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Standpunkt

Können Rotarier nur Gala-Dinner?

Standpunkt - Können Rotarier nur Gala-Dinner?
Wilfried Leven, RC Köln am Rhein © privat

Es sollte nur 45 Minuten dauern. Warum ein aufwendig geplantes Event anlässlich des 100. Geburtstages der Rotary Foundation am Ende ins Wasser fiel.

31.08.2017


 Wilfried Leven, RC Köln am Rhein, war der Ideengeber für das abgesagte medien- und öffentlichkeitswirksame Event auf der Kölner Domplatte. Er vermisst die Souveränität der Rotarier, im Interesse der Sache mitzumachen.


 Köln, 10. September 2017: Um 16 Uhr treffen sich rund 400 Rotarier mit Familien und Freunden auf der Domplatte an Stehtischen mit gelben Hussen. Die Teilnehmer sind in Blau gekleidet, sodass der Kölner Roncalli-Platz vor dem ehrwürdigen Dom in den Rotary-Farben Gelb-Blau erstrahlt. Via Skype und Großbildprojektion gibt es Liveschaltungen zu Foundation-Projekten in der Dritten Welt. Ein Grußwort der Kölner Oberbürgermeisterin unterstreicht die Wichtigkeit der Foundation. Eine angesagte Band sorgt für musikalische Untermalung. Alle haben Spaß. Passanten fragen, was denn los sei, und sind erstaunt, dass es Rotary überhaupt gibt. Nach 45 Minuten ist alles vorbei und die rotarischen Teilnehmer gehen zum rotarischen Sommerempfang.

„Das haben wir aber noch nie gemacht“
Pressevertreter interviewen die Projektverantwortlichen, RTL ist mit Kamera-Team und Drohne anwesend und filmt alles für eigene Sendungen, für die Nachrichten anderer Sender (!) und für die Verwendung der Rotary Clubs. Nicht anwesende Journalisten erhalten per E-Mail alle nötigen Informationen. Landauf, landab berichten die Medien über die progressiven Rotarier Kölns. Der TV-Mitschnitt findet sich auf vielen Webseiten, wird gepostet und erreicht eine Verbreitung bis nach Zürich und Evanston. Sogar der RI-Präsident bedankt sich für die Aktion bei den Kölner Clubpräsidenten. Der 100. Geburtstag der Foundation, der helfenden Hand Rotarys, bei Rotariern nicht sonderlich beliebt und außerhalb Rotarys praktisch unbekannt, wird medien- und öffentlichkeitswirksam gefeiert. Auch um das Etikett „Geheimbund“ oder „Altherrenbund“, das Rotary häufig anhaftet, zu korrigieren und – vor allem – um die großartigen Projekte, die durch die Foundation erst möglich geworden sind, ins rechte Licht zu rücken. Projekte, die eben nicht nur PolioPlus sind, sondern sowohl in der Dritten Welt beziehungsweise in den Schwellenländern, als auch hier vor Ort Not lindern und Chancen geben.
So wäre es fast gekommen, aber eben nur fast! Tolle Aktion! Dachte ich und mit mir die Gruppe von Rotariern und Rotaractern, die mit Feuereifer und Können an die Realisation gegangen sind: Die Hohe Domkirche, der Polizeipräsident, die Oberbürgermeisterin waren einverstanden beziehungsweise wollten mitmachen; Geld für die Aktion war auch beisammen; Rotaract wollte die gesamte Infrastruktur auf- und abbauen; auch für Catering war gesorgt.
Am 21. Juni 2017 habe ich dann folgende E-Mail an alle Präsidenten der Kölner Clubs schreiben müssen: „Liebe rotarische Freundinnen und Freunde, es tut uns in der Seele weh, aber wir müssen die geplante Foundation-Geburtstagsfeier in Form eines sogenannten Flashmobs absagen.“ Schon beim ersten Vorstellen im Kreis der Kölner RC-Präsidenten reichten die Reaktionen von euphorischer Zustimmung bis zu totaler Ablehnung. Da erst einmal Ablehnen aber rotarischer Standard zu sein scheint („Haben wir noch nie gemacht.“), glaubten wir, durch entsprechende Kommunikation die Phalanx der Verweigerer aufbrechen zu können. Weit gefehlt, das rotarische Trägheitsmoment ist kaum zu überwinden. Vermutlich ist für viele Rotarier das überkommene Gleichgewicht so stabil, dass man tausend Gründe anführt, um es nicht verlassen zu müssen. Die Welt verändert sich, eine Vielzahl der Rotarier lässt sie an sich vorbeiziehen.
In blauem Anzug oder blauem Kostüm gekleidete Rotarier beschweren sich massiv, dass man nicht „verkleidet“ rumlaufen wolle. Sie fragen allen Ernstes, was man denn machen solle, wenn man von Passanten angesprochen würde. Und wenn alles nichts mehr nützt, dann wird die Keule des „UNrotarischen“ gezogen: In die Öffentlichkeit gehen ist unrotarisch. Ein falsches und negatives Image zu haben ist offensichtlich rotarisch.
Die Souveränität, im Interesse der Sache mitzumachen, auch wenn man selbst kein Fan von solchen Aktionen ist, zeigen nur wenige (da muss ich meinen Club ausnehmen). Natürlich gibt es weitere Argumente für den Misserfolg gemeinsamer Aktionen. Zum einen ist das sicherlich die „Kleinstaaterei“, in der jeder Club sein eigener Kosmos ist. Zum anderen sind die Präsidenten auch durch die rotarische Bürokratie so belastet, dass Engagements für clubübergreifende Projekte auf der Strecke bleiben.
Wir, das Orga-Team, haben die Notbremse gezogen, nachdem sehr deutlich geworden war, dass die Aktion doch nur mit einem versprengten Häuflein aufgeschlossener Rotarier stattfinden würde, was dem Image der Foundation und Rotary massiv geschadet hätte. Nach der Absage war dann plötzlich das Bedauern riesig. Und was hat man mir angetragen? „Mach doch ein Gala-Dinner, dann kommen sie alle!“ Curry-Wurst für 300 Euro? Ohne mich!

 

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