https://rotary.de/kultur/die-schwerkraft-besiege-ich-staendig-a-18906.html
Interview

"Die Schwerkraft besiege ich ständig"

Interview - "Die Schwerkraft besiege ich ständig"
Will schweren Dingen Leichtigkeit geben in Struktur und Habitus: Thomas Schönauer mit Teilen für eine seiner "Cultivator"-Skulpturen. © Thomas Schönauer

Thomas Schönauer baut aus riesigen Metallscheiben beeindruckende Kunstwerke, die derzeit unter anderem in einem Schlosspark bei Jüchen für Aufsehen sorgen.

01.11.2021

Herr Schönauer, Sie sind Bildhauer. Was macht Ihre Kunst aus?

Ich habe mich auf den Werkstoff Stahl und Metall fokussiert. Vor der handwerklichen Umsetzung steht zunächst das Konzept. Ohne künstlerisches Konzept gibt es keine gute Kunst. Die künstlerische Aussage ist eine nachvollziehbare Sprache, die ich durch meine Arbeiten vermittle. Da geht es mir zum Beispiel um den Kampf gegen die Schwere, die Schwerkraft. Meine Skulpturen wirken leicht, als flögen sie. Meine Gedanken schwirren um die Themen Mikro- und Makrokosmos. Das kann man den Arbeiten entnehmen. Das heißt, ich habe ein künstlerisches Konzept, das auf philosophischen und naturwissenschaftlichen Ideen basiert. Ich habe eine ganz klare Aussage. Und die ist innovativ. Ich gehe sehr stark in die Physik und das Engineering von Werkstoffen. Nicht umsonst hat man mich den "Engineering Artist" genannt. Die Schwerkraft besiege ich ständig. Das ist eines meiner Hauptthemen: Schwere leicht erscheinen lassen.

Wie materialisiert sich dann Ihre Idee?

Es ist nicht unbedingt der Künstler, der das Handwerk beherrschen muss. Ich beherrsche es zusätzlich noch. Ich muss genau wie ein guter Architekt wissen, welcher Werkstoff geeignet ist, eine Skulptur zu machen. Man sollte die physikalischen Eigenschaften von Material kennen. Wenn man sich einer künstlerischen Sprache bedient, muss man wissen, wie sie gesprochen wird.

Ihre Kunstwerke sind international zu sehen. Wo und in welchem Umfeld?

Werke von mir findet man fast überall in der Welt, etwa in Europa, USA, Brasilien, Argentinien, Indien, Iran, Libanon, Syrien, Russland, Saudi-Arabien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten. Das funktioniert über eine lange nachweisliche Aktivität über Galerien, Kunstmessen und Direktmandat. Wettbewerbe spielen auch eine Rolle. Meist sind meine Arbeiten im privaten Kontext zu finden, aber auch im Unternehmenskontext sowie in Museen. Außerdem gibt es eine Menge im öffentlichen Raum.

Werfen wir einen Blick auf den öffentlichen Raum vor unserer Haustür. Wo stößt man auf Werke von Ihnen in Deutschland?

Da wäre zum Beispiel das "Himmelskreuz" im Luthergarten zu Wittenberg aus Anlass des 500-jährigen Jubiläums der Reformation oder der "Cultivator 4" im Innenhafen von Duisburg. Vor dem nordrheinwestfälischen Landtag in Düsseldorf gibt es die Energiepyramide; eine Großskulptur steht auch in Bonn vor dem Bundesamt für Luft- und Raumfahrt. Und vor dem Wassermuseum Aquarius in Mühlheim an der Ruhr findet sich eine skulpturale Installation.

Auf Schloss Dyck ist gerade eine aktuelle Werkschau von Ihnen ausgestellt. Sie sagen, die Ausstellung hat exemplarischen Charakter. Inwiefern?

