und schließlich militärischer Überausdehnung zu bedenken, angesichts überforderter Ressourcen und der Gegenwehr durch Gegenkoalitionen.
Welches dieser Denkmodelle vorherrschend bleibt, ist völlig offen. Den Herrschern solllte allerdings klar sein, dass sie nur durch Kooperation von der Logik des Nullsummenkonfliktes wegkommen. Offenheit und Handel überführen einseitige Nachteile in wechselseite Vorteile und verhindern ausschließliche Verluste der einen Seite als Gewinn der anderen.
Trump wird weitertrampeln und seine deals als peace-making anpreisen, womöglich bis zum Friedensnobelpreis. Die Gesetze der Ökonomie wird er nicht umstoßen können. Die Mobilisierung gegen seine möglichst alle bisherigen Regeln verletzende Politik wird zunächst langsam erfolgen. Privater Dissens braucht bei dem vorherrschenden Meinungsklima länger, um sich nachhaltig zu äußern. Für Putin werden die Anzeichen des Endes schockartig und sehr schnell erfolgen. Er kann weniger und weniger Menschen vertrauen, aber der Mut, Oppositionsgeist in organisierter Form zum Ausdruck zu bringen, wird in totalitärer Umgebung ungleich größer sein als in demokratischer.
Handel ermöglicht allen Beteiligten eine bessere Versorgung mit Gütern jedweder Art, auch wenn dabei alte Industrien wegen zu hoher Kosten weichen und neue konkurrenzfähige aufgebaut werden müssen. Er zwingt zu dauerhafter Anpassung an neuere Entwicklungen und günstigere Kostenstrukturen. Die Maßstäbe werden den Weltmärkten entnommen, nicht den Parteizentralen und ideologischen Gartenlauben. Für die exportorientierte (höchstens) Hälfte der deutschen Bevölkerung ist dies seit Jahrzehnten nichts Neues, für die Anpassungsunwilligen immer wieder, mit dann steigenden Belastungen. Die Länder müssen sich auf das spezialisieren, was sie mit ihren jeweiligen Produktionsfaktoren noch relativ am günstigsten herstellen können. Sonst fallen sie im Tausch noch weiter zurück. Man nehme diesen Leitsatz und halte den deutschen Budgetanteil der Sozialleistungen dagegen. An dieser Stelle wird einer der weltweiten Spitzenplätze erreicht.
Meinungsfreiheit, Versammlungs- und Organisationsfreiheit, alle Weisheiten des Grundgesetzes, gilt es auszuschöpfen. In der Demokratie und Wissenschaft werden mit Popper untaugliche Theorien sterben. Menschen sterben aber nicht, weil Meinungen im Wettbewerb und damit freiheitlicher Kontrolle stehen. Fake news und hybride Kriegsführungen sind dagegen die neuen Volksseuchen der Gegenwart.
Setzt man auf Handel, so kommen neue Güter, neue Ideen und auch neue schöpferische Menschen ins Land, nicht aber Soldaten durch Diktatoren, die nur an ihren privaten Vorteil denken, nicht aber an das, was Demokratien im Kern mit ausmacht: die Schaffung öffentlicher Güter und friedlicher Umgangsformen.

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