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Hoffmeisters Empfehlungen

Bauen, Zeichnen, Komponieren

Hoffmeisters Empfehlungen - Bauen, Zeichnen, Komponieren
© Jessine Hein/Illustratoren

Bauwerke repräsentieren mehr als sich selbst. Sie stehen für Geist und Ideenwelt von Epochen.

Martin Hoffmeister01.03.2020

Magie und Strahlkraft architektonischer Monumente zählen zu den eindrücklichsten Phänomenen der Zivilisationsgeschichte. Als Signum kultureller Eigenart, Größe und – im besten Fall – Verfeinerung repräsentieren Bauwerke mehr als sich selbst. Sie stehen für Geist und Ideenwelt von Epochen. Kaum verwundert vor diesem Hintergrund, dass insbesondere ästhetische, stilistische oder handwerkliche Aspekte von Architektur verhandelt, weniger Bauentwicklungen und -prozesse in den Blick genommen werden:

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© Speak Low

Was geschieht, bevor ein Wolkenkratzer, eine Brücke oder ein Musum errichtet werden können, welche Berechnungen und Modelle begleiten die Bauphase? Die in Mumbai, New York und London sozialisierte Ingenieurin und Physikerin Roma Agrawal flankierte als Planerin die Realisierung einiger der avanciertesten Objekte weltweit. Ihr Buch zeichnet kurzweilig und verständlich nicht nur die Geschichte des Bauens nach, fokussiert exemplarisch auf griechische Tempel, die Pyramiden von Gizeh, Wohnanlagen im Alten Rom, den Florentiner Dom oder das Taj Mahal, sondern erschließt dem Leser ebenso Hintergrunddetails zu jüngeren Bauten wie etwa dem Pariser Centre Pompidou oder dem Londoner Hochhaus The Shard. Nachvollziehbar aufgefaltet werden dabei komplexe Planungsprozesse, der Kosmos statischer Berechnungen wie Materiallehre, Sicherheitsfragen und das schwierige Verhältnis von Ingenieuren und Architekten. Den wohlformulierten Text weiß Sprecherin Luise Helm geradlinig und suggestiv in Szene zu setzen.

Im weiten Feld globaler Festival-Kultur definieren die Londoner BBC-Proms den ultimativen Maßstab. Keine zweite Klassik-Reihe steht für vergleichbare künstlerische Standards. Mit der opulenten Royal Albert Hall bietet auch die zentrale Destination des Festivals Raum für Superlative. Inmitten des viktorianischen Amphitheaters gastierte 2017 mit einem Solo-Rezital der ungarische Pianist András Schiff. Gegeben wurde mit Bachs „Das Wohltemperierte Klavier“ (Buch I) eine Repertoire-Legende. Vor über 6000 Besuchern vermochte Schiff seinem Status als einer der führenden Bach-Interpreten in überlegener Manier gerecht zu werden. Seine von Kontemplation, Introspektion und Balance getragene Exegese vereint beispielhaft Kontur, dynamische Schattierung, natürliche Motorik, Durchsichtigkeit, Anschlagsfinesse und den Willen zur Form. Das jetzt erschienene Filmdokument vermittelt die konzentrierte Konzertatmosphäre so imposant wie authentisch.

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©berlin edition/be.bra Verlag

Der Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses polarisierte die Gemüter wie kein zweites Projekt in den vergangenen Jahren. Einen unerwarteten, anregenden, zumal fundierten Beitrag zur Rezeption des Unternehmens präsentiert der Band der Fotografin Kitty Kleist-Heinrich. Entlang von rund 230 vielperspektivischen Abbildungen und einem pointierten Essay von Andreas Conrad werden skrupulös und detailaffin die einzelnen Bauphasen skizziert.

100 Werken der Zeichenkunst und Druckgrafik Raffaels ist eine Ausstellung des Kupferstichkabinetts der Staatlichen Museen zu Berlin anlässlich des 500. Todesjahres des Künstlers gewidmet. Das Augenmerk liegt auf einer Gruppe von Zeichnungen, die der Maler in Vorbereitung größerer Arbeiten auf Papier anfertigte. Ergänzt werden die meisterhaften Tableaus von Zeichnungen einiger Raffael-Weggefährten.


  • Roma Agrawal, Die geheime Welt der Bauwerke, gelesen von Luise Helm, MP3-CD mit Bauplan, Speak low, 432 Minuten, 22,90 Euro, Hörbuch
  • BBC Proms At the Royal Albert Hall, Johann Sebastian Bach – The Well-Tempered Clavier, Book I, Sir András Schiff, Naxos 2.110653, 111 minutes, DVD
  • Kitty Kleist-Heinrich, Das neue Berliner Schloss, be.bra Verlag, 208 S., 233 Abb., 26 Euro
  • Ausstellung: Raffael in Berlin. Meisterwerke aus dem Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, Matthäikirchplatz 8, 10785 Berlin, 28. Februar bis 1. Juni 2020
Martin Hoffmeister

Martin Hoffmeister publiziert regelmäßig in nationalen und internationalen Magazinen und Zeitungen. Als Redakteur im Kulturressort des MDR-Hörfunk beobachtet er die Musik- und Literaturszene seit mittlerweile drei Jahrzehnten. Im Rotary Magazin empfiehlt er Neuerscheinungen aus dem Kulturleben und Fundstücke von seinen Reisen.

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