Was den Besucher dort erwartet, ist das Zusammenführen von kultivierter Landschaft und Kultur mit Skulpturen der Serie "Cultivator". Durch Positionierung meiner Arbeiten sind dort völlig neue Bezugssysteme entstanden. Von Punkten innerhalb der angelegten Gärten, in die ich jetzt noch einmal neue Sichtachsen und Energieströme bringe. Ich mache sozusagen Akupunktur in der Landschaft und setze dadurch neue Energie- und Bezugspunkte. Das ist mit zwölf Großskulpturen eine sehr aufwändige Premiere, die dort stattfindet. Die Ausstellung besteht zum großen Teil aus Skulpturen, die eigentlich gedacht waren für eine große Museumstour durch die wichtigsten brasilianischen Museen. Aber dann kam Covid und es bot sich die Gelegenheit, diese Ausstellung in Schloss Dyck zu machen. Schloss Dyck hat ein internationales Niveau einer Gartenkulturlandschaft von einer unfassbar guten Qualität.

Was passiert anschließend mit den Objekten?

Zum Teil werden die Arbeiten verkauft. Die anderen und neue sollen dann Ende 2022 auf Museumstour nach Brasilien gehen.

An welchen Großprojekten arbeiten Sie aktuell?

Ich mache gerade ein großes Projekt in Riad, Saudi-Arabien, zusammen mit dem deutschen in Italien ansässigen Landschaftsarchitekten Andreas Kipar. Wir haben ein 80-Hektar-Parkprojekt gewonnen. Innerhalb dieses Parks werden an drei Stellen jeweils zwölf Meter hohe Wasserskulpturen von mir positioniert, die die topographischen Höhepunkte des Parks markieren. Da sind wir gerade in der finalen Konstruktionsplanung. Parallel entsteht in Moskau im nächsten Jahr ein großes Painting von mir. Es hat 50 Meter Durchmesser.

Was zeichnet Ihre Malereien aus?

Als Bildhauer ist man immer geneigt, sein bildhauerisches Werk auf die Fläche zu bringen, in die zweite Dimension. Da habe ich mich nie damit zufriedengegeben, einfach nur Zeichnungen meiner Skulpturen zu machen. Ich habe ein ganz eigenes Œuvre entwickelt, was auf innovativen Technologien beruht, nämlich auf Klebesystemen, die auf Stahlplatten appliziert werden. Diese Systeme sind entwickelt worden für die Verklebung von Stahl. Die nehmen Pigmente in einer ganz besonderen Art und Weise auf. Die Wirkung auf den Stahlflächen ist extrem dreidimensional, obwohl es eine völlig flache Fläche ist. Das ist kein klassischer Aufbau von mehrschichtigem Material, sondern es wird gegossen und trocknet innerhalb von einem Tag aus und ist dann wie eine große Illusion des Raums.

Das ist ein hochtechnologischer Prozess, der sich durch viele gute Zufälle mit der Forschungsabteilung von Henkel systematisch weiterentwickelt hat. Henkel ist der Weltmarktführer für Klebesysteme. Die Aufsichtsratsvorsitzende Simone Bagel-Trah ist bei uns im Rotary Club und hat mir die Türen in die Labore geöffnet. Das war ein Meilenstein in der Entwicklung dieser Malerei. Henkel hat eine Tradition in der Förderung von Kunst. Diese Art der Kunst ist nochmal etwas ganz Besonderes, weil sie mit den Kernprodukten des Unternehmens zu tun hat. Eine tolle Kooperation von Industrie und Kunst – basierend auf dem gemeinsamen Drang nach Innovation.

Rotary und Thomas Schönauer, wie sieht es aus?

Einer der ganz großen Vorteile von Rotary ist es für mich, Menschen kennenzulernen, die aus unterschiedlichen Genres kommen. Die Diversität innerhalb von Rotary ist ein großes Plus. Ich bin seit 21 Jahren bei Rotary. Im nächsten Jahr werde ich in der Schweiz bei einer Rotary-Konferenz einen Workshop über meine Malerei leiten.

Das Interview führte Insa Fölster.

Sehen Sie Bilder von den Werken Thomas Schönauers in dieser BILDERGALERIE: rotary.de/fotostrecke/393