Distrikt 1880

Stolpersteine: Rotary putzt!

von Ulrike Löw |
| Lesezeit: 3 Minuten

Der RC Fichtelgebirge hat eine Reise nach Berlin unternommen – und dort geputzt. Der Hintergrund: die Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig.

Sie gehören längst zum Kernbestand der deutschen Gedenkkultur – die kleinen Messingplatten, gegossen in einen Betonblock. Als Gedenksteine erinnern sie an die Opfer des Nationalsozialismus, angebracht vor den Wohnhäusern, in denen die Menschen zuletzt freiwillig gelebt hatten.

Initiator der gold-glänzenden Stolpersteine ist der Künstler Gunter Demnig, der die Idee zu den Stolpersteinen hatte und den ersten Stein im Mai 1996 auf dem Gehweg der Oranienstraße in Berlin setzte.

Er kniete damals direkt am Moritzplatz, dort, wo noch immer das Haus mit der Nummer 158 steht. Er stemmte einen Teil des Gehwegs auf, entfernte ein paar der kleinen grauen Pflastersteine, die hier verlegt waren, und setzte zwei Messing-Betonquader für Lina und Willy Friedmann an ihre Stelle. Dann verschloss er den Weg wieder.

Und genau das passiert bis heute an 200 Tagen im Jahr ganz genau so: Der Künstler – und ihm stehen viele Helfer im ganzen Land zur Seite – verlegt noch immer die kleinen messingfarbenen Rechtecke, jedes nur 96 mal 96 Millimeter groß, glänzend und schlicht, mit einer Inschrift versehen.

Es ist auch der Umgang mit den Stolpersteinen, der davon zeugt, wie gelungen das Kunstwerk ist. Der RC Fichtelgebirge liefert ein tolles Beispiel.

Im Rahmen der Präsidentenreise nach Berlin hat der RC Fichtelgebirge bei einem Treffen mit Rotariern in Berlin, natürlich waren auch Partnerinnen und Partner dabei, geputzt.

30 Personen reinigten 52 Stolpersteine in der Wilhelmstraße in Berlin. Die Steine erinnern an 52 Menschen, die ab 1933 aus dem Auswärtigen Amt des Deutschen Reiches entfernt wurden, meist aufgrund ihrer jüdischen Herkunft. Einige von ihnen konnten emigrieren, andere wurden später deportiert und ermordet.

"Im Zuge unserer Berlin-Reise haben wir uns entschieden, die Reinigung dieser Steine als gemeinschaftliche Aktion durchzuführen. Trotz des ernsten und mahnenden Hintergrunds war es eine bereichernde Erfahrung – mit Freude an der gemeinsamen Sache, im Austausch miteinander und auch im Gespräch mit interessierten Passanten!", so Karsten Hennig und Jörg de Signier (RC Fichtelgebirge).

Die Steine werden heute in fünf Werkstätten des Künstlers gefertigt, in rund 1900 deutschen Gemeinden erinnern die Gedenksteine an Juden, Sinti, Roma, Menschen mit Behinderung, Zeugen Jehovas, Homosexuelle und andere Opfer der NS-Diktatur. Sie sind zum Symbol für Erinnerungskultur schlechthin geworden, ein Mitmachdenkmal, für alle. Denn nicht Künstler Gunter Demnig bestimmt, wer einen Stolperstein bekommt, sondern Nachfahren, Hausbewohner und alle, die an Geschichte interessiert sind. Jeder kann forschen, jeder kann eine Putz-Patenschaft übernehmen, eine zivilgesellschaftliche Anstrengung und soziale Skulptur im besten Sinn.

Ulrike Löw

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