Porträt
Der Jahrhundertduft aus Köln
Johann Maria Farina führt in achter Unternehmensgeneration die älteste bestehende Eau-de-Cologne- und Parfümfabrik der Welt. In dem Kölner Unternehmen Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz GmbH hat die heutige Gattung des Eau de Cologne ihren Ursprung.
Zur Person
Johann Maria Farina (RC Köln-Hahnentor) ist geschäftsführender Gesellschafter des Kölner Unternehmens Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz GmbH. Als Unternehmer, Apotheker und Parfümeur führt der 61-Jährige die Geschicke der Firma in achter Generation. Kernprodukt der ältesten Eau-de-Cologne- und Parfümfabrik der Welt ist seit über 300 Jahren der Duft Farina 1709 Eau de Cologne.
Farina1709.com
Umrahmt von prächtigen Gemälden seiner Vorgänger an den Wänden sitzt Johann Maria Farina an seinem schweren dunkelbraunen Holzschreibtisch im obersten Stock des Farina-Hauses in der Kölner Innenstadt. Immer wieder beim Erzählen nimmt er die schlanke, elegant geformte Flasche in die Hand, die den Duft enthält, der sein Leben prägt: Farina 1709 Eau de Cologne.
Es war das Jahr 1709, als Johann Baptist Farina in Köln ein kleines Ladengeschäft mit Kommissions- und Speditionshandel eröffnete. Als fünf Jahre später Johann Maria Farina in das Geschäft seine Bruders eintrat, brachte er die Rezeptur für ein neues Duftwasser mit. Er wurde der Duft der Höfe des 18. Jahrhunderts und hat bis heute zahlreiche weltberühmte Kunden. Zu ihnen zählten etwa König Friedrich von Preußen II., Friedrich Schiller, Goethe, Napoléon, Thomas Mann, Marlene Dietrich und Bill Clinton. „Mein Duft ist wie ein italienischer Frühlingsmorgen nach dem Regen, Orangen, Pampelmusen, Citronen, Bergamotte, Cedrat, Limette und die Blüten und Kräuter meiner Heimat“, beschrieb damals Johann Maria Farina seine Kreation.
Bewährte Komposition
„Vom Prinzip hat sich nichts geändert“, sagt sein fünffacher Urenkel Johann Maria Farina heute. Die Zusammensetzung aus feinsten Inhaltsstoffen hat sich bewährt. Damals sorgte das Öl aus der Bergamottenschale für das gewisse Etwas, mit dem sich der Duft von allen anderen abhob, die bis dahin auf dem Markt erhältlich waren. Bis heute ist die Bergamotte wesentlicher Bestandteil im Duft aus dem Hause Farina und wird nur in Kalabrien angebaut. In getrockneter Form schmücken einige der Zitrusfrüchte auch die Fensterbank seines Kölner Büros. Kurzerhand öffnet Johann Maria Farina auf seinem Computer schließlich die Software Google Earth, die einen virtuellen Globus darstellt. Nur Sekunden später befinden wir uns auf den Bergamotte-Plantagen Süditaliens. „Schauen Sie“, sagt er voller Faszination, „wir können hier jeden Baum zählen.“
Aber noch lieber als via Internet ist der Apotheker und Parfümeur mit dem feinen Geruchssinn und einem besonderen Faible für Zitrusfrüchte auf den Feldern seiner Rohstoff-Lieferanten vor Ort in Frankreich und Italien unterwegs, nimmt die Ernte mit allen Sinnen wahr und erriecht die feinen Unterschiede zum Vorjahr. Denn die Ernten fallen in jeder Saison anders aus. Entscheidend ist das Know-how, die Rezeptur so anzupassen, dass trotz Ernteunterschieden wieder alles exakt genauso riecht, wie der Jahrhundertduft aus Köln eben schon immer riecht. Dafür sitzt der 61-Jährige in der Regel mit Duftmustern einzelner Ernten an seinem Schreibtisch und kombiniert so lange, bis es passt. Der größte Teil dieser Arbeit passiert tatsächlich nicht im Labor, sondern im Kopf. „Das ist wie mit den Noten in der Musik“, sagt Johann Maria Farina, „Beethoven konnte auch komponieren, obwohl er taub war.“ Das Grundgerüst der Rezeptur ist nur die Basis. Nachahmer haben es daher schwer. Dennoch führte das Unternehmen seit seiner Gründung über 2000 Prozesse wegen ebendieser Nachahmer, die versuchten, mit dem Namen Farina Geld aus ihren Produkten zu schlagen. Da es seinerzeit noch keinen rechtlich abgesicherten Schutz der Marke gab, ist Eau de Cologne im Laufe der Zeit der Name einer ganzen Duftklasse geworden. Dem Erfolg des ursprünglichen Farina 1709 Eau de Cologne tut das jedoch keinen Abbruch.
Nachfolge gesichert
Um die Fortsetzung der Familientradition zu sichern, schickt Johann Maria Farina gerade seine 19-jährige Tochter Louise in die Spur, das Traditionsunternehmen eines Tages weiterzuführen. Sie studiert aktuell im zweiten Semester Chemie in Köln, dann sollen die Parfümeursausbildung in Frankreich und das Studium der Betriebswirtschaftslehre in Italien folgen. „Das ist alles schon geplant“, sagt Johann Maria Farina, „meine Tochter muss jetzt ran.“ So ist es üblich im Hause Farina. „Mein Vater hat oft sonntags Parfüm angesetzt. Ich bin häufig mitgegangen und so hineingewachsen“, sagt Johann Maria Farina. Nach dem Militärdienst folgten eine Ausbildung zum Industriekaufmann, danach eine Ausbildung zum Parfümeur und anschließend ein Pharmaziestudium in Bonn. Auch seine Mutter ist Designerin und Parfümeurin. Mit ihr arbeitet der Unternehmer inzwischen seit 30 Jahren zusammen im Familienbetrieb. Bis irgendwann Tochter Louise das Unternehmen übernimmt, wird sie noch viel Know-how über die Kunst der Parfümkomposition von ihrem Vater und ihrer Großmutter mit auf den Weg bekommen. Was den Duft angeht, wird sich auch in der neunten Unternehmensgeneration wahrscheinlich nicht viel ändern. Denn der hat sich bewährt.
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