Bröckedde

Die Bücherwand

von Alexander Hoffmann |
| Lesezeit: 2 Minuten

Bröckedde liegt im Herzen Deutschlands – dort, wo Rhein und Donau in den schönen Bröckeddesee münden. Hier trifft sich im Bröckedder Hof der RC Bröckedde zum Meeting – jeden Mittwoch um 13 Uhr im Salon Hindenburg.

 

 

Die Meetings per Zoom hatten sich beim RC Bröckedde gut eingeführt, wie Präsident Pröpke in einer Vorstandssitzung zufrieden berichtete. Er verwies auch auf einen Nebeneffekt: "Über die Live-Bilder erfahren wir mehr über unsere Freundinnen und Freunde, wie sie arbeiten und leben, was sie mögen."

"Genau das ist ja das Fatale", murmelte Freund Dübelmolke, der sich in seinem Homeoffice eine gewisse Schlampigkeit zugelegt hatte. Am liebsten surfte er unrasiert und im Bademantel im Internet, in der linken Hand eine Bierflasche und in der rechten eine dicke Zigarre. Zu jedem Zoom-Meeting musste er sich nun rasieren, in einen Anzug hüllen und auf dem Schreibtisch demonstrativ eine Tasse Gesundheitstee platzieren.

Andere nutzten Zoom für dezente Public Relations. Bürgermeisterin Totholz-Gümbel schaltete sich stets von ihrem Dienstzimmer aus zu, zur Linken das große Foto, das sie beim Händedruck mit der Kanzlerin zeigte. Investmentbanker Munzinger gewährte in seinem New Yorker Büro einen fulminanten Blick auf die Skyline von Manhattan. Eher bieder ging es bei Freund Boppert zu, dem führenden Bäcker von Bröckedde, der sich inmitten seiner Brotlaibe und Puddingstückchen zuschaltete.

 

Der Clubintellektuelle Dr. Krümelein beeindruckte durch die riesige Bücherwand in seinem Rücken. Schon allein die Sammlung der Philosophen von Platon bis Sloterdijk, dazu die schwierigen Romane der Weltliteratur wie "Ulysses" oder "Der Mann ohne Eigenschaften", machten mächtig was her.

Auch Freund Sturzbichl zeigte sich vor einer Bücherwand. Allerdings mit Werken wie den Memoiren von Lothar Matthäus "Das Runde muss ins Eckige", dem Ratgeber "Schnäppchenführer Deutschland" und der Sadomaso-Schnulze "Fifty Shades of Grey". Die entsprechenden Kommentare ließen nicht lange auf sich warten.

Sturzbichl sann auf Abhilfe. Er suchte Dr. Krümelein auf, lichtete die Bücherwand ab und ließ sich aus der Aufnahme eine Fototapete basteln. Die wurde vor jedem Meeting vor den Lothar Matthäus gehängt. Sturzbichls Ansehen stieg rapide und bald legten sich weitere Freunde diese Fototapete zu.

Präsident Pröpke bekam die Hintergründe nicht mit. Und wunderte sich: "Komisch, dass alle dasselbe lesen. Aber es hat Niveau."

 

 

Alexander Hoffmann

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