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Standpunkt

Lasst uns wieder mehr Vorbild sein

Standpunkt - Lasst uns wieder mehr Vorbild sein
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Die Art, wie wir heute Rotary leben, war so von den Gründungsvätern nicht vorgesehen.

Paul-Werner v. der Schulenburg01.02.2020

Rotary wurde im korrupten Chicago durch den idealistischen Rechtsanwalt Paul Harris als Serviceclub und Wertegemeinschaft gegründet. Im Unterschied zu den damals dort üblichen berufsbezogenen Businessclubs überzeugte er Führungskräfte der Wirtschaft unterschiedlicher Branchen, über Vorbild, Haltung und Leistung „a better world“ in Beruf, Politik und Familie zu schaffen.

Das sollte über eine enge persönliche Beziehung der Mitglieder untereinander zu gegenseitiger, wertebezogener Inspiration und sozialem Engagement in der Nachbarschaft führen. Unser Berufsdienst hat dort seine Quellen.

Wettbewerber zur Mitleidsindustrie
115 Jahre später ist Rotary ein weltumspannender Konzern und Wettbewerber zur Mitleidsindustrie auf der Jagd nach Mitgliedern, Umsatz und Projekten. Auch wenn die Ziele und Werte von Rotary zeitlos bleiben, sind sie den meisten Rotariern kaum bekannt, vielen auch kein Anliegen. Was setzen wir nicht alles für die Pflege unserer Beziehungen im Club ein – Weinproben, Theaterbesuche, Reisen, Essen, Golf etc. Aber wie viel weniger für die beiden Primärzwecke unserer Vereinigung: soziales Engagement und Nachdenken über Werte. Das ist für uns zunächst eine zwar fröhliche, allerdings im Sinne der Gründungsväter eher betrübliche Analyse, die sich aber schnell ändern ließe.

Fangen wir doch damit an, uns jenseits von Effizienzsteigerung auf die Werthaltungen von Führungskräften zu besinnen. Streben wir nicht an, als Prominenz angestrahlt zu werden, sondern bemühen wir uns, etwas abzustrahlen, wie es sich für Eliten gebietet. So könnten Rotarier in ihrem Beziehungs- und Einflussgefüge als Vorbild für „anständiges“ Verhalten dienen. Nur hat jeder Einzelne von uns den Willen, den Mut, Vorbild sein zu wollen, auch wenn andere nicht applaudieren oder es nicht sehen? Auch den Weg der Vereinzelung einer Haltung zu gehen und sich dem Aufwärtsvergleich im Materiellen oder einer Karriere zu entziehen? Eine alte Regel sagt, im Kampf gegen die Korruption gäbe es drei Voraussetzungen: die Kraft der Institution, die Qualität der Herrscher und die Tugend der Bürger (Wilhelm Hennis). Das für uns Naheliegendste ist die Tugend der Bürger, also wir. Wie wäre es, wenn sich jeder von uns ganz still vornimmt, Rotary wieder zur führenden Bewegung gegen Korruption und unmoralische Geschäftspraktiken zu machen? Lasst uns in unserem Beruf, in unserer Führungsverantwortung, in unserem täglichen Leben eine Gewissensschärfe praktizieren, die uns genügend Distanz zu unmoralischem, oft kriminellem Finanz- und Steuergebaren, zu Korruption, zur Vergeudung jeglicher Art ermöglicht. Nicht-Rotarier werden dann sagen: Chapeau, Rotary achtet die Würde jedes Menschen, die Rotarier sind ehrbare Kaufleute, auf die ist Verlass, ihr Umgang miteinander ist vorbildlich und Rotary ist tatsächlich eine Wertegemeinschaft, denn ein solches Kompliment muss doch von außen kommen und darf nicht von uns marktschreierisch verkündet werden.

Wirksamer Code, hilfreiches Kontrollorgan
Suche jeder für sich in seinem Umfeld nach Wegen für kontinuierlich moralisches Handeln in Wirtschaft, Gesellschaft und Familie. Der Versuch, sich an unsere Werte zu halten, wäre sozusagen eine verschwiegene DNA, ein höchst wirksamer Code für unsere Mitgliedschaft bei Rotary. Wir haben die Themen, die Instrumente, die Werte und Regeln im Code of Conduct von 2011 und mit der Vier-Fragen-Probe ein Kontrollorgan für eigenes Handeln. Wir haben auch die Menschen – 55.000 in Deutschland und 8000 in Österreich. Es ist so einfach, Vorbild zu sein, und es gibt keine Alternative dazu. Versinken wir nicht gleich wieder in die Reaktion satter, pessimistischer Wohlstandsbürger, nachdem wir Texte wie diesen gelesen haben, denn leider droht der Enthusiasmus für die Umsetzung ethischen und praktischen Handelns gelegentlich verloren zu gehen. Ich bin überzeugt: Ein mutiges Bekenntnis zu unseren Werten ist die beste Voraussetzung dafür, dass sie am Leben bleiben oder revitalisiert werden können. Beweisen wir uns und unserer Umgebung doch, dass wir Werte haben und sie vorleben können – aber, bitte, leise, unaufdringlich und kontinuierlich. Es muss ja nicht alles auf einmal sein. Im Sinne unserer vierten Frage, die dem „Wohle aller“ dienen soll, kann man auch empfehlen: „Was du heute kannst entkorken, verschiebe nicht auf morgen.“ Also liebe Freunde: auf geht’s! 

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