Hoffmeisters Empfehlungen
Weihnachtliche Botschaften
Geschenkideen für Nikolausstiefel und Gabentisch
Geschenk und Idee der Advents- und Weihnachtstage stehen zunehmend weniger in Einklang mit (allzu-)menschlichen und gesellschaftlichen Wahrnehmungs- und Reflexionshorizonten. Doch vermögen nivellierender Zeitgeist, Ignoranz und allgemeine Desorientierung zwar den Geist des Festes zu untergraben, so wirken die tradierten, kanonischen, bisweilen codierten Botschaften der Weihnachtszeit nach wie vor als mentale Bezugsgröße, der es Reverenz zu erweisen gilt. Noch hält das Versprechen des Mysteriums.
Michael Praetorius’ Christmesse für den Weihnachtsmorgen zählt zu den kompositorischen Referenzwerken am Übergang von Renaissance und Barock. Das lutherische Werk von englischen und französischen Ensembles in der prachtvollen Schlosskapelle von Versailles aufführen zu lassen, erweist sich als eine der wirkmächtigsten Volten der DVD-Geschichte, denn der Konzert-Mitschnitt mit magisch ausgeleuchtetem Kirchenraum und plausibler Bildregie läßt Architektur, Deckengemälde, Sänger, Ensembles und Instrumentalisten zu suggestiver Einheit verschmelzen.
Seit Jahrhunderten gehört das Sujet Weihnachten zum festen Kanon der Literaturgeschichte. Stilistisch variierend zwischen Kitsch-Prosa, Dramolett oder schöngeistiger Einlassung findet sich das Thema einstweilen erschöpfend dargestellt. Mit seinem Roman "Weihnachten" versteht es der Hamburger Autor Maruan Paschen, das Genre sprachlich und inhaltlich in neue Dimensionen zu überführen. Bereits der Plot weist die Richtung, wenn der Ich-Erzähler seinem Therapeuten über letzte und zurückliegende Weihnachtserfahrungen an der Seite seiner Mutter und deren drei Brüdern berichtet. Dramaturgisch sinnfällig wechselnd zwischen Erzählung, Kommentar und Reflexion, läßt sich das „Einzelkind“ hinreißen zu seziererisch-analytischem Monolog, der nicht nur die Spielarten, Verwerfungen, Abgründe und Glücksverspechen der Weihnachtstage Revue passieren läßt, sondern auch das Spektrum mental-emotionaler Gestimmtheiten minutiös und unerbittlich in den Blick nimmt. Im besten Sinne skurril, neurotisch und absurd!
Zeit seines Lebens ließ der belgische Romancier und Kriminal-Geschichten-Autor Georges Simenon in seinem Werk eine besondere Affinität zur Weihnachtszeit erkennen. In vorliegender Maigret-Erzählung ermittelt der legendäre Kommissar für einmal aus der eigenen Pariser Wohnung. Ein mysteriöser Weihnachtsmann überrascht ein junges Nachbarsmädchen zu nächtlicher Stunde mit einem Geschenk. Die Spur führt zur Ziehmutter und einer dunklen Vorgeschichte. Schauspieler Walter Kreye zelebriert das nostalgisch aufgeladene Tableau mit gelassen-markiertem, ironisch untersetztem Charme.
Der unüberschaubare Kosmos globaler Advents- und Weihnachtsmusiken zeitigt Ratlosigkeit auch bei Eingeweihten. Selbst im Feld der einschlägigen Werke deutscher oder europäischer Provenienz vermag der Liebhaber den zahllosen Entdeckungen und CD-Neuerscheinungen nicht mehr zu folgen. Zu den drei Großmeistern der Gattung "Weihnachtskantate" zählen fraglos die Barock-Komponisten Buxtehude, Telemann und Bach. Sigiswald Kuijken und sein Ensemble La Petite Bande vereinen in ihrer Lesart exemplarisch musikantische und historisch-informierte Spielweise. Das Gegenüber von Vokalsolisten und Instrumentalbegleitung präsentiert sich in seltener Balance.
- Michael Praetorius, Messe de Noel, Live a la Chapelle Royale du Chateau de Versailles, Gabrieli Consort & Players, Les Pages et les Chantres du Centre de musique baroque de Versailles, Paul McCreesh, Chateau de Versailles, CVS 003, DVD
- Maruan Paschen, Weihnachten, Matthes & Seitz, 20 Euro
- Georges Simenon, Weihnachten bei den Maigrets, Lesung mit Walter Kreye, Audio Verlag, 14,99 Euro, Hörbuch
- La Petite Bande – Sigiswald Kuijken, Das neugeborene Kindelein, Christmas Cantatas by Buxtehude, Telemann, J. S. Bach, Accent, CD
Martin Hoffmeister publiziert regelmäßig in nationalen und internationalen Magazinen und Zeitungen. Als Redakteur im Kulturressort des MDR-Hörfunk beobachtet er die Musik- und Literaturszene seit mittlerweile drei Jahrzehnten. Im Rotary Magazin empfiehlt er Neuerscheinungen aus dem Kulturleben und Fundstücke von seinen Reisen.
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